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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.02.1935
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- 1935-02-12
- Erscheinungsdatum
- 12.02.1935
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s>§ 38, 12. Februar 1835. Redaktioneller Teil. Der Schwabe ist treuherzig und gutmütig; wer letzte Innig keiten Wort wenden lassen will, der vermag es nicht ohne die schwäbische Mundart, sie ist die Herzlichkeit, bas Lächeln selbst, frohes verschmitztes Behagen, eigensinniges Sich-verschließen, sie ist auch der Schalk und die Verschlagenheit; sie bandelt gerne mit jedem an und läßt sich doch nicht leicht und willig greisen; sie will in ihrer tiefsten Wesenheit erhorcht und erfühlt sein und teilt ihren vollen Reichtum nur dem aus, der unter ihre Oberfläche hinunter- spürt. Denn auch der Schwabe ist mit seiner heiteren Seite nur halb bekannt für den, der sich um die andere Halste nicht bemüht. Er ist starrköpfig und zäh im guten Sinne, sähig und willens, in aller Welt große Leistungen zu vollbringen und sich durchzusctzcn, denn er ist nicht untcrzukricgen; über den Schneider von Ulm mag man noch lachen, aber der Graf Zeppelin hats vollbracht, und er ist nicht der einzige Schwabe, mit dessen Namen Weltgeltung und Weltruhm sich für immer verknüpfen. Und dazu kommt noch ein weiterer Zug, ohne den Las schwäbische Gesicht ebenfalls unvoll ständig wäre, das Spintisieren, Grübeln, das religiöse Sich-verscn- kcn, die heiße Sehnsucht, im kleinsten Raum den Sinn der großen Welt auszudeuten. Ein getreuer Spiegel dieser Art des schwäbischen Stammes — »Ich wollte, mein Württemberg läge im Herzen Deutschlands«, sagte der Führer einmal und schloß es damit ein in die Mitte dieses deutschen Herzens — ist seine Dichtung, die auch heute noch, wenn gleich in weniger heftigen Schwingungen, um die Pole kreist, die Schiller und Hölderlin für sie bedeuten. Sie ist keineswegs auf einen einfachen Nenner zu bringen, und sie hat das herrlichste Ge lächter bereit für jeden, der sie mit einer bequemen Marke versehen in dem reich gefächerten Schrank der deutschen Literatur verstauen möchte (wir erheben für diese Übersicht nicht den Anspruch auf Voll ständigkeit, die. Namen und Werke, die wir nennen, sollen nur Weg weiser sein). Da ist z. B. der heute schon fast 65jährige Hans Hein rich Ehrler, ein echter Schwabe, in gleicher Weise erfüllt mit der stillen freundlichen Heiterkeit, die eine von der Blume eines guten Weines durchduftete Dämmerstunde ausstrahlt, wie mit einer mystischen Gottsehnsucht, die ihre Träger nicht selten mit dem Zer brechen bedroht, — und beide eingebettet in das Heimatliche im tiefsten Sinn, das nichts mit lokaler Enge zu tun hat, in das Wesen der Heimat als »Samenhülse aller Erlebnisse, Grundspiegel alles Schauwerks, Ahnung und Deutung aller Gesichte, Vorbild aller Gestalten, Ursumme alles Wissens, ZelltriSb alles Tuns». Der so alles tiefe Leben der Heimat aus Gründen hob, in die sonst hinab zusteigen uns nicht vergönnt ist, war zugleich ein leidenschaftlicher Eiferer für das Deutschland des Reiches, an das er glaubte und für das er in der Stille wirkte. »Die Sonne der Freiheit wird nie mehr über dem deutschen Boden scheinen, wenn wir nicht selber die Finsternis in uns zerbrechen. Wir brauchen nach keinem neuen Erlöser zu suchen und zu rufen, nicht von außen wird er kommen, aus keinem Morgen- und Abendland, sondern aus uns selbst», schrieb er vor Jahren schon. Urd neben ihm steht heute der Ver treter der jungen Kämpfergeneration, ein paar Jahr über zwanzig, Gerhard Schumann, der Dichter im Braunhemd, Schwabe und »Rufer des Reichs«, selbstverständlich in seiner Treue, glühend in seinem Bekenntnis und Wollen. Er hat uns heute schon Lieder geschenkt, die einst zum bleibenden dichterischen Gut des neuen Reiches gehören werden, und in denen, frei von aller Enge, eine ungeheure Kraft jener Empfindung lebt, die uns alle in den Jah ren 1932 und 1933 überwältigt hat. Diese Namen deuten wiödcr die Pole an, zwischen denen schwäbische Dichtung schwingt, die nie der Enge verhaftet bleibt und aus der Treue zu ihrer Art doch immer weiterstrebt in das große Ganze. — Zu den älteren unter Ehrlers Führung gesellen sich eine Reihe von Namen, die mit ihrer vereinigten Leistung sichere Weiser darstellen auf dem ewigen Wanderweg des deutschen Geistes: l>r. Owlglaß, der heute als Arzt in Obcrbayern lebende Lyriker, der Erzähler Heinrich Lilien fein (heute in Weimar lebend), Kurt V o l l m ö ll e r, der heute in Bafel lebt, Emanuel von B o d- man, Hermann Hefele und Wilhelm Schüssen, Schüssen zumal, ein echter und