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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.06.1908
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- Erscheinungsdatum
- 23.06.1908
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- Deutsch
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strators an. und mit der Zeichnung der Schlußvignette ist sie noch nicht beendet. Eine Grundnote, die der Verfasser in seinen Aus führungen angeschlagen hat, muß vollständig durchgehalten werden. Dazu ist vor allem ein hohes Maß von Materialvertrautheit und eine genaue Kenntnis der technischen Arbeitsvorgänge des Druck gewerbes erforderlich. Erfahrungen, die schließlich doch in mehreren Jahrhunderten der Praxis abgelauscht sind, können nicht ohne Schaden unberücksichtigt bleiben. Wer hier schon dem Verleger oder dem widerstrebenden Drucker hilflos gegenübersteht, wird niemals die restlose Durchführung seiner künstlerischen Absicht er zwingen können. In der Stille der Künstlerateliers Pflegen im allgemeinen ganz andere Dinge erstrebt zu werden, als solche zähen Erkenntnisse aus dem geräuschvollen Treiben der modernen Industrie. Wer aber ein Handwerk betreiben will, muß es unbe dingt erst kennen. Und der tüchtigste Illustrator fühlt sich wenig stens heute schon als Kunsthandwerker, indem er sich vielleicht mit Stolz an eine Bemerkung Leibls erinnert: »Echte Kunst kann sich nur auf dem Boden des Handwerksmäßigen aufbauen.« Kunsthandwerker sein heißt: seine künstlerische Kraft einer Sache unterordnen. Das illustrierte Buch umfaßt heute zwei Persönlichkeiten: den Autor und den Illustrator. Dieses oft so zwiespältige Verhältnis muß unbedingt zu einem Ausgleich gebracht werden. Und man darf wohl mit Recht for dern, daß der Vortritt hier dem Verfasser überlassen ist. Seine Gedanken sollen durch die Druckerschwärze verbreitet werden. Er schreibt ein Werk, um sie der Welt mitzuteilen, — und doch wohl nur ausnahmsweise, um einen Künstler zu zeichnerischen Phantasiespielen anzuregen. Er braucht den Illustrator, damit sein geistiges Erzeugnis das Kleid erhält, mit dem es sich in der guten Gesellschaft sehen lassen kann. Das Gewand aber soll in erster Linie passen und nicht bloß ein Dokument für die Persönlich keit des Schneiders sein; es ist immer schmerzlich, wenn der In halt eines Buches durch seine äußere Aufmachung erdrückt wird. »Unter den kostbaren buchgewerblichen Erscheinungen, die einem gegenwärtig durch die Hand gleiten, bestechen einige Werke durch den feinen Reiz der Diskretion, mit der sich der Illustrator dem Autor unterordnet. Das Bewußtsein, daß seine Ausstattungs kunst nur dienen, nur schmücken soll, verleiht ihm die vornehme, — man möchte fast sagen: heroische Zurückhaltung, die wir mit unter gerade bei den prächtigsten Werken vermissen, die eben die Presse verlassen haben. Es muß abstoßen, wenn der Illustrator sich prätentiös vor den Verfasser stellt, wenn er bestrebt ist, mit der symphonischen Fülle seiner Ornamentik und seiner Zierstücke den eigentlichen Wortlaut zu übertönen, wo ihm ja doch nur die Rolle des Begleiters übertragen ist.« Diese Worte hatte ich kürzlich der Betrachtung eines unserer Illustratoren vorangeschickt. (Werkkunst 1908, Heft 15.) Der Hinweis, daß unsere bekanntesten Illustratoren sich nur zu oft mit brutaler Rücksichtslosigkeit vor den Verfasser stellen, daß sie ihn, den sie begleiten sollten, zu übertönen suchen, kann nicht deutlich genug gemacht werden. Hier steckt eine Stillosigkeit, die bereits in manchem gebildeten Menschen die Sehnsucht nährte nach dem schmucklosen Buch — dem Buch an sich. Wenn die glutvolle Sinnlichkeit und die laszive Decadence einer Wildeschen Salome in Beardsley den kongenialen Illustrator fand, so muß dieser Stil noch lange nicht der graphische Ausdruck für die Guggelhupf-Lyrik eines jungwiener Ästheten sein. Beardsley war einer der vorzüglichsten Illustratoren und zugleich das schlimmste Vorbild. Denn alle, die ihn nachahmten oder sich an ihn verloren, übersahen ganz, daß er sich mit einem rasenden Instinkt in die geheimsten Untergründe einer Dichtung einzufühlen verstand und daß seine so selbständig erscheinenden Illustrationen schließlich nichts waren als der Widerklang