6914 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Künftig erscheinende Bücher. 143, 23. Juni 1908. ° Arthur Schnitzler: Der Weg ins Freie Die 6. 8. Auflage gelangt soeben zur Ausgabe Je länger dieses Buch in mir nachklingt, desto stärker wird der menschliche Eindruck, den es hinterläßt. In vielen Büchern findet man den großen Dichter sogleich; aber nach dem großen Menschen im Dichter tastet man durch alle Seiten nur mühsam, und — wie oft — vergebens Lier aber ist diese wundervolle Vereinigung, daß man überall spürt, wie stark in dem Dichter Schnitzler der Mensch ist; hier hat der Dichter den Menschen und der Mensch den Dichter beleuchtet, hier ist Leben und Schaffen, künstlerisches, und beinahe möchte man sagen privates Fühlen so voll kommene Einheit, daß man über dies Buch hinaus den Eindruck der reinen Indivi dualität empfängt, die es geschrieben hat. Deshalb ist es einem während des Lesens wohl so, als ob eine edle, in sich verhaltene Stimme alle diese Dinge sagen würde, die da auf dem Papier stehen. Deshalb hat man auch wohl nach beendigter Lektüre die Empfindung, als sei man nicht allein, mit einem Buch in den Länden, sondern als sitze noch jemand da, jemand, den man bis jetzt sprechen gehört, und der nur in dieser Abenddämmerung schweigt. (Die Zeit, Wien) Bis in den Morgen habe ich an dem neuen Buch Arthur Schnitzlers gelesen. Ich hatte schon, während der Roman in der „Neuen Rundschau" erschien, hineingeblickt, jetzt aber, da das Buch ganz vor mir lag, packte es mich und ließ mich nicht los, wie alles, was Schnitzler schreibt. Denn es ist ein Werk voll tiefen und weichen Empfindens, voll reifer Weisheit, voll dichterischer Anschauung, und es heimelt uns überdies besonders an, da es ein Wiener Roman ist, darin das Wienerische Wesen wie in keinem anderen Werk eines deutschösterreichischen Dichters zum Ausdruck kommt. (Prager Tagblatt) Die leichte Lässigkeit der Menschen, ihre selbstverständliche Kultiviertheit — sie sind das innerliche Wienerische des Romans, das viel umfassender ist als das äußerliche. Wie hier aus allen Worten und Landlungen eine scharmante Wehmut, eine liebens würdig leise Ironie tropft, wie ein Sichnichternstnehmen selbst das Tiefste der Cha raktere ergreift, wie all die Figuren sich ohne plebejische Lastigkeit, ohne die Wild heit großer Gesten vor uns stellen und das rätselhafte Dichterlächeln eines tiefen Verstehens sie dämmerhaft durchscheint — das gibt dem Werke eine so besondere