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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.09.1932
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1932-09-14
- Erscheinungsdatum
- 14.09.1932
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- Deutsch
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3702 2lü, 11. Ecptember 1832. Künftig So entsteht ein „In meinem Arbeitszimmer in Blankenese saßen wiruns gegenüber, Ser Verleger Oieöcrichs unS ich. Ls war an einem Winterabend, nahe Sem LnSe Ses Jahres 1YZ1, kurz nach Sonnenuntergang. Wir saßen an Sem breiten, niedrigen Lenster, das wie ein großes Auge aus Sen buschigen Brauen Ses SchilfSachs auf Sie Elbe blickte. Tief unter uns, wie aus Ser Gondel eines Luftschiffs gesehen, zog Ser große Strom. Oie stillen Lichter Ser Schiffe glitten über seine dunkle Fläche, nur Sie Keile ihrer Kielwasser blinkten silbern im letzten Schein Ses Sonnenuntergangs. Oie große Ebene aus wanderndem Wasser, Sie roten und grünen Lichter, Sie unbeirrt wie Sterne ihre Bahn zogen, Sem Meer entgegen oder Sem fernen Lichternebel Hamburgs, gaben ein selt sames Gefühl Ses Schwedens. Wan konnte Sie Gedanken schweifen lassen wie Wolken am Himmel, sie folgten ihren eigenen Gesetzen, verdichteten sich und gingen über irgend einen Punkt Ser Erde wie ein Regen nieder. „Früher konnten Sie Sie Elbe jeden Tag so sehen", sagte ich. „ Es war ein Leben, wie auf einer Ameisenstraße. Es kam mir manchmal vor, als könnte Ser breite Nacken Ses Stroms Sie Last Ser Schiffe kaum noch tragen. Oas Hafen wasser kam niemals zur Ruhe, so wurüe es zerrissen und durchfurcht von Sem Gewimmel Ser Schlepper und Bar kassen. Ganz Hamburg lebte im Echo Ses Niethammer- geprassels von Sen großen Werften. Es war ein ganzes Volk von Schauerleuten und Werftarbeitern, das Tag und Nacht so regelmäßig wie Ebbe und Flut in großen Strömen an Sen Fähren, an Sen Brücken und an Sem großen Maul des Elbtunnels ab- und zuströmte. Es war herrlich. Es war ein Kaleidoskop Ser ganzen Welt, es war ein großes Tor, Sag für mich ausftand. Es war wunderbar an diesem Tor zu leben mit Sem Bewußtsein: jeden Tag kannst du abreisen nach einem Ser fünf Erdteile. Heute ist Ser Hafen trostlos, wie eine aufgeräumte gute Stube. Oie Hellinge Ser Wersten sind nackte Skelette. Nur Sonnabends ist auf Ser Elbe etwas Leben, Sa jagen sie ein paar Schiffe heraus, um Sen Liegetag lm Hafen zu ersparen. Oas Tor Ser Welt, das ein paar Jahre lang für mich und für uns alle offen schien, ist zugefallen. Mir ist manchmal, als hörte ich im Gebälk Ser Welt ein böses Knistern — unheimlich kann ich Ihnen sagen —, einen beginnenden Brand, eine anrvllenSe Lawine, etwas An- geheures, drohend wie Sie Wolkenbank vor einem Orkan. Ich begreife nicht, wie man heute noch als Schriftsteller im Winkel sitzen und Romane schreiben kann. Man müßte etwas tun, man müßte Sen Grund abtasten nach SemLlrsprung SesBebens,Sas Sie ganzeWelt Surchschüttelt, forschen wie ein Arzt, ob es ein Fieber ist oder Sie Wehen Ser Geburt von etwas ganz Neuem —. Aber immer, wenn ich diese Aufgabe praktisch erfassen will, dann stehe ich wie vor einem enormen Gebirge: es ist zuviel, es ist so viel zu tun, Saß ich nicht weiß, wo ich anpacken soll, und so endet es damit, Saß ich gar nichts tue. Ich glaube, so geht es vielen Menschen." Auf diese lange, und wie ich fürchte, nicht ganz klare Rede erwiderte mein Gegenüber etwa folgendes: „Es kommt nicht darauf an, wo Sie Sie Aufgabe anpacken. Es kommt üarauf an, Saß Sie es tun. Oie Richtung, Sie Sie haben stimmt. Wir stehen alle vor dem Gebirge Ser Auf gaben und haben nur Sen innerenKompaß unsres Wesens, um Sen Weg hinSurchzufinden. Wählen Sie sich Ihre Aufgabe." „Nein, ich will nicht wählen. Ich will Sie Aufgabe be kommen. Ich bin Ser geborene Gemeine, Sen man in Marsch setzen muß durch höheren Befehl. Ich bin faul und drücke mich gern vor Ser Arbeit. Geben Sie mir Marsch befehl und Ziel, Sen Zeitpunkt, wann ich fertig sein muß, und ich bin Ihr Mann." „Ich glaube, Saß Deutschland jetzt das interessanteste und wichtigste von allen Ländern