Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.06.1944
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1944-06-07
- Erscheinungsdatum
- 07.06.1944
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19440607
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-194406071
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19440607
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1944
- Monat1944-06
- Tag1944-06-07
- Monat1944-06
- Jahr1944
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
den, der es verstand, noch im höheren Alter auf die Jugend begeisternd einzuwirken und sie anzuregen. Er tat es in seiner knappen, präzisen, ungekünstelten Art, die in das Wesen der Dinge eindrang. Den Volon tären, die in seiner Offizin tätig waren, und den begabten Lehrlingen war er ein väterlicher Freund und Berater. Er flößte ihnen Begeiste rung für den Beruf ein. Viele von ihnen befinden sich heute in ver antwortlichen Stellungen, als einer der Treuesten Kurt Schmaltj, der fünfundvierzig Jahre an Poeschcls Seite gearbeitet hat und in gewisser Weise auch sein Schüler gewesen ist. Im Jahre 1903, im Alter von 29 Jahren, hielt er die ersten typographischen Skizzierkurse in dem unter der Leitung von Ju6tus Brinkmann stehenden Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg ah. Im Jahre 1904 wurde ein zweiter Kursus an der Leipziger Akademie abgehalten, an dem so viele teil- nahmen, daß er nach der großen Gutenberghalle des Deutschen Buch gewerbevereins verlegt werden mußte. Später folgten zahlreiche an dere Kurse, auch für Verlagshersteller, die bei den Beteiligten tiefe Ein drücke hinterließen. Dieses, nicht 60 sehr Wissen vermittelnde als viel mehr in hohem Maße anregende pädagogische Talent Poeschels trat auch hervor, wenn man mit ihm Ausstellungen, etwa eine Bodoni-Aus stellung, besuchte. Dann erschloß sich einem, fast unmerklich und plötj- lich erst die wahre Bedeutung Bodonis, die Weite und die Begrenzung seines Schaffens. Als der Sechsundzwanzigjährige die Hamburger Kurse abhielt, stand er bereits drei Jahre auf verantwortlichem Posten im Dienst des deutschen Druckgewerbes. Nach dem Besuch des Gymnasium^, der prak tischen Lehre, Betätigung in verschiedenen deutschen Druckereien und einem längeren Aufenthalt im Ausland wurde Poeschel im Jahre 1900 Mitarbeiter seines Vaters, des Hofrats Heinrich Ernst Poeschel, des Mit begründers der Buchdruckerei Poeschel & Trepte in Leipzig. Das erste Buch, das 1900 von Carl Ernst Poeschel typographisch betreut wurde, war seine Übersetjung von Ernest Seton Thompsons Tiergeschichten, die viele Auflagen erlebte, ohne daß der Überse^er je genannt wurde. Die neue deutsche Buchkunst war um die Jahrhundertwende in ihren ersten erfolgreichen Bemühungen um eine Reform des Druckgewerbes be griffen: der „Pan“ und die „Insel“ waren erschienen, und in dem gleichen Jahre, in dem Poeschel in die väterliche Offizin eintrat, hatte Klingspor die „Eckmann-Schrift“ herausgegeben, die so großes Aufsehen erregte. Poeschel schloß sich den neuen Bestrebungen mit der ihm eigenen Im pulsivität, aber auch in einer gewissen Vorausahnung der kommenden glänzenden Entwicklung an. Er sollte bald zu den führenden Persönlich keiten der neuen deutschen Buchkunst gehören. Gleich zu Beginn seines Schaffens verband er das Streben nach neuen Formen mit dem Ringen um einen eigenen persönlichen Stil. Seine ersten Erzeugnisse zeigten noch gewisse Anklänge an den Jugendstil, der aber rasch überwunden wurde. Eugen Diedetichs ließ 1902 das erste Ricarda-Huch-Buch (Dornröschen, ein Märchenbild) von dem jungen Leipziger Drucker gestalten; auch druckte Poeschel die damals weitverbreitete und vielgelesene Veröffent lichung „Arbeiten und nicht verzweifeln“ des Verlages Langewiesche. Das Jahr 1904 brachte auch schon den ersten amtlichen Auftrag, den Ausstellungskatalog der deutschen Abteilung auf der Weltausstellung in St. Louis. Dieser Katalog gehört heute mit zu den W'erken, die für die neue Buchgestaltung besonders charakteristisch sind. Alle diese Arbeiten enthalten schon das, was man den Poeschel- schen Stil nennen kann. Eine klare, einheitliche Linie geht etwa seit dem