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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.11.1932
- Strukturtyp
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- 1932-11-26
- Erscheinungsdatum
- 26.11.1932
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- Deutsch
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276, 26. November 1932. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. L. Dtschn Buchhauüel. „Das Schlesische Buch." Ausklang der Schlesischen Tage 1932. Das Geistes- und Kulturleben eines Volkes findet seinen Aus druck in den Werken der Dichter und Denker. Ihre Bücher sind Ab bild und Niederschlag ihrer Epoche. Sie zeigen, welche seelischen und geistigen Kräfte in einem Volke wohnen. So mußte die »Schle sische Buchwoche«, sollte sie ihre innerste lind eigentliche Aufgabe er füllen, darzustellen versuchen, wie im schlesischen Buch sich des Schlesiers Art und Wesen wiederfinöen, wie sich in den Werken schlesischer Autoren oder solcher, die über Schlesien geschrieben haben, das geistige Bild des Raumes Schlesien offenbart. Die Buchwoche fand statt in den Tagen vom 13.—19. November 1932 in beiden Provinzen Ober- und Niederschlesien. Sie mar gedacht als Ans klang der »Schlesischen Tage 1932«. Die »Schlesische Buchwoche« wurde am Sonntag, dem 13. No vember 1932 eingeleitet mit einer Morgenveranstaltung vor geladenen Gästen. Die festlichen Räume des Breslauer Schlosses, noch unver ändert erhalten aus der Zeit, da Friedrich der Große sie bewohnte, gaben einen stimmungsvollen Rahmen für die Feier. Das Streich quartett der Schlesischen Philharmonie spielte das Allegro aus dem Quartett D-Dur von Joseph Haydn. Nachdem die schönen Klänge verrauscht waren, ergriff Stadtrat vr. S ch i m m e l p f e n n i g das Wort zu einer kurzen Ansprache, in der er im Namen des Ehren ausschusses die zahlreich erschienenen Gäste herzlich willkommen hieß, barunter vor allem die Vertreter der Behörden, der Schulen, der Bibliotheken, des Buchhandels und der Presse. Er dankte besonders all denen, durch deren Mitarbeit und tatkräftige Unterstützung bie »Schlesischen Tage« ermöglicht würben, die jetzt ihren sinngemäßen und besonderen Abschluß finben sollten in der »Schlesischen Buch woche«. Hierauf umriß Provinzialkonservator vr. Grundmann eingehend die Ausgabe und das Ergebnis der Schlesischen Tage 1932. Notzeiten — so führte der Redner näher aus — lassen Kräfte wachsen. Schlesien ist durch den unglücklichen Ausgang des Krieges südost deutsches Grenzlaub geworden. In den Schlesischen Tagen 1932 drängte zweierlei zur Gestaltung. Einmal sollte Schlesien dem Schlesier selbst nahegebracht, schlesisches Wesen und schlesische Art für ihn selbst dargestellt werden. Zweitens aber sollte Schlesien den Deutschen außerhalb Schlesiens gezeigt, Deutschland für Schlesien be reit gemacht werden. War dieses Zweck der Schlesischen Tage, so mußte ihr Inhalt sein, aufzuweisen, wie sich Schlesien darstellt in seinem Volkstum, im Volkstanz, im Theater, in der Musik, in der bildenden Kunst, in Geschichte und Vergangenheit. Mittelpunkt aller Veran staltungen waren die Gerhart Hauptmann-Feiern, weil in Gerhart Hailptmanns Werk sich schlesisches Wesen und schlesische Landschaft in besonders starker dichterischer Form wiederfindet und weil gerade in seinen besten Dichtungen schlesisches und deutsches Wesen zu einer Einheit gekommen ist. Große sachliche und wirtschaftliche Schwierig keiten konnten trotz des Notjahres überwunden werden. Schwieriger noch schien die geistige Zielsetzung, weil jode Kultur