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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.03.1911
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- 1911-03-08
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- 08.03.1911
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Nichtamtlicher Teil. .V 56, 8. März 1911. Maße litten, ist einfach unwahr. Das Gegenteil ist wahr. Vorgebeugte, schlechte Körperhaltung trifft man in romanischen und slawischen Ländern weit häufiger, als bei uns. Die Großherzoglich Hessische Ministerialverwaltung hat gut getan, die »großartigen« Entdeckungen Webers baldigst zu den Akten zu legen und dort ruhen zu lassen. Die Latein schrift ist nicht schreibflüchtiger. Die Takte und Druckstellen sind wieder Tüfteleien. Absetzungen erfordert die Lateinschrift bedeutend mehr, als die deutsche Schrift Gehe genaue Nachweisung in meinem Buche). Daß die Kinder nicht die Lateinschrift lieber üben, als die deutsche, das braucht man sich nicht erst von Volksschul lehrern sagen zu lassen. Wer Kinder hat, kann sich das von den Kindern selbst bestätigen lassen. Die Behauptung der angeblich schlechten Handschrift der Deutschen ist einfach unwahr. Ein Deutscher, der lange im Auslande gelebt hat, bekundete erst neulich in den »Hamb. Nachr.« das Gegenteil. Außerdem kann sich jeder selbst davon überzeugen. Herr Windeck scheint von seiner allerdings fürchterlichen Handschrift Schlüsse auf andere zu ziehen. Im allgemeinen schreiben meist Latein- schriftler eine entsetzliche Schrift; das weiß jeder Zeitungsmann, Verleger und Setzer. Das bestätigt vollinhaltlich Nr. 1l der »Fach-Mitteilungen der deutschen Korrektoren-Vereine« vom I. März d. I., wo es u. a. heißt i »Jeder erfahrene Korrektor wird mir gewiß zustimmen, wenn ich behaupte, daß wir gerade mit den Latein schreibern die größten Schwierigkeiten und deshalb von der Abschaffung der deutschen Schreibschrift nichts besonders Gutes zu erwarten haben. Wohl gibt es auch massenhaft unleserliche Manuskripte in deutscher Schrift; aber daß man selbst bei schönen Handschriften viele Wörter verschieden lesen kann — was für uns Korrektoren gerade das Schlimmste ist, — das ist bei der deutschen Schrift nicht der Fall. Daß es in der lateinischen Handschrift einen Unterschied zwischen u und u gebe, ist doch nur ein Schüler-Märchen; praktische Männer der Feder haben es nicht nötig, sich mit solchen Kleinigkeiten abzugeben. Ebenso besteht der Unterschied zwischen o und e nur für Pedanten, manche Schönschreiber malen auch das I dem e so ähnlich wie ein Ei dem an dern. Wer die Gewohnheit einer kleinen Schrift hat, macht natürlich keinen Unterschied zwischen b und I-; in deutscher Schrift sind diese Buchstaben aber nie zu ver wechseln. Ebenso steht es mit dem v, das nur beim Lateinschreiben dem o gleicht, wie auch das deutsche a viel besser vom o zu unterscheiden ist, als das lateinische, trotzdem beide a einander so ähnlich sind, So gibt es noch mehrere, oft unüberwindliche Verwechselungs-Mög lichkeiten, z. B. bei g und x, L und L usw., wobei wir von den Verwechselungen bei flüchtiger Schrift gar nicht reden wollen usw«. Daß der Deutsche »das eckigste, unbeholfenste und am wenigsten anziehende Benehmen« von allen Kulturvölkern habe, ist unerhört kecke Beleidigung unseres Volkes und nichts als nichtige Redensart, wie die meisten dieser Ergüsse. Was aber hat das in aller Welt mit der deutschen Schrift zu tun! Nicht Verdrehung ist, daß verbohrte Lateinschristler die Bruchschrift sogar für Verbrechen verantwortlich machen. Herr Windeck weiß wieder nicht Bescheid, leugnet aber trotz dem. Vor zwei Jahren sandte der Pfarrer und Bezirksschul inspektor K. Spies zu Schloß Neresheim (Württbg.), ein verstiegener Ausrottungseiserer und Mitglied des Altschrift vereins, eine Rundfrage an die Lehrer seines Bezirkes — abge druckt in der »Reform« — in der es u. a. hieß: »Welche wirt schaftlichen und strafrechtlichen Schäden sind Ihnen aus dem Gebrauche der deutschen Schrift bekannt ge worden?