Jahre 1902 durch das ganze Schaffen Carl Ernst Poeschels; in un endlich vielen Variationen, in vielseitigster Deutung des geschriebenen und gesprochenen Wortes suchte er die zahlreichen Aufgaben, die seiner Offizin gestellt wurden, zu meistern. Immer wieder ist es auch die Vaterstadt Leipzig, die ihn zu neuen typographischen Lösungen anregt. Die vornehmen Gewandhaus-Plakate, die wir auf den Anschlagsäulen in Leipzig sahen, waren von seiner Hand gestaltet. Die Vaterstadt ehrte ihren großen Sohn, indem sie ihm im Sommer 1940 den Gutenberg-Ring und die philosophische Fakultät der Universität die Würde des Dr. h. c. verlieh. Bei der Auswahl der 50 schönsten Bücher der Jahre 1929, 1930 und 1931, die auf Grund der Bestände der Deutschen Bücherei statt fand, stand die Offizin Poeschel & Trepte mit 22 preisgekrönten Werken an der Spi^e. In immer neuen Abwandlungen suchte Poeschel seinen Arbeiten, besonders auch beim Buchtitel, eine dem Inhalt des Buches entsprechende prägnante Gestaltung zu geben. Auch versuchte er ein mal in „22 Variationen eines Umschlagtitels“ den besonderen Sinn dieser typographischen Aufgabe in mannigfacher Weise zu deuten. Bald erweiterte sich der Kreis seiner literarischen Erzeugnisse. Im Jahre 1906 erschien im Verlag Poeschel & Kippenberg Karl Volls Jau- van-Eyck-Buch. Ein Jahr zuvor hatte er Anton Kippenberg veranlaßt, mit ihm den 1899 von Alfred Walter Heymel, Rudolf Alexander Schröder und Julius Bierbaum gegründeten Verlag der „Insel“ zu übernehmen. In dem Hause Kurze Straße 7 in Leipzig, in dem der Insel-Verlag bis vor kurzem seinen Sitj hatte, wurde Poeschel am 2. September 1874 geboren! Im September 1906 schied er aus dem Insel-Verlag aus, um sich wieder ganz seinen vielfältigen Aufgaben als Buchdrucker zu widmen. Die Wcrt- schätjung, die er bereits im engeren Fachkreise genoß, beweisen Ar beiten für F. Bruckmann in München, für den er 1908 auch den Jubi läumskatalog (1858—1908) herstellte. Im Jahre 1907 gründete er mit dem Jugendfreunde Walter Ticmann, dem späteren Akademiedirektor, die Janus-Presse, die erste deutsche Privatpresse. Im gleichen Jahre druckte er ein Lustspiel von Paul Ernst, in dem zum ersten Male wieder nach hundertjähriger Vergessenheit die Unger-Fraktur verwendet wurde. In den Drucken für den geistvollen Münchener Verleger Hans von Weber, zu dem er bald auch in ein engeres Verhältnis trat, nahm Poeschels Stil einen gewissen monumen talen Ausdruck an. Das Jahr 1914, das Jahr der Bugra, der internatio nalen Gesamtschau des graphischen Gewerbes in Leipzig, deren amt lichen deutschen Katalog er druckte, zeigte Poeschels Schaffen schon auf einem gewissen Höhepunkt. Es kam der eigene typographische Stil, der später noch bereichert, aber kaum noch gesteigert werden konnte, jetjt klar zur Geltung. Es ist eine Art innerer Rhythmus, ein wohl- geordnetes Ebenmaß der typographischen Anordnung, die seinen Ar beiten bei aller Phantasie und Kühnheit des Gestaltens eine große Ruhe und wohltuende Zurückhaltung verleihen. Wie ihn im Gespräch und im Verkehr mit anderen bei aller Aufgeschlossenheit des Geistes und auch Mitteilungsbedürfnis eine gewisse Zurückhaltung auszeichnete, so trat diese Eigenschaft besonders auch in seinem Arbeiten zutage. Wie sparsam ging er mit den typographischen Schmuckmitteln um! Eine Eigentümlichkeit Poeschels ist die häufige Verwendung der sog. Dreier- Linie, einer Dreilinien-Umrahmung auf dem Titelblatt, durch welche dieses zugleich eine Art Textstütje und einen unaufdringlichen Schmu-.k erhielt. Der Zweiundvierzigjährige meldete sich bei Kriegsausbruch 1914 als Freiwilliger und wurde Offizier. Der aus dem Felde Heimgekehrte nahm das unterbrochene Werk mit geschärftem Blick und dem ihm eigenen Elan wieder auf. Den Schreckgebilden jener Zeit se^te Poeschel die aus ernstem und unablässigem Streben nach Vervollkommnung entstandenen Arbeiten seiner Offizin entgegen. Im Jahre 1920 beging die Buchdruckerci die Feier ihres 50jährigen Bestehens; als Jubiläums gabe erschienen 1921 „Unbekannte Briefe W'inckelmanns“, in der zum erstenmal die von Poeschel selbst entworfene charaktervolle Winekel- mann-Antiqua verwendet wurde. Von den