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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.11.1926
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- 1926-11-04
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- 04.11.1926
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x° 258, November 1926. Redaktioneller Teil. Staates, die unmittelbar durch die zu zahlenden Unterstützungen sowie stärkere Inanspruchnahme der Sozialversicherung, insbeson dere der Krankenversicherung und der Armcnsürsorge eintritt, mittelbar aber durch den Minderertrag au Lohnsteuer, deren Aufkommen im ersten Halbjahr 1926 um 83V- Millionen hinter der Vorausschätzung im Reichsetat und gegenüber den tatsächlichen Einnahmen in der entsprechenden Zeit des vorigen Jahres sogar um 255 Millionen zurückgeblieben ist. Die Gewerbe treibenden als Steuerzahler aber erleiden eine doppelte Schä digung, indem sie nicht nur für diese finanzielle Belastung des Staates Auskommen müssen, sondern zugleich ein Sinken der Kauf kraft zu beklagen haben, die zu einer Reduzierung des Um satzes sührt. Nachdem wir uns über die Ursachen der gegenwärtigen Ar beitslosigkeit, die teils aus konjunkturellem, teils aus strukturellem Gebiete liegen, klar geworden sind, ergibt sich die ernste Frage: was soll nun geschehen, und ich glaube, es ist nicht zuviel be hauptet, wenn man die Bekämpfung der Arbeits losigkeit als das Zentral Problem unserer Wirt- schasts- und Sozialpolitik bezeichnet. Für die Durch führung dieses Kampfes gegen eine chronische Erwerbslosigkeit lassen sich zwei Hauptweg« unterscheiden, je nachdem die Be kämpfung der Arbeitslosigkeit unmittelbar durch Erwerbslosen- füvsorge im weitesten Sinne in Angriff genommen wird oder aber, was der auf die Dauer allein Erfolg versprechende Wog ist, mittelbar die Erwerbslosigkeit günstig beeinflusst wird durch Schasfung gesunder Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen. Wenden wir uns nunmehr zunächst der direkten Be kämpfung durch die Erwerbs losen für sorge im weitesten Sinne zu. Entsprechend der großen Anzahl Er werbsloser sind die Msgaben für die Unterstützung dieses Ar beitslosenheeres seit Herbst vergangenen Jahres gewaltig ge stiegen, sodaß im Monatsdurchschnitt mit einer Ausgabe von etwa 120 Millionen Mark zu rechnen ist, von denen nur etlva 30 Millionen aus Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgebracht werden, während der Rest aus allgemeinen Steuermittsln ge leistet werden muß. Es liegt auf der Hand, daß derart hohe Auf wendungen eine schwere Belastung für die Etats von Reich, Län dern und Gemeinden darstcllen. Seit längerer Zeit erwägt man nun, ob man dieses System der Unterstützungen nicht in eine Ar beitslosenversicherung überführen kann. Zweifellos ist der augenblickliche Zeitpunkt höchster Anspannung aus dem Arbeitsmarkt wenig geeignet für ein derartiges Experiment, das aber doch nach Verlautbarungen des Reichsarbeitsministeriums im kommenden Winter durchgeführt werden soll, nachdem die be reits vorhandene Regierungsvorlage im Herbst den Reichsrat und Reichstag passiert hat. Bon Arbeitgeberseit« werden gegen diesen Plan schwere Bedenken erhoben, denn einmal fehlt es angesichts einer chronischen Arbeitslosigkeit an dem charakteristischen Ver- sicherungsmoment des Risikoausgleichs, und vor allem ist mit ziemlicher Gewißheit vorauszusehen, daß die Belastung der Wirt schaft durch die Versicherung größer werden wird, als sie jetzt be reits ist. Das Ubcrgangsstadium zwischen dem Zustand der Arbeits losigkeit und der Wiedererlangung einer Beschäftigung durch die Arbeitsvermittlung 'bildet die sogenannte produktive Er- werbslosenfür sorge, womit das weniger angenehm klingende Wort »Zwangsarbeit« umschrieben wird. Man muß sich 'darüber klar sein, daß es sich bei dieser Art der Fürsorge um Notstandsarbeiten mit allen Unzulänglichkeiten handelt, die nie mals Selbstzweck einer weitsichtigen Verwaltung sein können. Trotzdem sind für diese Zwecke ungeheure Summen aufgewendet worden, und zwar vielfach aus allgemeinen Mitteln und nicht nur auf dem Wege von Anleihen, die allein in Frage kommen sollten, soweit es sich um die Bewältigung von Aufgaben handelt, die mehreren Generationen zugute kommen und deshalb auch be züglich der Finanzierung auf lange Sicht zu verteilen sind. In Betracht kommen in erster Linie Straßen- und Kanalbauten, Fluß- regulierungen, Talsperren, Wasferkraftanlagen und dergleichen -mehr. Diese Maßnahmen stehen auch im Mittelpunkt des be kannten Arbeitsbeschaffungsprogramms