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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.05.1892
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- 1892-05-30
- Erscheinungsdatum
- 30.05.1892
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3224 Nichtamtlicher Teil. US 12S, SO. Mai 1892. Aermischte». 22. Generalversammlung der Gesellschaft für Verbrei tung von Volksbildung. — Am 2l. Mai wurde in Stettin die Generalversammlung der -Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung- durch Oberlehrer vr. Meyer-Stettin eröffnet und vom Abgeordneten Rickcrt mit einer beifällig aufgcnommcnen Ansprache eingcleitet, in der er die Thätigkeit und die Ziele der Gesellschaft erläuterte: Die Gesellschaft habe schwierige Tage hinter sich. Der Zug der Zeit sei ihr nicht günstig gewesen Die Lage der Gesellschaft habe gaben geringer geworden seien, seien die Leistungen nicht zurückge gangen. Vorträge habe die Gesellschaft halten lassen 1889: 106, 1890: 120, 1891: 184. Auch die Zahl der Mitglieder sei gewachsen. 1889 gehörten zu der Gesellschaft 792 Vereine und 2680 Personen. Ende 1891: 818 Vereine und 2792 persönliche Mitglieder. Die Ge sellschaft habe eine Einnahme von 36 547 25 H gehabt, wovon den Verbänden und Zweigvereinen direkt 17187 12^ zugcflosscn seien. Die Centralstcllc verfüge aus den Mitglicderbeiträgcn nur über ca. 9000 jährlich. Davon würden für die Vorträge verwendet ca. 5500 ^ für die Zeitschrift des Vereins ca. 2500 Die Ver- waltungskostcn der Centralstclle seien um ca 6000 jährlich ver mindert. Die Ziele der Gesellschaft seien derartige, daß jedermann, welchem Stande, welchem Glauben und welcher politischen Richtung er auch angchöre, sie unterstützen könne. Für unsere Leser besonders interessant dürsten die Mitteilungen des Generalsekretärs I. Tews-Berlin über die Bedeutung. Organi sation und Ausbreitung der Volksbibliothekcn sein. Dieser Redner führte etwa folgendes aus: Die Litteratur des Volkes sei der beste Gradmesser seiner Kultur, und die Civilisation der Massen lasse sich am besten danach beurteilen, in welchem Umfange und in welcher Art sie Belehrung und Unterhaltung aus der Nationallittcratur schöpfen. In Deutschland seien zwar die Analphabetzifscrn in den beiden letzten Jahrzehnten stark hcrabgcgangen, bei den preußischen Rekruten z. B. von 1871/72 bis 1890/91 von 3,42 Prozent auf 0,84 Prozent, aber -lesen, im eigentlichen Sinne des Wortes könnten viele Hunderttauscnde noch nicht. Zu ihnen spreche noch kein Buch, sie ständen dem geistigen Nationalgut noch fern. Durch Ver besserung dcS Volksunterrichts, einschließlich der Fortbildungsschule, werde auch ihnen der Zugang zu dem Schrifttum der Nation geöffnet werden. Unter den Lesenden greife ein großer Teil nach der Schund- litteratur, zum Teil, weil ihre geringe geistige Entwickelung die bessere Litteratur ihnen verschließe, zum Teil, weil die Kolportage gerade in der Verbreitung minderwertiger Schriften sehr eifrig sei. Uebergkhcnd zu der Frage: Was können die Mitglieder der Gesell schaft für Verbreitung von Volksbildung, die Bildungs-Vereine wie die peisönlichen Mitglieder, für die Sache der Volkslektüre thun? führte Redner aus, daß es an guten unterhaltenden Volksschriften in Deutsch land nicht fehle, die belehrende Litteratur aber im Vergleich zu der jenigen anderer Völker, z B. den englischen naturwissenschaftlichen Volks büchern zu wünschen übrig lasse. Die beste Förderung der Litteratur bestehe darin, daß man fürs Haus, für die Vereine und die Bolksbi- bliothcken das Gute kaufe und so das buchhändlerischc und geistige Kapital mobil