nur bis zu einem gewissen Grade sichtbar und bewußt gemacht werden kann. Schlesische Kultur ist nicht allein eine schlesische, sie ist eine deutsche Angelegen heit. Alle Veranstaltungen der Schlesischen Tage 1932, ursprünglich als Schlesier-Jahr gedacht, lagen in diesem Nahmen. Vom farben prächtigen Trachtenfest im Juni 1932, ein Versuch, das »äußerlich Schaubare« von altem schlesischem Volkstum und Volksgut lebendig darzustellen, führte ber Weg zu der »Schlesischen Buchwoche 1932«, in ber bas »innerlich Erlebbare« in den Büchern schlesischer Autoren seinen Ausdruck findet. Es ist derselbe Weg, auf dem alle fest lichen Ereignisse lagen: das Bekenntnis schlesischer Städte zu ihrer reichen Vergangenheit: ihre Dichterfeiern, in denen ein Jakob Böhme, ein Gryphius, ein Eichendorff und ein Gustav Freytag geehrt wurden: die Eröffnung von neuen Heimatmuseen in Beuchen, Görlitz und Glatz; die Ausstellung des schlesischen Künstlerbundes und die Neugestaltung und Umwandlung des Breslauer Thalia-Theaters in das »Gerhart Hauptmann-Theater«. Alle Bemühungen, schlesische Kultur in diesen Tagen sichtbar zu gestalten, sind Symbol. Der Er folg ist nicht mit Zahlen und Teilnehmerziffern wiederzugcben, er liegt außerhalb des Meßbaren. In der Schlesischen B u ch - woche 1932 finden die Schlesischen Tage ihren sinn gemäßen Abschluß und Ausklang. Die Ausführungen fanden den lebhaften Beifall der Anwesenden. In äußerst temperamentvoller, fesselnder Weise sprach sodann Büchereidirektor Ine. Mo er ing über »Lage und Ziel des schlesischen Kulturlebens«. Seine Worte enthielten sehr scharfe Angriffe aus unsere heutige Kultur. Ich kann in diesem Be richt nur bas Wesentliche wiodergeben: Die Spannweite und der große Reichtum schlesischen Kultur- und Geisteslebens könnten mich als Festredner zu einer Begeisterung verführen, aber die Lage, in der wir uns befinden, läßt mich ins Stocken geraten. Rudolf Thiel hat in seinem überaus lesenswerten Buche: »Die Generation ohne Männer« darauf hingewiesen, daß heute der Geist nicht mehr wie früher umstritten und umkämpft ist; er wird nur noch geduldet, ist lediglich ein Anreiz geworden: Der Geist ist nicht mehr lebendig. In der Geschichts-, in der Rechtswissenschaft, in der Philosophie und in der Literatur, überall finden wir dasselbe Bild: es geht nicht mehr um deu wahren Sinn und Geist dieser Wissenschaften, alles ist abgeschwächt, umgebogen, unbedeutende Nebensächlichkeiten, Wort klaubereien, Literatentum bilden die Hauptsache. Warum werfen uns die schöpferischen Geister keine Bälle zu, daß wir sie auffangen? Woran liegt dieses Versagen? Die Hörweite ist heute größer als je: durch den Rundfunk werden Schichten erfaßt, an die früher niemand herankommen konnte. Es gibt genügend billige Bücher guter Autoren, ja so viele, daß sie bereits zu einer Gefahr für den wirtschaftlichen Bestand des deutschen Buchhandels geworden sind. Auch gelesen wird genug. Aber es besteht keine organische, innere Verbindung zwischen den Schaffenden und dem Volke. Es fehlt die Gemeinschaft. Wir find Einzelgänger geworden. Auch die Buch-, Leser-, Theater- und Kulturgemeinden bilden keine wirkliche Gemeinschaft, sie drücken ledig- lich eine Sehnsucht aus. »Wir leben in der Periode des Atoms im atomistischen Chaos« (Nietzsche). Wir haben keine geschlossenen Verbände mehr, statt Bauern nur noch Landwirte, statt Patrizier nur noch reiche Leute, statt des Adels nur noch Adlige. Als einzelne drücken wir uns gern um die Verantwortung dem Geistigen gegen über, wir fürchten das Unangenehme, weichen ihm