rechter Schwabenphilosoph, unbarmherzig gegen sich selbst, wenn es zu schürfen gilt, nachsichtig und voll Güte gegen andere, für die er aus dem harten Gestein, an dem er sich wund gerieben, die goldenen Münzen der Lebenswahrheit und Weisheit prägt. Auch Georg Kammler, der leidenschaftliche politische Dichter, darf hier nicht vergessen wenden; er lebt heute in Thüringen, nahm seinen Ausgang aber ebenfalls von einem schwä bischen Dorf. — Für viele junge deutsche Menschen war Hermann Hesse mit seinem »Unterm Rad« und anderen Fvühwerken einst ein entscheidendes Erlebnis; er ging dann andere Wege, die wir nicht mehr verstanden haben, was uns aber den Blick für seine Leistung nicht trüben soll. Das Lied der Heimat singen und hüten August Lämmle und Hans Reyhing, mit starker Kraft im Dichten, mit uner müdlichem Fleiß im Sammeln; August Lämmle führt zugleich als Mundartdichter, er hat das Zarteste und Stärkste, das Lieblichste und Schwerste an menschlichem Schicksal in seine Mundartverse gezwungen; viele sind ihm gefolgt, mit unterschiedlichem Können zwar, aber wenn sie auch nicht in die Literaturgeschichte eingegan gen sind, so haben sie doch den Liedbesitz des schwäbischen Volkes mit ihren demütig dargebrachten Gaben bereichert, und das Volk dankte es ihnen, es vergaß die Namen der Dichter, aber es hält ihre Lieder lebendig. Als anerkannte Epikerinnen, im gesamtdeutschen geistigen Raum nicht fremd, leben heute noch Anna Schieber, Auguste Supper und Isolde Kurz unter uns; Isolde Kurz ist Mitglied der Dichterakademie, und in ihrer formenden Zucht ein wesentliches Glied in der goldenen Kette der großen deutschen Tradition. Auch die Kriegsgeneration hat hier ihre kraftvollen Vertreter: Otto Linck mit seinen unvergeßlichen Novellen aus dem Krieg »Kameraden im Schicksal»; Max Reuschle, Bernhard Blume, sparsam im Sich-verschenkcn, keine Vielschreiber, ehrlich im Ringen um die Form. Georg Schmückle ist vor einigen Jahren, nach dem er schon einige gewichtige Versbände vorgelegt hatte, in den großen deutschen Raum eingetreten mit seinem mächtigen »Engel Hiltcnspergcr», dem »Roman eines deutschen Aufrührers», ein Sang aus deutschem Schicksal von erschütternder Gewalt. — Die Brücke zu den jüngeren schlägt Otto Heuschele, er hat als Dichter noch kein eigenes Gesicht, hat sich aber verdient gemacht um die Deutung und Bewahrung besten Gutes der klassischen deutschen Dichtung. Und schließlich muß noch genannt und gerühmt werden Ludwig Finckh, leidenschaftlicher Schwabe und leidenschaftlicher Deutscher im Dichten und Denken; er hat, als der Kommunismus im Deutschland der Arbeiter- und Scldatcnräte tobte, unerschrocken und mutig seine Stimme erhoben für ein wirkliches Deutschland. Seine beiden 1919 erschienenen Bändchen »Hindurch mit Freuden!« und »Brückenbau» wiegen hundertmal schwerer als die gesamte Emigrantenliteratur der letzten fünfzehn Jahre. Er war einer der ersten, der als Dichter geworben hat für ein wirkliches Verständnis auslanddeutschen Schicksals (siehe die Bändchen »Bruder Deutscher« und »Sudetendcutsche Streiche«); er hat in trübsten Jahren deut schen Lebens für sein Vaterland geglüht und die Menschen seiner Bücher in dieser Glut gereinigt und gehärtet, er hat als Lyriker schwäbische Minncsangstradition neu belobt, und als Künder seiner Stammesart schon immer Sprache und Geheimnis des Blutes ver stehen und deuten gelehrt: sein »Ahnenhorst« erschien 1923 schon, später folgten das »Ahnenbüchlein« und der »Ahnengarten», alles Veröffentlichungen, die erst das nationalsozialistische Deutschland zu würdigen verstanden hat. Wo immer er am stärksten und klar sten auf dem Boden seiner schwäbischen Heimat stand, da hat er gleichzeitig am leidenschaftlichsten dem großen Volke gedient. Die Jugend führt der schon genannte Gerhard Schumann, der Dichter des Reichs, Dramatiker, Lyriker und vor allem — Kämpfer; hier seien noch genannt K. H. Bühner und Otto Lautenschlager, auch Karl Götz, der sich neuerdings mit seinem »Kinderschiff« einen Namen gemacht hat; weiterhin Hcllmut Stellrecht, der Epiker, und Erich Schäfer, der Dramatiker. Immer zogen schwäbische Art, Landschaft, Lebenslust Dichter aus anderen Teilen des Reiches mit besonderer Heftigkeit an. Lange Jahre weilt« E. G. Kolbenheyerin Tübingen, die prachtvolle »Albsonate« in seinem »Lyrischen Brevier« verdanken wir dieser Zeit, und dis Wiege des Geschlechtes von »Paracelsus», dem Helden seiner großen Roman-Trilogie, hat in Hohenheim gestanden; Georg von der Bring, Eduard Reinacher, der heute zu Ehren ge kommene Dramatiker Ernst Bacmeister haben im Schwaben- 115
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