mache. Die Versorgung der Gcsamtbcvölkerung mit ausreichendem, allen Bedürfnissen gerecht werdendem Lesestoff sei nur möglich auf dem Wege der Volksbibliothekcn Allerdings würden die Volksbibliothekcn, wie Redner an einem umfangreichen Zahlenmaterial beleuchtete, sehr ungleich stark benutzt; aber der Grund liege nicht darin, daß man das Insti tut dort, wo die Benutzung eine geringe sei, als ein an und für sich verfehltes betrachte, sondern an Mängel - in der Organisation und Ver waltung derselben, deren Abstellung ungebahnt werden müsse. Bei der Aufbringung der Mittel kämen in erster Linie die Ge meinden, ferner Vereine, Private, in einzelnen Fällen auch der Staat in Betracht. Was die Gemeinden in Deutschland für diesen Zweck opfern, erscheine geringfügig gegenüber der Aufwendung in Frankreich, England und Nordamerika. Auch die Opferwllligkeit von Privatpersonen sei nach den vorliegenden Zahlen dort größer. In Deutschland haben in erster Linie die Bildungsvercinc, unterstützt von den wirtschaftlichen Ver bänden, die Volksbibliothekcn begründet. Von Staatswcgen seien u. a. im Königreich Sachen, in Sachscn-Altenburg, Sachsen-Gotha, Anhalt, und Württemberg Unterstützungen gewährt worden. Die Bedeutung der öffentlichen Bibliotheken müsse man allen Kreisen des Volkes nahe bringen, damit alle sie benutzen und unterstützen; dann würden auch die Herzen und Hände sich öffnen Von den 19'/, Millionen Mark, die in vier Jahren (1886, 87, 89 und 90) in Preußen für kirchliche, untcrrichlliche und medizinische Zwecke geschenkt und vermacht seien, sei den öffentlichen Bibliotheken anscheinend nichts zugcflossen, während in England und Nordamerika in einem Jahre Millionen hierfür hergegcbcn würden. Für die Einrichtung neuer und die Umgestaltung bereits bestehender Bibliotheken machte Redner eingehende Vorschläge. Die zweite Sitzung fand am 22. Mai statt. Nach lebhafter Debatte über die Volksbibliothcken wurde folgende Resolution gefaßt: -Die 22. Generalversammlung der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung bezeichnet von neuem die Volksbibliothcken als eines der wichtigsten Mittel, die Zwecke der Gesellschaft zu fördern, d. h. die Volks bildung in geistiger und sittlicher Beziehung zu verliefen, und empfiehlt allen Gemeinden, welche bisher keine öffentlichen, für jedermann unent geltlich zugänglichen Bibliotheken haben, mit der Errichtung derselben möglichst bald vorzugchen». Beschlagnahme. — Die Schrift des Rektors Ahlwardt -Juden- flintcn H. Teil (Verlag der Druckerei Glöß in Dresden) wurde auf Antrag der Berliner Staatsanwaltschaft in den Berliner Buchhand lungen und beim Verleger polizeilich beschlagnahmt. Auch in Leipzig gelangte die Maßregel zur Ausführung. Wie nachträglich mitgeteilt wird, soll der Grund der Beschlagnahme in dem Abschnitt Seite 14 u 15 mit der Ueberschrift »Wie der Staat betrogen wurde- liegen. Aufhebung einer Beschlagnahme. — Die gerichtliche Beschlag nahme der Schrift-Oavsat l-opulus. Wider den neuen Kurs- von Erwin Bauer (Verlag von Reinhold Werther in Leipzig) ist durch Beschluß des Königl. Amtsgerichts I zu Berlin am 9. Mai aufgehoben worden. ReichSgcrichtsentscheidung. — Die Bestimmung des tz 200 Abs. 2 der Konkursordnung, wonach im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft der Zwangsvcrgleich. soweit er nicht ein anderes festsctzt, zugleich den Um fang der solidarischen Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter mit ihrem sonstigen Vermögen begrenzt, — findet, nach einem Urteil des Reichsgerichts. II. Civilsenats, vom I. März 1892, nur Anwendung auf die zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Gesellschafts- Vermögen der Gesellschaft noch angehörcnden Teilhaber, nicht aber auf vor diesem Zeitpunkt ausgeschiedene Gesellschafter. Die volle Haftung dieser, als -Milschuldner der Gesellschaft- (tz 178 S. 2 Konk. - Ordn.), wird durch den Zwangsvergleich nicht berührt. Tic -pikante- Litteratur neueren Datums. — Ein ernstes Wort richtete Herr Justus Pape in Hamburg an den deutschen Buch handel. Wir entnehmen diesen Ausführungen folgendes: »Im schärfsten Gegensätze zu den Wünschen und Bestrebungen aller ernsten Männer und Frauen, wie auch zu den gesetzgeberischen Ge danken und Vorschlägen der deutschen Regierungen, wuchert jetzt im Buchhandel eine gewisse Vcrlagsthätigkcit, welche in letzter Zeit immer fruchtbarer betrieben wird. Wir meinen jene Art von Schriften und Bildern, die, ohne nach dem Buchstaben des Strafgesetzbuches unzüchtig ru sein, doch entsittlichend wirkt, weil sie, das sogenannte -Pikante- schildernd und darstellend, lediglich auf den Sinnenkitzel spekuliert und damit bei unreifen Leuten leider auch ihre Rechnung findet So wuchert denn die obscön-schlüpfrige Litteratur in einem Umfange und in einer geflissentlichen Offenheit im deutschen Buchhandel, wie nie zuvor: eine, bei allen ernsten Zeichen der Zeit, besonders traurige und beschämende Erscheinung. Dieser Erscheinung gegenüber ist unseres Er achtens nicht damit genug geschehen, daß man sich selbst fcrnhält von der Beteiligung an der Verbreitung solcher Schriften, sondern, wenn cs unmöglich sein sollte, durch Präventiv-Maßregeln der Verbreitung der gekennzeichneten Preßcrzcugnisse vorzubeugen, so soll man doch wenigstens entschiedene Verwahrung dagegen einlegen. Neben den sittlichen Gründen, auf die wir später kommsti werden, sprechen mancherlei praktische Rück sichten für eine Eindämmung dieses schmutzigen Stromes im Buchhandel, nämlich: 1. je mehr schlechte Bücher gedruckt und verbreitet werden, desto weniger kommen die guten Bücher zur Geltung, denn eS ist überall die Art des Unkrautes, daß cs den Weizen überwuchert; 2. die Unmenge der Ankündigungen von verwerflichen Schriften erschwert nicht nur die Uebersicht über die neuen Litteraturerschci- nungen, sondern behindert und verzögert auch die Beförderung wichtiger Schriftstücke und Anzeigen durch die Bestellanstalten; 3. die furchtbare und fruchtbare Reklame, welche mit solcher Schand- litteratur betrieben wird, erweckt bei Unkundigen ganz falsche Vor stellungen über die Absatzfähigkeit von Büchern überhaupt, wie auch über die Thätigkeit und daS Wirken des deutschen Buch handels. Viel wichtiger sind aber die sittlichen Gründe, welche nach unserer Meinung dem Buchhandel die Pflicht aufcrlcgen, sich von der gekenn zeichneten Aftcr-Littcratur mindestens förmlich loszusagen. Zwar kann der einzelne Buchhändler nicht verantwortlich gemacht werden für den Mißbrauch von Gutenbergs Erfindung, welche gewisse Leute, in selbst süchtigem Gclderwerbstrieb auf Lüsternheit und niedrige Begierden spekulierend, verüben. Wohl könnte aber die Gesamtheit der Buchhändler, der deutsche Buchhandel, einer gewissen Mitschuld durch Gcschchcnlasscn ohne Widerspruch geziehen werden, daran, daß seine Ehre und sein Ansehen durch die Flut sittlich-anstößiger Schriften und Bildwerke bloß gestellt wird. Oder sollte das nicht dadurch geschehen, mindestens bei der großen Menge Unkundiger, daß diese After-Litteratur und-Kunst ohne Scheu und Scham ausgeboten und feilgeboten wird und in den Schauienstern von Buchhandlungen und Pseudo-Buchhandlungen paradiert?
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