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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.04.1928
- Strukturtyp
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- 1928-04-05
- Erscheinungsdatum
- 05.04.1928
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- Deutsch
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>,? 82, 5. April 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s.d.Dtschn. Buchhandel. bestimmten Verlage wärmstcns empfohlen fei. Solidarität der schöngeistigen Verlage untereinander wird den Entschluß erleich tern. Der nackte Konkurrcnzstandpunkt forciert die Produktion zum Schaden aller. Die starke individuelle Prägung Deutschlands ist zweifellos eine der Wurzeln der deutschen Rekordzifsern, die besonders sür Fraiikreich trotz der betont literarischen Atmosphäre und des hohe» Buchverschleißes — S. Fischer bekundet es — fortfällt. Daß auf dem Übersetzungsmarkt heute Besinnung not tut, hat Joses Roth Überzeugend festgcstellt (wenn auch der Ver lag Engelhorn in einer uiwerösfcntlichlcu Zuschrift an uns viel leicht mit Recht das radikale Veto etwas einschränkt). Die Kehrseite der Medaille heißt Unterverbrauch. Diese Kri tik gilt vor allem den künstlichen Beschränkungen des Marktes, der geringen Neigung auch der interessiertesten Leser, Bücher käuflich zu erwerben, obwohl leicht »achzuwcisen ist, daß Bücher im Verhältnis zum allgemeinen Preisstandard billig sind. Die Besonderheit der Ware »Buch» tritt hier ins hellste Licht. Ich kann es mir im besten Sinn -aneignen-, ohne es je zu besitzen. Bedürfnis und Kaufzwang decken sich nicht. Der Sinn für den Bnchbesitz ist ein humanistisches Erbteil, das den Sonderlingen, Sammlern und Bibliophilen Vorbehalten bleibt. Die Leihbiblio thek ist i» England z. B., das mehr liest als der Deutsche wahr habe» will, zu einer geradezu akuten Gefahr für den Buchhandel geworden. Sie bestimmt die englische Unterkonsumtionstheorie, die auch Unniin verficht. Mit dem Unterverbrauch ist aber auch das Schuldkonto von Kino, Radio und Sport zu belasten, eine Trinität, die das Sortiment gerne dogmatisiert und klagend zur Litanei erhebt. Die Presse kann hier durch die Entschiedenheit, Lauterkeit und Urteilskraft ihrer Kritik manches zum Besseren wenden. Sie sollte vor allem zu ihrer eigenen kritischen Leistung stehen und, wie ein Leser empfiehlt, ab und zu in einer Rubrik »Bücher, die wir besprochen haben und empfehlen konnten« für das aus dem Wust einmal Gesichtete als guter Propagator weiter fechten. Nur so läßt sich vielleicht als Avantgarde gegen die »widergeistige« Gruudstimmung- lAl. Koch) eine verläßliche Lescr- schicht <S. Fischer) von einheitlichem kulturellem Niveau bilde» und dem Novitätenhunger entschieden begegnen. Best-seller-Listen, darin stimmen wir mit I. Roth überein, bürsten jedenfalls den Verbrauch in salsche Bahnen lenken. Der Verkaufserfolg ist kein Maßstab für das Empfehlenswerte. Das heißt Statistik mystisch interpretieren. Je weniger das Buch ein Gegenstand der Sensa- tions-Naschsucht ist, je mehr es des puren Geschenkcharakters ent kleidet wird, um so mehr ist zu hoffen, daß es den bedenklichen Weihnachtssaisonvorzug verliert und zu allen Jahreszeiten ernste Käufer findet. Das würde die einseitig gesteigerte Sortierung der Buchläden allein schon wesentlich verbessern und einen plan volleren Einkauf erlauben. Die Kapitalinvestitio» in unnötige Novitäten jKiepcnhencr), die die Best-seller-Liste unterstützt, ist heute eine typische Fehldisposition des Sortiments. Das Ideal hundertprozentiger Liquidität ist nicht zu erreiche». Es fragt sich nur, ob nicht ein Lager mit guten Büchern, an die der Sortimen ter selbst glaubt, die bessere Spekulation ist. Jedenfalls könnte das Publikum bei dieser Praxis wertvolle Fingerzeige auf den Weg mitnehmen. Der radikalste praktische Vorschlag: Aufhebung des sesten Ladenpreises, von dem vr. Winterhoss mit sehr ernsten und theo retisch sehr festgefügte» Argumenten alles Heil erwartet, ist in der Diskussion ebenfalls des öfteren angeregt worden. Er kan» wegen seiner revolutionären Folgen für die heutige Organisation des deutschen Buchhandels hier nur als Symptom verbucht wer den. Ein Fazit läßt sich erst ziehen, wenn Erfahrungen vorlicgen, die für den freien Marktpreis des Buches bisher fehlen. Das »Kundcnrabattsystcm« der vorkartellistischen Zeit des Buchhan dels erlaubt kein eindeutiges Urteil. Die Beurteilung dieser Frage müßte einer speziellen kritischen Auseinandersetzung von ersten Fachleuten und Volkswirtschaftlern Vorbehalten bleiben. Herr Schatzki erschrickt als Sortimenter mit Recht vor den Kon sequenzen sür seine» Berus. Ob rein ökonomische Gesichtspunkte aber nicht doch zur Klärung der Sachlage wesentlich beitragen könnten, mag stärker, als er es tut, bezweifelt werden. Endlich bleibt noch ein Komplex von Fragen unangetastet, der die Dinge mehr geistcsgcschichtlich, soziologisch