« Diese Rundfrage betrifft nicht nur schwachsinnige Kinder, sondern war an die Lehrer aller Schulen seines Schulbezirkes gerichtet. Daß die deutsche Schrift an der folgewidrigen Schreibung der Sauselaute schuld sei, ist zu sonderbar, um darüber noch ein Wort zu verlieren. Herr Windeck bestreitet immer flottweg alle von mir und meinen Sinnesgenossen gemachten Feststellungen. Bestreiten ist leicht, eine Klärung der Meinungen in der Öffentlichkeit ist da fast unmöglich. Wäre Herr Windeck nicht Kaufmann, wie er angibt, sondern wissenschaftlich vorgebildet, dann wäre ein Verständigen leichter möglich. Als Herr Windeck anfing, in der »Reform« über die Schriftsrage zu schreiben, hat er noch viel ungeheuerlichere Dinge behauptet, die er dann, als er seine Blößen einsah, nicht gesagt haben wollte. Es ist sein Ver hängnis, daß er alles, was er einmal gedruckt gelesen, sobald cs seiner Sache förderlich ist, für bare Münze nimmt und sich zu eigen macht. Der gothische Baustil ist germanischen Ursprunges, auch der Bruchschriftstil ist eigentlich ein germanischer; aber auf deutschem Boden, von dem festländischen Hauptstamme der Germanen, find beide Stile weiter entwickelt und erst zu voller Blüte gebracht worden. Aus dem von Windeck angezogenen Satze Grimms ersehe ich, daß Grimm, dessen Sprachforschertätigkeit in Ehren steht, als S ch r i f t kundiger noch weniger Bescheid wußte, als ich behauptet hatte. In dem angeführten Satze ist ja bei nahe alles falsch. Nicht die lateinische Schrift wurde im Mittelalter gebraucht, sondern zuerst die römische Lauf schrist, ferner ihre germanischen Ausprägungen, die langobar- dische, westgothische, angelsächsische, merowingische und schließ lich die karolingische, die allmählich in die Bruchschrift über ging. Die »lateinische Schrift« gibt es erst seit l470. Nicht das ganze Europa hat diese Schriften gehabt, sondern nur das Abendland, dessen Kultur sich in dem karolingischen Weltreiche, welches so ziemlich das ganze Abendland umfaßte, gebildet hatte. Das ganze östliche Europa blieb von der Verbreitung dieser Schriften ausgeschlossen. Nicht im 13. Jahrhundert begann die Brechung und Verästelung der Schrift, sondern schon im 10. Jahrhundert. (Siehe Sächsische Geschichten Widukinds, Waldhere-Bruchstück usw.) Spuren begin nender Brechung sind sogar schon früher nachweisbar. Und den Ausspruch Grimms, daß die gothische Schrift erst zur Zeit der Erfindung des Buchdruckes entstanden sei, während ihre Spur schon 950 nachweisbar ist, kann Windeck nicht auslöschen. Herr Windeck hat Pech. Grimm war tatsächlich in der Schrift g e s ch i ch t e ganz unkundig. Unwahr ist, daß deutsche Drucker die Latein schrift ausgebracht haben; das haben italienische Humanisten, also Gelehrte, getan. Die ersten Drucke geschahen in Italien, von Jenson und Aldus Manutius, die keine Deutschen waren. Daß aber auch deutsche Drucker, und zwar vornehmlich in Ita lien, in dieser Schrift gedruckt haben, lag daran, daß das Buch druckgewerbe in jener Zeit fast überall in deutschen Händen lag. Wenn Goethe 1829 irgend etwas einmal lateinisch ge schrieben hat, so ist daraus gar nichts zu schließen, wie Windeck in anderem Zusammenhangs immer betont. Tatsächlich hatte sich Goethe längst von der Humanistenschrist abgewandt. Herr Windeck hat mir selbst geschrieben, daß ein Greisswalder Profes sor, eifriger Lateinschristler, sich ausschließlich der deutschen Handschrift bedient, und ich kann ihm verraten, daß ein Mar- burger Universitätsprofessor, der aus Überzeugung für die Er haltung der deutschen Druck- und Schreib schrift eintritt, aus alter Jugendgewöhnung nur lateinische Schreibschrift ver wendet. Über die «hoch angesehenen deutschen Männer und Patrio-
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