aus, flüchten nur allzu oft in das Irrationale, in falsche Frömmelei. So ist die heutige Lage der deutschen Kultur und damit auch der schlesischen lediglich eine Rückerinnerung. Sorgen wir dafür, daß wir wieder zu einer Gemeinschaft gelangen in Form und Sitte, daß der Geist wieder lebendig wird. Dazu soll auch die »Schlesische Buchwoche« beitragen. Lebhafter Beifall dankte dem Redner. Es ist hier nicht der Ort, sich im Einzelnen mit seinen Ausführungen auseinanderzusetzen. Ein Teil seiner Anklagen ist zweifellos berechtigt. Als letzter sprach Ver lagsbuchhändler Theodor Marcus über das Thema: »Das schlesische Buch und die Heimat«. Ich habe als Vertreter des Buchhandels — so begann Herr Marcus — nicht die Absicht, hier sämtliche Namen und Werke schle sischer Autoren aufzuzählen, gewissermaßen einen schlesischen Weih nachtskatalog herauszubringen. Der Buchhändler ist Mittler zwischen Autor und Leser. Die Lage für den schlesischen Buchhandel ist heute besonders schwierig. Es märe falsch, zu behaupten, daß im Buch handel alles in Ordnung ist. Auf der einen Seite zwingt die wirt schaftliche Notlage den Verleger oft, ein Buch abzulehnen, auch wenn seine Herausgabe ihm aus kulturellen Gründen notwendig erscheint. Alls der anderen Seite herrscht eine Überproduktion, die nicht zu rechtfertigen ist. Wenn in einem Jahr über dreißig Verleger eine noch viel größere Anzahl Bücher über Goethe herausbringen, so ent spricht das selbst im Goethejahr nicht dem wirklichen Bedarf und Absatz. Hier liegt eine sachlich falsche Einstellung des Verlages vor. Ist die alte These, daß Idee gleich Kapital ist, richtig, so muß vor allem der Verleger reiflich überlegen, was er herausbringen soll. Er darf nicht nur für die Stunde und den Tag verlegen, sondern muß auf Jahre hinaus dispo nieren. Es ist dazu gekommen, daß das Buch iu seinem jetzigen Inhalt und seiner jetzigen Form sich oft selbst bekämpft, sich selbst im Wege steht. Ist aber tatsächlich eine geistige Wende da, das Volk im Aufbruch, so müssen -wir die Konsequenzen ziehen. Heilmittel aller Art gibt es weder für das wirtschaftliche noch für das geistige Leben. Prüfen wir den Raum Schlesien auf seine wirtschaftliche und geistige Eigenart, seine Stellung als Grenzland, seine Ausgabe im Kulturleben Deutschlands. Diese Besinnung auf Schlesien, auf das schlesische Buch darf nicht zur »geistigen Autarkie« ausarten. Es ist eine Eigenart des Schlesiers, wenig Rückgrat zu haben, in der Fremde sein Wesen schnell aufzugeben und sich dem Fremden anzupassen. Die schlesische Literatur sowohl auf schöngeistigem wie wissenschaftlichem Gebiete ist groß, die »Schlesische Bibliographie« legt mit ihren fünf Bänden Zeugnis davon ab. Es ist zu begrüßen, daß die Städtischen Volksbüchereien in Breslau einen Katalog über schlesische Literatur herausbringen wollen. Schlesisches Schrifttum fand stets große Unterstützung durch die gelehrten Gesellschaften in Schlesien, aber ihre Mittel sind heute eng begrenzt. Den Bibliotheken aller Art werden die Etats in bedrohlicher Weise gekürzt. Mit allen Mitteln müssen wir uns gegen diese Streichungen an den Kultur etats wenden, weil die Folgen davon für das schlesische Kultur leben unabsehbar sein würden. Schlesien kann seine Ausgabe als südostdeutsches Grenzland nur dann erfüllen, wenn man in Berlin endlich Schlesiens Not klar erkennt und danach handelt. Selbst die Schlesier im Reich haben nur wenig Verständnis für unsere Lage. Hier liegt eine große Aufgabe der Schule, die Jugend beizeiten 851
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