und allgcmeinwirl- schastlich ansieht. Hier kann der Anstoß zur Änderung nicht vom Buchhandel allein ausgehen. Was hier zunächst die Frage der Ladenpreisaufhebung be trifft, so ist erneut nur darauf hinzuweisen, daß diejenigen Ver leger, die den Winterhossschen Thesen in diesem Punkt zustimmen, doch einmal den Anfang damit machen sollten, den Ladenpreis 374 sür ihre Produktion auszuheben. Dann könnte ja das Experi ment sehr schnell erweisen, was es damit wirklich auf sich hat. Sonst wird man in den Ausführungen der Frankfurter Zeitung viel Beachtenswertes finden und manches wohl auch vom Stand punkt des Buchhandels unterschreiben können. Zur Preispolitik namentlich für das Unterhaltungsbuch hat in der Weltbühne Peter Panter (Kurt Tucholskh) kürzlich Stel lung genommen, und zwar, wie vorweg bemerkt sei, ebenfalls in einer Weise, die dem Buchhandel gerecht zu werden bemüht ist, wenn er ihm auch einige Vorwürfe, wie z. B. ungeschickte Werbemethodik u. ä., machen zu müssen glaubte. Die von ihm in der Überschrift seines Artikels gestellte Frage: »Ist das deutsche Buch zu teuer?« beantwortet er dahin, daß es nicht absolut zu teuer sei, wohl aber relativ. Er schreibt: Das deutsche Buch ist deshalb mit acht und neun Mark zu hoch bezahlt, weil die Monatsgehälter der Angestelltenschaft, die Beamtengehälter und die Arbeitslöhne in gar keinem Verhältnis dazu stehen — dir Spannung ist zu groß. Ein Manu mit einem Monatsgehalt von dreihundertundsünfzig Mark gehört schon zu den qualifizierten Angestellten: er muß irgendwelche Spezial- kenntntsse haben, in deren Erwerb er Kapital investiert hat. Ein solcher Man» (also etwa einer, dem eine Kasse anvertraut ist) verdient bei 25 Arbeitstagen im Monat und achtstündiger Arbeitszeit 1,75 Mark in der Stunde. Der Steuerabzug ist dabei nicht mitgerechnel . . . Der Angestellte mutz demnach, um einen deutschen Roman für 1V Mark zu erwerben, etwa 8 Stunden arbeiten: den 83. Teil seiner monatlichen Arbeitskraft. Das ist zu viel. Es ist nicht zuviel für den Autor, wenn der etwas taugt: es ist zu viel im Budget des Angestellten. Und wie sieht das nun erst bei denen ans, die die Masse der Bllcherkänfer ausmachen sollen? Es ist auch hier immer an das Durchschnittsbnch gedacht — der »Zauberbcrg» war eine Ausnahme und Ausnahmen gibt es immer. Tatsächlich ist aber die Schicht der deutschen Bücherkäufer nur begrenzt ausnahme fähig; es gibt ein ganz bestimmtes, beinahe zu errechnendes Quantum von Büchern, das diese Schicht in sich aussaugen kann — mehr nimmt sie eben nicht aus. In der Festsetzung der Bücherpreise liegt des ferneren dieser Mißstand; sie sind zu abgerundet. Von der Inflation her ist ein häßlicher Fleck im deutschen Wirtschaftsleben geblieben: der Mangel an Verständnis sür 10 und 20 Psg. Unterschied. Dieses Verständnis sür die Wichtigkeit kleiner Summen findet man nur bei Lohnfestsetzungen und Gehaltssätzen. Ei» Buch kostet 3 Mk. (was einsilbig auszusprechen ist und ein einziger Begriff) und 2 Mk. und 4 Mk. Sicherlich kann man den Kommissionären nicht das Leben mit Fünfpfennigrechnungen sauer machen; aber 40 und 50 Psg. stellen einen erarbeiteten Wert dar, den man nicht ein fach ausser acht lasse» darf. Jeder Hinweis, daß viele Leute diese beim Buch ersparten 50 Psg. für Zigaretten ansgeben, ist Mathematik und Theorie: volkswirtschaftliche Budgeteinnahmen sind sehr, sehr schwer zu ändern. Man kann aus dem Volks körper nur hcrausholen, was er freiwillig hergibt. Er ist zu beetnslussen, grundlegend zu ändern ist er nicht. Damit hat Tucholsky in gewissem Umfang natürlich voll kommen recht; nur vergißt er, daß doch der deutsche Buchhandel sich mit einem sehr großen Teil seiner Produktion bewußt gerade diesen Verhältnissen anpaßt. Woher kämen denn anders die vielen billigen Reihen? Die Frage scheint uns daher von vorn herein falsch gestellt. Sie kann unseres Erachtens nur etwa lauten: Kann der moderne Roman deutschen Ursprungs so billig herausgebracht werden, daß er sür die breitesten Massen er schwinglich ist? Das ist zu einem Teil eine produktionstechnische Frage. Hans Rosenkranz hat dazu in seiner Entgegnung auf Tucholsky in der »Neuen Büchcrschau» (I. M. Spaeth Verlag), in der er im übrigen manches gesagt hat, was das Verständnis für die Lage des Buchhandels zu klären geeignet ist, einiges bemerkt, was zweifelsohne Beachtung verdient. Er schreibt: Die kulturelle Notwendigkeit der Verbilli gung der Büchcrpreise ist unabweisbar. Was ist zu tun? Den Weg der Buchgemeinschaft halte ich für bedenklich, weil sie die Gefahr einer geistigen Diktatur Weniger über Tau sende von Lesern in sich birgt. Zu denken wäre an einen Ring von Verlegern und Sortimentern, die gemeinsam eine Absatz- genossenschast zu schassen hätten, in der die freie Konkurrenz der Autoren und Verleger dennoch nicht ausgeschaltet wäre. Ober
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