der Reichsregierung, dessen Inhalt der Reichswirtschastsministcr Cur tius dahin charakteri siert hat, daß es sich um einen Ausbau der produktiven Erwerbs losenfürsorge, um eine Vermehrung öffentlicher Aufträge, ferner um die Zurverfügungstellung von öfsentlichen Krediten und Dar lehen für einzelne Unternehmungen und ganze Wirtschaftszweige und endlich um eine Exportförderung, namentlich in Form der Exportkreditvcrsicherung, handle. Dabei hat er überall eine generelle Subventionspolitik abgelchnt, Wohl aber die Vermeh rung der langfristigen Kredit« und die Pflege des Realkredits zu gunsten der Wirtschaft in Aussicht gestellt. Wie man sieht, greisen dabei Maßnahmen zur unmittelbaren und zur mittelbaren Be kämpfung der Arbeitslosigkeit ineinander, und es besteht die Ge fahr, daß die elfteren, die an sich nur Notstandsmaßnahmen fein sollten, über Gebühr in den Vordergrund treten. Muß inan die bisher erwähnten Maßnahmen zur unmittel baren Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in das Gebiet des Provi soriums 'Und der Notstandsmaßnahmen verweisen, so gibt es doch auch Mittel, die allerdings nicht zu einer sofortigen Entlastung des Arbeitsmarktes führen können, wohl aber geeignet sind, auf lange Sicht eine Milderung der chronischen Arbeitslosigkeit hevbci- zusühren. Hierzu gehören in erster Linie die innere und äußere Kolonisation. Um die letztere vorwegzunehmen, so ist es sehr umstritten, ob man die Auswanderung planmäßig fördern solle, wie es zum Beispiel die österreichischen Gewerk schaften im vergangenen Jahre getan haben. Soweit man sehen kann, lehnen di« deutschen Getverkschafteu eine planmäßige Förde rung der Auswanderung ab, und es läßt sich nicht verkennen, daß einer großzügigen Auswanderung, wie sie im vergangenen Jahrhundert in einer ähnlichen Lage möglich war, gewichtige Be denken cntgegenstehcn. Erfahrungsgemäß wird das Haupt-kontin gent der Auswanderer von qualifizierten Arbeitskräften im besten Schafscnsalter gestellt. Jede derartige Auswanderung deutscher Arbeitskräfte bedeutet aber sür uns eine unentgeltliche Abgabe wirtschaftlicher Werte an das Ausland, die um so schwerwiegender ist, wenn es sich um Facharbeiter handelt und damit das schon an sich in Deutschland bestehende Mißverhältnis zwischen gelernten und ungelernten Arbeitern vergrößert wird. Die Auswanderung von Facharbeitern zieht aber nicht nur eine Schwächung der eigenen Leistungsfähigkeit nach sich, sondern verbindet damit zu gleich eine Stärkung der fremden Konkurrenz, die keineswegs in unserem Sinne liegen kann, namentlich wenn wir uns darüber einig sind, daß Deutschland vornehmlich auf Qualitätscxport an gewiesen sein wird, der wiederum Qualitätsarbeit und Qua-litäts- arbeiter bedingt. Anders würden die Dinge liegen, wenn ein Abfluß von Arbeitskräften im eigenes Kolonialland er folgen könnte, da Kolonien mit dem Mutterland ein einheitliches Wirtschaftsgebiet bilden und infolgedessen kein Werlverlust an das Ausland eintreten würde. Es ist deshalb Wohl auch kein Zufall, daß die sich jetzt immer mehr bemerkbar machende Forderung nach Rückgabe eines Teiles unseres früheren Kolonienbesitzes nicht nur seitens von jeher kolonial interessierter Kreise vertreten, son dern auch in gewerkschaftlichen Zeitschriften ernsthaft diskutiert wird. Solange sich aber die kolonialen Ziele nicht verwirklichen lassen, eine Auswanderungsmöglichkeit in fremde Länder nur in geringem Grade gegeben und wie gesagt in großem Umfang auch nicht wünschenswert ist, muß das Hauptaugenmerk auf die innere Kolonisation gerichtet werden. Auch hier führen aber verschiedene Wege nach Rom. Während die Gewerkschaften eine planmäßige Siedlung durch Gewährung von staatlichen Meliorationskrediten fordern, wird von anderer Seite die Auf fassung vertreten, daß das Ziel dnrch eine freiwillige Auslese innerhalb unserer nbcrindustrialisiertcn Bevölkerung erreicht >ver- den könne, wenn dafür die not-wendigen Voraussetzungen ge schaffen würden, das heißt, wenn die Preise für Agrarprodukte und die landwirtschaftlichen Löhne nicht unter, sondern über In dustriepreisen und Jndustrielöhncn lägen, so-daß von selbst für die vom Land stammende Jndustriebevölkernng der Anreiz entstünde, die frühere Landflucht tu eine Stadtslucht zu vertvandeln. Wie weit dies möglich ist, läßt sich schwer beurteilen, zumal da es sich dabei weniger um eine Sache -des guten Willens als um Fragen der allgemeinen Wirtschaftslage und der Gestaltung der Macht- 1317
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