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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.05.1930
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- 1930-05-13
- Erscheinungsdatum
- 13.05.1930
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109, 13. Mai 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f.b.Dtschn.vuchyanbel. Hier ist der Ernst der Lage durchaus zutreffend gekenn zeichnet. Woraus es ankommt, wenn nicht mit der Arbeits losenversicherung auch die Reichsfinanzen zusammenbrechen sollen, das ist, um es zu wiederholen, nicht der Abbau der Ver- sicherungsleistungen, sondern der Abbau der Zahl der Arbeits losen. Daß das nur durch Erleichterungen für die Wirtschaft, und zwar für die Privatwirtschaft erreicht werden kann, dürfte allen Einsichtigen klar sein. Immer wieder muß auf die Vor gänge beim Stahlwerk Becker hingewiesen werden. Dort ist jedem, der sehen will, praktisch vor Augen geführt worden, was der springende Punkt ist. Man darf aber auch an das Liebes- werben deutscher Städte um die Niederlassung Fords in Deutsch land, die nach Köln kommt, um die einer Filiale der franzö sischen Gummifirma Michclin, an den bekannten Fall in Aachen und ähnliches erinnern. Um diese Beschäftigung bringenden, also die Arbeitslosigkeit mindernden Unternehmungen zur Niederlassung zu gewinnen, sind,ihnen weitestgehende Bevor zungen durch billiges Baugelände, Steuererlaß und anderes mehr angeboten und gewährt worden. Weshalb wird deutschen Unter nehmern nicht gleiche Entlastung gewährt? Das ist in der Tat der Weg, um Arbeitsgelegenheit zu schaffen, überlastet man dagegen die Wirtschaft weiter, so schlachtet man die Henne, die die goldenen Eier legt. Dem Wort Rathenaus gegenüber, die Wirtschaft sei das Schicksal, hat man an den älteren Ausspruch Napoleons erinnert, der das Vorbild war: Die Politik ist das Schicksal. Es ist müßig, darum zu streiten, wer recht habe. Sicher ist unter allen Umständen, daß das Schicksal des Staates an das der Wirtschaft gebunden ist. Anläßlich der Vorbereitung des neuen Reichshaushalts sind neue Veröffentlichungen herausgckommen, die den Wohl fahrtsstaat, zu dem sich Deutschland entwickelt hat, nur zu treffend charakterisieren. Die nachstehenden Zahlen geben, unter Abzug des Aufwands für den Behördcnapparat selbst und für die Wehrmacht, einen Überblick über die Entwicklung d er allg emeinen Reichsa iusgaben 1926 1927 1928 1929 1930 Wohlfahrtswesen einschl. Wohnungswesen . . . 1008.9 871.5 1093.9 1293.2 1079 4 Finanz- u. Schuldenwesen 344.4 540.9 627.9 513.9 1062.1 Wirtschaft u. Verkehr. . 333.8 309.1 341.5 284.2 341.2 Staats- ».Rechtssicherheit (ohne Wehrmacht) . . 209.3 202.8 200.2 196.1 195.6 Bildungswesen . . . . 22.6 32.5 32.9 29.3 28.6 Allgemeine Verwaltung. 14.9 11.4 12.1 9.4 7.5 Zusammen: 1933.9 1968.2 2308.5 2326.1 2714.4 Die überragende Bedeutung der Aufwendungen für das Wohlfahrtswesen springt in die Augen. Noch aufschlußreicher sind aber Angaben, die der jetzige Reichsarbeitsminister Steger- wald kürzlich in Dortmund gemacht hat. Er führte unter anderm aus: »Das 'deutsche Volkseinkommen wird gegenwärtig auf 70 Milliarden Mark im Jahr geschätzt. Davon müssen etwa 23 Milliarden Mark oder rund 30 Prozent für die Bedürfnisse des Reichs, der Länder und Gemeinden, der Kirchen und der Sozialversicherung aus lausenden Mitteln aufgebracht werden. Im einzelnen partizipieren an den Gesamtausgaben die für soziale Zivecke, einschließlich Bcamtenpensionen, mit 48,8 Pro zent, Wirtschaft und Verkehr mit 10 Prozent, die Beamten gehälter mit 22,4 Prozent, die allgemeinen Ausgaben mit 14,3 Prozent und der Rest mit 4,5 Prozent. Gegenwärtig bekommen in Deutschland Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln (überall einschließlich der renten- und untcrstützungsberechtigten Fami lienangehörigen) Arbeitslose 4200 Millionen, Renten aus der Invaliden-, Angestellten- und Knappschaftsversicherung 3800 Millionen, Kriegsbeschädigte 2400 Millionen, Wohlfahrtspflege 1500 Millionen, Unfallrentner 1000 Millionen, Pensionäre 1000 Millionen, zusammen 13 900 Millionen. Nach Abzug der Doppelzählungen verbleiben über 12 Millionen Menschen oder 20 Prozent des deutschen Volkes, die Zuwendungen aus öffent lich-rechtlichen Mitteln erhalten. An Steuern müssen in Deutschland in Reich, Ländern und Gemeinden aufgebracht wer den rund 15 Milliarden