Arbeiten aus dieser Zeit seien zwei besonders erwähnt, weil in ihnen das, was man den Stil des 20. Jahrhunderts in der Typo graphie nennen könnte, in deutlicher Weise zum Ausdruck kommt. — Auf dem Titel der Publikation des Insel-Verlags „Johann Praetorius, Historien von Rübezahl“ kommt das barocke Zeitalter des Verfassers und das barocke Wesen des schlesischen Waldgespenstes durch den Schwarz-Rot-Druck, die umstochene Maximilian-Antiqua in Mischung mit der Hamburger Fraktur vortrefflich zur Geltung: Wir spähen gleich sam durch das Geäst der Bäume und glauben Rübezahl vorbeieilen zu sehen, so wie er auf dem bekannten Gemälde von Schwind dargestellt ist. In der Veröffentlichung des Heinrich-Keller-Verlages in Leipzig, „Die Aufzeichnungen des Michelangelo Buonarotti“, hat Poeschel die infolge zahlreicher Einschiebungen, Randbemerkungen und Einfälle recht kom plizierte und schwierige Handschrift des Künstlers durch eine außer ordentliche reiche, dahei aber sehr übersichtliche Variation der typogra phischen Mittel wiedergegeben. Fast auf jeder Seite des Druckes erscheint ein anderes SITtjbild; die Satjbreite zeigt eine ständige Änderung, ebenso wechselt zweispaltiger mit dreispaltigem Satj. Die Randbemerkungen der Handschrift heben sich im Druck in unaufdringlicher und zugleich deutlicher Weise vom übrigen Text ab. So gehört Poeschel auch mit zu den ersten deutschen Druckern, die sich des in typographischer Hin sicht so lange Zeit vernachlässigten wissenschaftlichen Buches wieder angenommen haben. Noch eines großen Unternehmens, des 1909 von Carl Ernst Poeschel gegründete« Tempel-Verlages, an dem vier deutsche Verlage beteiligt waren, ist zu gedenken. Die buchkünstlerische Ausstattung der Tempel- Klassiker lag in den Händen von E. R. Weiß, der in enger Zusammen arbeit mit dem Drucker Poeschel bei aller individueller Gestaltung der einzelnen Bände ein Gesamtwerk von vollendeter Einheitlichkeit schuf. Alle Bände verwenden die gleiche Schrift, die Weiß-Fraktur der Bauer- schen Gießerei, die hier zum ersten Male und für die Jahre 1909 bis 1911 ausschließlich verwendet wurde. Man könnte dabei an die Fassade eines venezianischen Palastes denken, der eine geschlossene Einheit bildet, während jeder einzelne Teil, jedes Fenster und jedes Portal mit freier Phantasie gestaltet ist, 60 daß keiner der einzelnen Teile dem anderen gleicht. Das Geheimnis der Persönlichkeit beruht darauf, daß sie den von ihr hervorgebrachten Werken den unverlöschbaren Stempel ihres Gei stes aufdrückt. Dieser Geist überdauert den Tod und hellt mit seinem Licht das dunkle Gewebe der Zukunft auf. Aus dem Können, der Be herrschung der technischen Mittel, erhebt der große Drucker kraft seiner Persönlichkeit das Druckgewerbe zur Kunst. Persönliche Kultur müssen die Erzeugnisse der graphischen Kunst zeigen, wenn sie Anspruch auf „Schönheit“ machen wollen. Poeschel gehört, das dürfen wir jetjt aus sprechen, zu clen ganz großen Druckern, deren Arbeiten nicht nur den vielgestaltigen Reichtum des Kulturlebens widerspiegeln, sondern in denen vor allem die Bildung, der große Geschmack und das bedeutende persönliche Leben ihres Schöpfers einen Niederschlag, seine fanatische Liebe zum Werk einen überzeugenden Ausdruck gefunden haben. Ein unerwarteter rascher Tod nahm Carl Ernst Poeschel aus unserer Mitte; der Anblick und das Studium seiner schönen Drucke wird uns seine Gestalt, seine Züge, seine Stimme immer wieder in die Erinne rung zurückrufen. Als der Meisterdrucker, der Freund der Jugend und der liebe Mensch wird er unter uns weiterleben. Hauptsdiriftleiter: Dr. Hellmuth I. ■ o g r n b u c h e r. Schümberg. — Stellvertr. d. Hauptsdtriftleiters: Georg v. Kommer.tidt, Leipzig — Ver.nlw. Anzeigen- leiter: Walter Herforth. Leipzig — Verlag: Verlag des B ö r s c n v e r e in « der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. — Aosdarift der Sdinftleitung und Expedition: Lsipzig C I. Poslsdiließfadi 274/75. — Drude: Brandstetter, Leipzig C 1. Dresdner Straße 11. *) Zur Zeit ist Preisliste Nr. 11 gültig! 92 Börsenbl. I. d. Dt. Buchh. Nr. 44. Mittwoch, den 7. Juni 1944.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder