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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.08.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1934-08-09
- Erscheinungsdatum
- 09.08.1934
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- Deutsch
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X- 184, 9. August 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b.Dtschn.Buchhandel. Was ist das Buch? Don Adolf Spemann. Es gibt Augenblicke, wo Binsenwahrheiten lebenswichtig sind; man must den Mut haben, sie auszusprechen. In Zeiten revolutioniirer Neugestaltung müssen altgewohnte und rostbedeckte Begriffe es sich gefallen lassen, daß sie ruf ihren Gehalt untersucht werden, und das ist gut so, denn dies ist die ein zige Möglichkeit, mit Gerümpel aufzuräumen. Jede solche große Umstülpung bringt aber als Nebenerscheinung mit sich, daß auch Grundwahrheiten angegriffen oder leichterhand über Bord gewor fen werden, die man nicht ungestraft mißachtet. Immer wenn ein Wort verschiedene Begriffe auszudrücken hat, entsteht eine baby lonische Sprachverwirrung; dies droht in kritischen, aufgewühlten Zeiten zu einer großen Gefahr zu werden. So redet man heute über das Buch jn einer Weise aneinander vorbei wie vielleicht noch nie, und zwar um so mehr, als Buch und Buchmarkt offensichtlich krank sind und bei Kranken bekanntlich jedermann, auch der Nicht arzt, freigebig mit Ratschlägen ist. Es ist, als stünden ein Allopath, ein Homöopath, ein Psychoanalytiker, ein Anthroposoph, ein Ge sundbeter und ein Mann der Christlichen Wissenschaft am Lager eines sich in Krämpfen windenden Kranken, der in seinen wenigen schmerzfreien Augenblicken nur den Streit der Medizinmänner hört: Es ist das Herz, es ist die Milz, es ist der Blutdruck, es ist der verdrängte Sexus, es fehlt der Glaube. Es ist daher dringend notwendig, einmal die unabänderlichen Grundbegriffe vom Wesen des Buches klar herauszustellen, denn sonst kommt man aus fal scher Diagnose zu falscher Therapie; diese Grundbegriffe sind Axiome, also unabdingbar und immer gültig, keinerlei Krisen und Veränderungen unseres staatlichen und kulturlichen Lebens unter worfen. Nicht Gedeih und Verderb des Buchhandels allein hängen davon ab, sondern das Schicksal des Buches selbst, das ja ohne seine Mittler nicht lebensfähig ist. Was also ist das Buch? Es ist zunächst ein Spiegel, der jedem Hineinschauenden sein eigenes Gesicht zurückwirft. Der reine Kaufmann sieht in ihm nur Ware und Handelsgegenstand; der Schriftsteller, die geistig inter essierten Menschen überhaupt, sehen in ihm nur den Ausdruck eines Geistigen, formgewordene Erscheinung eines Gefühls oder Ge dankens; dem Schüler ist es eine böse Zwangsjacke; der Künstler oder Ästhet steht nur den kunstgewerblichen Gegenstand. Es lassen sich ein Dutzend verschiedener Gesichter aufzählen, die das Buch hat, aber es ist nichts weniger als gleichgültig, was einer im Buch er blickt. Wir müssen daher einmal das Wesen des Buches für alle Zeiten festlegen, dann folgt alles weitere von selbst. Das Buch ist eine Dreieinigkeit aus Geist, Technik und Wirtschaft. Wird ein Stein aus dieser Drei einigkeit herausgebrochen, so ist der Weg zur allmählichen Vernich tung des Buches beschritten. Im einzelnen: l. Das Buch ist Niederschlag des Geistes, ist die sichtbare Form einer geistigen Schöpfung, wobei Geist im weitesten Sinn zu verstehen ist: Jeder Buchinhalt muß zuvor gedacht wer den, ehe er geschrieben und ehe er gedruckt werden kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Gedicht, um einen Roman, um ein Lehrbuch der Zahnheilkunde, um eine Schulausgabe von Horaz' Oden oder um ein Konversations-Lexikon handelt: zuerst sind alle diese Bücher einmal »urgehoben« worden. Von der geisti gen Natur des Buches geht seine eigentliche und eigentümliche Wirkung aus. Doch schon in diesem Geistigen hat man scharf zu scheiden, und zwar nach dem Gesichtspunkt: welche Bücher sind weltanschau lich verankert? Die Weltanschauung läßt sich vom ganzen Gebiet der schöngeistigen Literatur kaum trennen, ebensowenig von man chen wissenschaftlichen Gebieten; die deutsche Revolution hat dar über jedem, der es etwa noch nicht wußte oder übersah, die Augen geöffnet. Aber es gibt auch einen weiten Bezirk von Büchern großer Wichtigkeit und hohen Wertes, die mit Weltanschauung nichts zu tun haben und trotzdem zu den unentbehrlichen Waffen für den Lebenskampf, zu notwendigen Bestandteilen unserer Kultur ge hören. Das gilt vor allen Dingen für alle Fach- und Gebrauchs- 710 literatur; hier entscheidet nur das wissenschaftliche und das hand werkliche Können, es regiert die Welt der objektiven, von Welt anschauung, Politik und Religion freien nüchternen Tatsachen, auf denen wir stehen müssen, auch wenn wir nach den Sternen greifen. 