ist. von Sem, was jetzt in Deutschland vor sich geht, hängt Sag Schicksal Europas ab. Schreiben Sie über OeutschlanS." „Deutschland ist ein ungeheures Thema, es ist zu groß für mich. Ls ist größer als Sie Fähigkeit meines Gehirns und meiner Sinne, zu begreifen und aufzunehmen, was Sa vor sich geht. Ich sehe eine solche Wandlung, wie sie in einem Frühlingssturm geschieht: ein jähes Schmelzen Ser Schneedecke, und Milliarden neuer Pflanzen durch brechen Sie nackte Erde Oas Bild Ser deutschen Land schaft ändert sich: vor ein paar Jahren war es noch, als sähe man nur Sie Schlote riesenhafter Industrien und Sie Häusermeere riesenhafter Städte, und heute ist cs, als löste sich das alles auf in Nebel und empor stiege wieder Sie Landschaft mit ihren vielfältigen Gesichtern, für jede Gegend ein anderes und typisches Gesicht, und es ist, als würden Mensch und Landschaft wieder eins und be stimmten einander, und Sie Menschen verwurzelten sich und würden fest —. Eugen vieöeri iücher. V«r<-»dl»tt s. «.Dil«» «uchh»»d>I. 3703 Nein, ich kann unmöglich über OeutschlanS schreiben. Aber ein Teilgebiet vielleicht, über eine bestimmte Gegend, am besten über eine, Sie ich noch nicht kenne." „Kennen Sie Sen Osten?" „So gut wie überhaupt nicht. In Königsberg kenne ich nur Geheimräte, Sie in purpurnen Grdensmänteln schlafen, und im übrigen ist Sa jedermann ein Fachmann oder ein General. Es ist sehr gefährlich, über Sen Osten zu schreiben." „Sie haben trotzdem eine große Ehance. Grade weil Sie ganz von außen kommen. Grade weil Sie Sie letzten Jahre viel im Ausland waren, so Saß Sie OeutschlanS wieder wie ein unbekanntes Land ansehen können. Fach leute sehen Sie Oinge meist nur aus Sem Gesichtswinkel ihrer Teilgebiete. Sie kommen ohne Vorbelastung, ver suchen Sie das Ganze zu sehen. Bedenken Sie doch: Ostpreußen ist in OeutschlanS weniger bekannt als Indien oder Amerika —eine deutsche Provinz, acht Bahnstunden von Berlin —, bedenken Sie doch!" Laut sagte ich: „Gut, ich werde reisen. Aber es wird etwas ganz anderes dabei herauskommen, als Sie Senken. Sie stellen mich vor eine fast unmögliche Aufgabe- wun- SernSie sich nicht, wenn etwas Anmögliches dabei heraus kommt. Oas eine sollen Sie wissen: ich habe Angst —." And so bin ich, zwei Monate nach jenem Abend, los gefahren, mit Angst und Bangen und ohne bestimmte Haltung Sem Osten gegenüber. Im Zug nach Berlin kam ich ins Gespräch mit einem Zeitgenossen: „Ach, Sa ganz oben fahren Sie hin? Ostpreußen- hat uns eine Menge Geld gekostet. Ewig Osthilfe. Weggeschmissene Millionen. Oa sieht man mal wieder, wie wir regiert werden. Hat natürlich alles keinen Zweck gehabt. In fünf Jahren haben'« doch Sie Polen. Sind ja wohl auch alles halbe Pollacken Sa oben. Was soll uns Ser abgeschnittene Zipfel- Sa werden wir nicht reicher von." So kam es, Saß ich Königsberg erreichte, zwar immer noch mit Angst und Bangen, aber außerdem von einem dritten Gefühl erfüllt: Wut. Ich war mir klar darüber: Solange es solche Zeit genossen gibt wie diesen Mann in Ser Eisenbahn, der ein typischer Vertreter einer ganzen Menschenklasse ist, solange kann es Ostpreußen gegenüber nur eine natio nale Haltung geben. Oie Aufgabe, an Sie ich heranging mit einem kühlen Herzen, hat mich warm gemacht. Sie wäre erfüllt, wenn durch dieses in einigen Men schen Sie gleiche Wandlung sich vollzöge: wenn kühle Herzen warm würden. Wenn Sie ferne Insel ihnen näher käme. Wenn sie begriffen: diese „Kolonie" ist deutsches Mutterland." Fckr-r'eb c/reHOF vom Fc/rrc^HZ/ unci c/er ^Vok DerrXoi/ege, a/s ^nciigerDuttrbänci/er mercien Hie es so/ort erraten, cienn Hie kennen ciiesen i^ann, cier aus^og, um Ostpreu/ien unserem //er^en 2U erobern, sebr gut. Denen, ciie nocb im >?mei/e/ sinci, mercien mir es morgen er^ab/en. Dackt nicbt aucb Hie bei cier I-ektüre dieses Vormorts ciie U^ut über /enen cbarakteriosen Zeitgenossen? //ei/en Hie bitte mit, cia/i es anciers mirci. Drücken Hie ciaber /ec/em Deutschen ciiese spannencien Lericbte aus cier naben lVetterecke im Osten in ciie Danci/ Verlag in ^ ena
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