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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.08.1932
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- 1932-08-06
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- 06.08.1932
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182, 8. August 1932. Redaktioneller Teil. und dann standen jedem, sei es auch nur in der Möglichkeit der Kreditschöpfung, in den meisten Fällen aber recht greifbar, irgendwelche Reserven zur Verfügung. Mag vielleicht dem einen oder dem andern ein besonderer Glücksfall die Lage erleichtern, ans die Allgemeinheit hängen »die Wolken schwer herab auf Ilion«. Der Silberstreifen der uns vor einigen Jahren gezeigt worden ist, hat sich als blasse Nebel wolke erwiesen, die noch kein Morgenrot verkündet. Der Krieg hat jedem einzelnen erstaunlich zum Bewußtsein gebracht, daß der physische Mensch viel mehr aushält, als er glaubt. Wenn man nur daran denkt, was dem verwöhnten Städter an körper lichen Strapazen und seelischen Erregungen zugemutet worden ist, und was er ausgehalten hat. Das muß man sich vor Augen halten, wenn man das grenzenlose Elend sieht, in das unser Volk gestürzt worden ist. Daran muß auch der einzelne denken, wenn er fast verzagen will vor dem was drohend vor ihm steht. Erbarmungslos wird jeder in seinem Lebenskreis und in seiner Lebenshaltung in die harte Mühle der Kontraktion gezogen. Jetzt erst spüren wir den vollen Umfang der Lasten, die der Krieg uns anferlegt hat. Es wäre aber falsch, lediglich die Tribntlast verantwortlich zu machen für das, was wir heute zu tragen haben. Auch »Amerika, du Hast es besser« ist heute ein überholtes Zitat, und wenn wir lesen, daß eine Gruppe der Maschinen- industrie in Nordamerika nur zu 18, die entsprechende deutsche noch mit 2k> Prozent arbeitet, wenn wir die Zahlen der deutschen Arbeitslosen mit denen anderer Länder vergleichen, so liegt auf der Hand, daß die Ursache tiefer liegen muß. Man kann, um den Weg zum Begreifen dieser Ursache zu zeigen, sich einer einfachen Formulierung bedienen, die aber gewiß nicht eine restlose Lö sung, sondern nur eine Stufe des Verstehens sein soll. Die Ra tionalisierung hat Menschen entbehrlich und arbeitslos gemacht. Was heißt das? Der Mensch, der Geist beherrscht die Technik nicht mehr, er ist zu ihrem Sklaven geworden. Warum? Die Technik, nicht Liberalismus, nicht Fortschrittswahn, hat den Nutzen als ihr Ideal angesehen. In dem Maße, in dem sie nicht mehr fest in der Hand ihrer Führer gelegen ist, wurde die Technik Selbstzweck und in gleichem Maße der Mensch ihr Die ner. Ganz allgemein ist also die Menschheitsfrage: Kann der Geist unserer Zeit wieder Herr werden über die sinnlose Gewalt, die ihn zu zerbrechen droht, findet er das Zauberwort: »In die Ecke, Besen, Besen, seid's gewesen, denn zu eurem Zweck als Geister, ruft euch erst hervor der alte Meister.« Was folgt daraus für den Buchhandel? Was unsere Zeit trotz aller atemeinengender Sorgen inter essant und wertvoll macht, scheint mir, daß der innere Sinn dieser Zeitwende allmählich deutlich wird. Es ist weniger das angeblich Neue, das uns alle durchrüttelt, sondern ich empfinde den Vorgang mehr als eine Feuertaufe, die den Unterschied klar macht zwischen Fassade und Substanz, zwischen Sensation und wirklicher Erregung, zwischen Bilduugsausputz und Bildungsgut, mit einem Wort zwischen echt und unecht. Im Rückblick aus einer Zeit gesehen, die die wenigsten von uns noch erleben werden, mag diese Formulierung einfach erscheinen. Heute leiden wir darunter, weil in der Entwicklung dieses Vorgangs nicht deutlich wird, um was es geht, und weil in vielen Einzelfällen unsere Köpfe und unsere Herzen nicht einsehen wollen, daß das, was wir beständig die Zeit überdauernd ansehen, auch nur seinen engen begrenzten Raum hat, denn das ist das einzige Gesetz des Lebens, das absolut ist und das keine Relativität verträgt: Jedes Ding und jeder Mensch, auch das von ihm gesehene Bild des Lebens und der Welt ist nur so lange lebendig, als seine ihm von vornherein zugemessene Lebenskraft es zuläßt. Es gib! keinen Zufall, es gibt keine äußere Gewalt — was wir so nennen ist lediglich die Erscheinung, das Deutlichwerden eines Endes, das vielfach, weil w i r die Zusammenhänge nicht sehen, zufällig erscheint. Der Körper, der der größeren Vitalität eines kleinen Bazillus erliegt, der Mensch, der von einem Unglück getötet wird, stirbt nicht dieser äußeren Einwirkungen wegen, sondern weil seine innere Widerstandskraft die Wirkung der Ba zillen nicht mehr überwindet, ihn nicht mehr gewandt genug macht, dem überfahrenden Auto auszuweichen. 