der Stimmungen, die in dem Dichtwerk raunten. Nicht der Geist eines solchen Schaffens, sondern die äußeren Formen sind übernommen worden. Doch es ist klar, daß unseren Illustratoren nicht jeden Tag eine Salome, tbs raps ok, tRs loolc, tRs Uisrrots ok tbs minuts und dergleichen in die Hand gedrückt wird. Das ver- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 7S. Jahrgang. ständnisvolle Folgen und das Anschmiegen des Pianisten an'den Vortrag des Solisten ist die Tugend des Illustrators. Und in diesem Sinne sind schätzenswert die holzschnittderben Zeichnungen Taschners zu Ludwig Thomas »Andreas Vöst«, Cissarz' melodiöse Linienrhythmen, Somoffs graziöse Federzeichnungen zu dem »Tanz« von Oskar Bie, Wieynks rosenzarte Zierstückchen in »Wil helm und Caroline v. Humboldts Briefwechsel«, Lechters quellende Formenfreude, in der sich die Formenkunst eines Stephan George, eines Maeterlinck so ausgeglichen spiegelt, oder Weiß' Stilisierung eines traditionellen Kultgefühls, wie sie für Bubers »Geschichten des Rabbi Nachmann« notwendig war. Es ist ein Unding, einen dürren Ast durch einen grünen Anstrich neu zu beleben, und es ist ein Unsinn, Schulregeln zu suchen, wo Lebendes lebendig zu gestalten ist. Allein es kann mit unter förderlich sein, den Jdealzustand auszumalen, der einem heimlich vorschwebt: T e x t und Illustration sollten formal und geistig zu einem einzigen Orga nismus, dem Buch, verwachsen. Wie in der kleinsten Arabeske der Stilgedanke des gesamten Bauwerks nachklingt, sollte jedes Ausstattungsglied den Rhythmus weitergeben, den die Ausführungen des Verfassers einmal angeschlagen haben. In keinem Kunstwerk können zwei Spannungen auf einmal aus gelöst, zwei Wirkungen zu gleicher Zeit erzielt werden. Dadurch braucht sich der Illustrator noch lange nicht als geistigen Handlanger eines zu anderen fühlen. Dieses weise Maßhalten, diese höchste Hingabe an das Werk ist die Kraft des großen Illustrators und die Grundlage für das gute Buch. Ob solche Druckwerke möglich sind? — Man blättere einmal Gutenbergs 42 zeitige Bibel, das Fust-Schösfersche Psalterium von^1457 und 1459, das Gebetbuch Kaiser Maximilians oder — um auch eine andere Art gelten zu lassen — den Teuerdank druck Burue-Jones' und Morris' Drucke der Kelmskott-Press durch. Man vergesse dabei aber nicht, wie es unsere Väter so gern taten, daß die Autoren des 20. Jahrhunderts etwas anders zu schreiben pflegen. Das Verhältnis des Illustrators zum Leser ist nicht weniger beachtenswert. Neben dem Verfasser und seinem Publikum steht der Illustrator als Regisseur, der dem einen die Dekorationen und dem anderen kleine Fingerzeige zu geben hat. Der Leser kann von ihm verlangen, daß er sich in den Kulissen hält und nicht durch ein unbescheidenes Hervortreten die Ruhe des Spieles stört. Es kann dem einzelnen mitunter recht erwünscht sein, eine dichterische Gestaltung in der Auffassung des einen oder anderen graphischen Künstlers zu sehen. Ich z. B. wäre sehr neugierig auf Illustrationen von Th. Th. Heine zu Heinrich Heines »Bäder von Lucca« oder von I. V. Cissarz zu Heinrich Heines »Nordsee bilder«. Doch im allgemeinen wird wohl niemand in eine neue Welt, vor die uns der Dichter stellt, durch die Brille eines Dritten sehen wollen. Es ist doch etwas unbescheiden, wenn ein Illustrator das Restchen Phantasie, das unsere Zeit noch auf zubringen vermag, zu vergewaltigen sucht, indem er seine persön liche Auffassung den Lesern aufdrängen will. Wir erinnern uns noch mit Schaudern an die Bilder in den nun glücklich ausgerotteten Prachtwerken, wo man uns einen Faust aufhängen wollte, der halb Präzeptor, halb Don Juan war, oder uns ein Spießbürger gänschen als Gleichen vorstellte. Der denkende Leser malt sich wohl gern selbst die Welt der Dichtung aus, so bunt und reich, wie er es nur eben vermag. Und bei der Verteilung seiner Liebe und seines Hasses wird er sich sicherlich nicht gern von einem Dritten dreinreden lassen. Jede Illustration, die die Illusion erdrückt, ist minderwertig. Den Weg nach Phantasieland mag uns der Illustrator weisen, den Horizont wollen^wir uns selbst abstecken. Wenn der optische Sinn der Allgemeinheit stärker ausgeprägt 898
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