Mark. Die Differenz zwischen 23 Mil liarden Marl Ausgaben und 15 Milliarden Mark Steuerein nahmen liegt begründet einmal in der Sozialversicherung, die daneben noch 6 Milliarden Mark kostet, dann in der Repara- tions- und Pensionsleistung der Reichsbahn und Reichspost, die nahezu 1 400 Millionen Mark leisten. Schließlich in der Kirchen steuer mit etwa 350 Millionen Mark usw. Wer in Deutschland ein Einkommen hat von 100 000 Mark, zahlt alles in allem zwischen 30—40 000 Mark Steuern. Es gibt schweizerische Kan tone, in denen die gleichen Einkommensträger keine 5000 Mark Steuern zu zahlen brauchen und die das in deutschen Zeitungen öffentlich bekannt geben. Daneben erstehen in der Schweiz, in Holland, in Dänemark die sogenannten Holdings (Dachgesell schaften), von wo aus große deutsche Unternehmungen und Kon zerne geleitet und selbstverständlich auch versteuert werden. Mit deutschen Gesetzen ist diesen Erscheinungen nicht beizukommen.« Hier seien vor allem die beiden Hinweise unterstrichen, daß schon jetzt jeder fünfte Mensch in Dentschland aus ösfentlich-rcchtlichen Mitteln erhalten wird — staatsversichert ist schon jeder zweite — und daß infolgedessen von den übrigen vier so ungeheure Lasten getragen werden müssen, daß das Kapital nach den Län dern abwandert, die es weniger in Anspruch nehmen. Daß das aus die Dauer nicht so wcitcrgchen kann, muß cinleuchtcn. Eine Überspannung des Wohlfahrts- und Versorgungsgedankens müßte seinen Zusammenbruch zur Folge haben. Zum Teil in Bestätigung von Überlegungen, wie sie hier schon wiederholt vorgetragen wurden, führte Stegerwald dann auch weiter aus: »Heute werden von dem großen deutschen Bersicherungsorganis- nius mit den Familienangehörigen der Versicherten, für die ebenfalls Unterstützung und Zuwendungen zu gewähren sind, etwa 30 bis 35 Millionen Menschen oder rund die Hälfte des deutschen Volkes erfaßt. Die Kosten für Sozialversicherung sind praktisch vorenthaltener Lohn. Um diesen Betrag werden die im Produktionsprozeß stehenden Arbeiter und Angestellten ge ringer entlohnt, als es ohne dem möglich wäre. Vor dem Krieg war das anders. Damals waren die Gewerkschaften schwach und hatten keinen ausreichenden Einfluß auf den Staat. Heute sind die Gewerkschaften stark, ihr Einfluß auf den Staat ist nicht ge ring. Wir haben heute im Gegensatz zu früher ein ausgcbautes Einigungs- und Schlichtungswesen. Heute könnte dem Arbeiter der in der Sozialversicherung vorenthaltcnc Lohn tatsächlich ver schafft werden. In solcher Situation spitzt sich die Frage der Sozialversicherung dahin zu: wieviel wollen die im Produktions prozeß stehenden Arbeiter von ihrem Lohn an jene abgobcn, die vorübergehend oder dauernd aus dem Produktionsprozeß aus- schciden? über diese Frage muß in absehbarer Zeit sowohl im politischen Leben wie auch zwischen Arbeitgebern und Arbeitern eine Verständigung möglich sein. Heute werden in Deutschland jährlich um 45 bis 46 Milliarden Mark Lohn und Gehälter bezahlt. Davon entfallen aus Gehälter und Pensionen der Be amten etwa 9,6 Milliarden, auf die höheren Angestellten in der Privatwirtschaft, die nicht der Sozialversicherung unterstellt sind, etwa 3 bis 4 Milliarden und auf die Arbeiter und Ange stellten, die sozialversicherungspflichtig sind, rund 33 bis 34 Mil liarden. Davon werden etwa 15 Prozent für Zwecke der Sozial versicherung oder etwa 5 Milliarden Mark abgehalten. Den Rest von einer Milliarde Mark hat in den letzten Jahren das Reich zu den Kosten der Invaliden- und Arbeitslosenversicherung beigesteuert.« Stegerwald schloß mit der Feststellung: »Im übrigen sehe ich in den nächsten Jahren in der Sozialversicherung nicht das Kernstück der sozialen Politik, sondern in folgendem: 1. Es muß alles aufgeboten werden, um die Arbeitslosen wieder in den Produktionsprozeß einzugliedern. 2. Es sind durch eine entsprechende Wirtschafts- und Steuer politik die Voraussetzungen zu schassen für eine aktive Reallohnpolitik. 3. Es ist das Arbeitsrccht vorwärlszubringen, insbesondere das Arbeitsvertrags- und Tarifvertragsrecht. 4. Es ist nachdrücklichst zu arbeiten an der gleichberechtigten Eingliederung der Arbeiter in den Gesellschafts- und Wirtschaftsorganismus.« Dabei muß beachtet werden, daß Stegerwald Gewerkschaftler ist. Er formuliert also naturgemäß von seinem Standpunkt aus. 4SI
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