20 „Manfred, der über seinen Liedern sein König reich vergaß", sagte der Baron. „Sie sangen alle, die Staufer. Nach Tagen erst fand man seinen Leichnam unter den vielenToten deöSchlachtseldS, man erkannte ihn an den blonden Haaren und an der Haut, die so weiß wie Schnee war.,Lionclo e bello e Ui §enti1e L8pettc/, — so hat ihn Dante beschrieben, und im Purgatorium läßt er ihn lächelnd seine Wunden zeigen und über die Rachsucht des Papstes klagen, der ihm das Grab unter der Brücke von Benevent mißgönnte. Zwei Söhne hinterließ Manfred, die waren blond wie er, und sie starben in den Kerkern Karls von Anjou, nachdem sie dreißig Jahre lang in Ketten gelegen waren." „Und Enzio", schloß ich, „des Kaisers liebster Sohn, starb in -er Gefangenschaft der Bologne ser. Der Kaiser hatte ihnen als Lösegeld einen ,Ring von Silber rings um die Stadt" geboten und sie an das launische Glück erinnert, das oft die Menschen in die Höhe hebt, um sie zuletzt im Sturze zu zermalmen. Aber die Bologneser gaben den Kaiserssohn nicht frei. — ,Wir halten ihn und wir werden ihn halten", gaben sie zur Ant wort, ,und oft schon hat ein kleiner Hund den Eber gepackt" —. Um zwei Jahre überlebte Enzio seinen Neffen, den jungen Konradin, der auf dem Marktplatz von Neapel hingerichtet wurde. Er war der letzte Staufer." „Nein", sagte der Baron. „Enzio war nicht der Letzte des strahlenden Geschlechts. Schön und voll Anmut auch im Untergang fand er im Kerker eine Geliebte. Die jüngste Tochter des ghibellini- schen Grafen Niccolo Ruffo teilte heimlich mit ihm sein Bett. In einer Nacht im Karneval, als seine Wächter sich in den Straßen vergnügten, wurde sie ihm angetraut. Drei Tage später starb er und sie verließ die Stadt. In Bergamo brachte sie den Knaben zur Welt." Wir standen mit einem Male vor dem Park gitter, ich sah die Strohhüllen der Rosenstöcke, den Ziehbrunnen, die Terrasse und das blaue Schieferdach des Herrenhauses. Ich war erstaunt darüber, denn ich konnte mich nicht daran er innern, wie wir in daö Dorf gekommen waren. Wir mußten warten. Zwei mit Dung beladene Ochsenkarren hatten sich ineinander verkeilt und versperrten den Weg. Die Räder kreischten, die Ochsen brüllten, die Kutscher fluchten, und in all dem Lärm sprach der Freiherr von Malchin weiter: „Der Papst wußte von dem Sohn des Enzio. — ,Aus Barmherzigkeit und christlicher Liebe wol len wir seiner nicht gedenken", — sagte Cle mens IV. In Bergamo lebten sie, die Staufer, durch die Jahrhunderte, — verborgen und in Ar mut. Sie vererbten das Geheimnis ihrer Her kunft von Geschlecht zu Geschlecht zugleich mit den beiden Heften, in die der König Enzio seine Lie der und Romanzen geschrieben hatte. Der Mann, den ich vor elf Jahren in Bergamo suchte und fand, besaß sie. Er brachte sich als Tischler fort und da er arm war, überließ er mir seinen Sohn und ich nahm ihn mit mir." Über die beiden Düngerwagen hinweg wies der Freiherr von Malchin aus die rötlichen Sand- fteinmauern, an denen die kahlen Ranken des wil den Weines in die Höhe kletterten. „Sehen Sie daö Haus? Das ist der Kyff- häuser, dort lebt und wartet der heimliche Kaiser. Ich bereite ihm den Weg. Und eines Tages werde ich der Welt die Worte sagen, die einst der sara zenische Diener Manfreds den Bürgern der re bellischen Stadt Viterbo zurief:,Offnet die Tore! Offnet die Herzen! Seht, euer Herr, der Sohn des Kaisers, ist gekommen!" " Der Freiherr von Malchin schwieg und blickte den beiden Ochsenkarren nach, die endlich vonein ander losgekommen waren und sich knarrend die Dorfstraße hinabbewegten. Dann sagte er, ohne mich anzusehen, mit einem scheuen und verlegenen Lächeln und in gänzlich verändertem Ton: „Sic finden ihn drüben im Gartenpavillon, dort arbeitet er. Um diese Zeit hat er gewöhnlich französische Lektion." Il-I^OOOKk Tennis Lerksrcit / 552 Selten I-äUl. ISOl.t^V VSKl.äQ / KSKl.!^ -