2. Das Buch ist das Produkt einer Reihe von Faktoren der Technik, die in bestimmter Reihenfolge am Aufbau des Gegen standes, den wir im Gegensatz zu einer Zeitschrift oder Zeitung oder anderen Dingen ein Buch nennen, Mitwirken. Es ist bei dieser Betrachtung gleichgültig, ob es sich um ein rein handwerkliches Erzeugnis unter weitgehender Ausschaltung der modernen Ma schinentechnik handelt (das geschriebene Buch auf Handgeschöpftein Papier, das ja nur noch ein museales Liebhaberdasein führt) oder um das in Massenauflagen mit Maschinen hergestellte Typenbuch. Gemeint äst das Buch schlechthin als bedrucktes und gebundenes Papier, in einem Einband von Pappe, Leinwand, Halb- oder Ganzleder, mit oder ohne Schutzumschlag, sei es, daß es sich nun um ein reines Textbuch oder um ein solches handelt, in dem der Text von künstlerischen oder rein sachlich erklärenden Bildern be gleitet wird. An der Gestaltung dieses Fertigprodukts arbeiten viel mehr Berufsgruppen mit, als der Laie gemeinhin annimmt, näm lich der Papierfabrikant, der Photograph, der Chemigraph, der Ge brauchsgraphiker, der Holzschneider, der Drucker, der Graveur, der Buchbinder. Dieses ganze Orchester verschiedenster Instrumente spielt unter der Leitung des Verlegers und seiner engeren Mit arbeiter die vielstimmige Symphonie, die wir Buch nennen, und jede dieser mitwirkenden Berussgruppen beschäftigt ihrerseits wie der eine bestimmte Zahl eigener Lieferanten. 3. Das Buch ist Gegenstand der Wirtschaft. Aus dem Verkauf des Buches müssen die Mittel zur Honorierung des Verfassers gewonnen werden, ferner die Mittel, weitere Bücher her- zustellcn, deren Handschrift bereits vorliegt oder die erst geschrieben werden sollen, die Mittel, um den für die Herstellung und den Ver trieb des Buches notwendigen Betrieb aufrechtzuerhalten, von dein eine große Anzahl von Menschen leben muß, einerlei ob es sich nun um einen Verlag oder um den vertreibenden Buchhandel in seinen verschiedenen Formen handelt, die in geschichtlich begründeter deut scher Tradition entstanden sind. Das Buch unterliegt daher wirt schaftlichen Notwendigkeiten und Gesetzen, und sein wirtschaftliches Geschick ist von dem der allgemeinen Wirtschaft untrennbar; seine wirtschaftliche Lage ist im Gegensatz zu den typischen Verbrauchs- gütern wie Seife, Zigaretten oder Autoreifen, die verschleißen und immer wieder neu gekauft werden, besonders schwierig, weil ein Buch mit wenigen Ausnahmen vom Käufer immer nur einmal ge kauft wird, ähnlich wie ein Musikinstrument, ein Rundfunkgerät oder ein Haus. Damit ist der Berkaufsmöglichkeit eine viel engere Grenze gesetzt. Sie wird noch dadurch verringert, daß das Buch im Gegensatz zur Zahnbürste verliehen werden kann, daß also auf einen Käufer stets mehrere Leser kommen, daß ein Buch also stets mehr Leser als Käufer hat. Die Wirtschaftseigenschafl des Buches bringt es mit sich, daß alle Buchgruppen und ebenso alle Fachgruppen des Buchhandels gleichermaßen am Wohl und Wehe des Buches teil- nchmen: Es kann höchstens auf ganz kurze Zeit dem einen schlecht gehen und zugleich dem andern gut; schrumpft der Umsatz bestimm ter Zweige der Bucherzeugung stark zusammen oder kommt er zwangsweise zum Erliegen, so hat ein anderer nur ganz vorüber gehend einen Vorteil davon. Mit anderen Worten: das Buch ist überaus konjunkturempfindlich. Diese Dreieinigkeit des Buches ist unauflöslich in seinem Wesen begründet; sobald sie mißachtet wird, sobald man nur einen ihrer drei Bestandteile übersieht oder als Nebensächlichkeit behan delt, ist die schiefe Ebene zum Ruin des Buches betreten. Dies läßt sich nicht nur aus der Erfahrung beweisen, sondern geht schon aus der klaren Erkenntnis vom Wesen des Buches hervor: unsere Untersuchung möchte diese Erkenntnis fördern, um dem Buch die Erfahrung zu ersparen, da diese nicht nur schmerzlich, son dern lebensgefährlich ist. Der Reihenfolge, in der wir die drei Bestandteile der Drei einigkeit Buch aufgeführt haben, entspricht zugleich ihre Rangfolge. Zuoberst steht immer der geistige Urvorgang, ohne den eben das Buch nicht möglich ist; dann folgt die technische Formgebung, die man mit der Aufführung eines Dramas oder eines Musikstücks ver gleichen kann; der Verleger spielt dabei die Rolle des Regisseurs
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