594 Ich will hier nicht die dürre Heide der Spekulation betre ten. Aber rücken wir unsere sestgefahrenen Bücherlager, unseren erschreckenden Umsatzrückgang nicht in das Licht des richtigen Scheinwerfers, wenn wir unsere Überlegungen eine Spirale tiefer treiben als die Ebene liegt, aus der Ratio und Prosit das letzte Wort haben? Wir Buchhändler schmücken uns gerne mit dem Mantel des Idealismus als Ethik, wie auch als Theorie, als Anschauung, nicht bei jedem einzelnen bewußt, beileibe nicht, bei den meisten als unbewußt übernommene Tradition. Hier zu prüfen, die Bi lanz sozusagen unter den Gerichtstag des eigenen Ich zu stellen, scheint mir bei einem Überblick über buchhändlerische Dinge er laubt und berechtigt, überblicken wir einen Augenblick die Ent wicklung, die hinter uns liegt, wobei ich der Kürze wegen das Schlagwort nicht entbehren kann: Dem müden Impressionis mus der Vorkriegszeit und der Zeit nach dem Krieg, dessen Lage Klabund einmal mit der Forderung bezeichnet hat: »daß die Seele wie eine Braut sich hinlagere«, ist wildester Ausdruck einer Lust gefolgt, die glaubte, nur das Allerletzte zu sagen lohne sich. Dieser Expressionismus hat überraschend schnell seine Kräste verpufft, weil sie mit so ungezügelter Gewalt hinausgeschleudert wurden. Der leer geworbene Raum, um im Bild zu bleiben, wurde mit der matten Ausrede der modernen Sachlichkeit ge füllt, ein Zustand, der heute aber, zum mindesten was Literatur anbelangt, in seiner Armut schon wieder überwunden ist. Ich möchte kein neues Schlagwort prägen für das, was sich jetzt her- ausgcstaltct hat. Wie die politischen Ereignisse zu einer Stellung nahme zwingen, die nicht mehr von Äußerlichkeiten und Oppor tunitätsgründen geleitet sein dürfen, sondern die der Anschau ung des ganzen Menschen entsprechen, so glaube ich, wird auch in dem Lebensprozeß, in dem unsere Bücher sich entfalten sollen, das Verständnis wachsen für das was Gesinnung heißt. Es darf doch nicht als nebensächlich übersehen werden, wenn ein umfangreiches und gar nicht billiges und gewiß nicht oberfläch liches Buch wie Ina Seidel, Wunschkind, oder in anderer Hin sicht wieder Isolde Kurz, Banadis, oder Carossa, Der Arzt Gion, sehr erhebliche Auflagen in kurzer Zeit erreicht haben. Der Einwand der gesunkenen Kaufkraft ist also nicht ausreichend, denn es wird noch viel gelesen und es werden — zunächst noch — Bücher auch gekauft. Zwei Folgerungen sind es, die ich aus diesen Betrachtungen ziehe. In noch stärkerem Maße als bisher müssen wir uns aus die Qualität, vor allem die innere Qualität des Buches konzen trieren. Sei es in der Wahl der Manuskripte, sei es in der werbenden Tätigkeit des Sortiments. Und die zweite: Wir sind alle noch nicht ganz frei von den letzten Nebelschwaden, die der Jnslationsrausch in uns hinterlassen hat. Noch klarer, noch deut licher, noch härter müssen wir die Dinge sehen, uns einschränken, aber von dieser engen Basis um so intensiver unsere Tätigkeit entfalten. Und jetzt schließt sich der Kreis. Der Idealismus, den wir neu schaffen müssen, ist Idealismus der reinen Tat, die Dinge nehmen, wie sie sind, hinter ihre Ideen, hinter ihre Ursache zu kommen. Aus dieser Kenntnis heraus zu handeln ist die Auf gabe. Dieses Handeln ist nicht das Ergebnis einer spitzfindigen Philosophie, das Erkennen ist ebenso intuitiv wie intellektuell. Dann aber auch hat die Tatkraft ihren echten Motor, dann haben wir das »Zauberwort«, denn Schiller hat gesagt: »Der Mensch ist das Wesen, welches will.« Wir veröffentlichen diesmal den vorstehenden Text an Stelle eigener Ausführungen zur Lage. Im Anschluß daran folgt ein Quodlibet von Äußerungen anderer Stellen, die Unterlagen für eine eigene Beurteilung der Verhältnisse bieten mögen. Weder Lausanne noch Genf, weder Ottawa noch die letzten deutschen Wahlen haben wirkliche Entscheidungen gebracht. Dis Dinge sind überall noch durchaus im Fluß. So können wir uns einer Stel lungnahme vorläufig enthalten. In der Diskussion geht es aber um bestimmte Fragen. Dafür wollen wir sachliche Informatio nen und Anregungen geben.
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