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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.07.1929
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- 1929-07-16
- Erscheinungsdatum
- 16.07.1929
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Ihandel an dem Verhalten Bücher verkaufender Papierhändler zu messen. Es sind da eben Meinungs w a n d l u n ge n der Zeit, die sich offenbar nicht so leicht überwinden ließen. Es lief nicht mehr wie vor dem Krieg, wo der Leser die Autoren, die er kaufen wollte, genau kannte und sich ergänzend von seinen Zeitschriften führen ließ. Es zeigt sich andererseits auch für diese schwierige Zeit, daß das wertvolle Buch nach wie vor einen regelmäßig sicheren kleinen Absatz auch über das Er scheinungsjahr hinaus erzielt. Als Erfahrung aus diesem über blick fasse ich zusammen, daß es in der ersten Zwischenperiode 1819 bis etwa 1922 sehr stark auf die Empfehlung der Verkäu fer ankam — ein einzelner Kulturbuchhändler wie Lanzcnberger in Hamburg hat beispielsweise nicht weniger als 100 Exemplare des ersten Märchenbandes verkauft, während drei, vier andere Buchhändler seines Umsatzes vielleicht je zwei bis drei Stück verkauften. Damals ließ sich der Käufer beeinflussen. In der Periode der neuen Sachlichkeit, die 1924 begann und langsam abzuklingen scheint, kaufte jeder Leser nach seinem eigenen Kopf, da konnte auch Lanzenberger nicht Helsen. Seit Herbst 1928 ungefähr hat sich das nun, wenn meine Freunde und ich recht beobachten, Plötzlich wieder zu ändern begonnen. Und damit komme ich zu meiner letzten Betrachtung, nämlich zur Lage des ^Buchhandels im gegenwärtigen Augenblick vom Dichter aus »gesehen. I Sie alle werden empfunden haben, meine Herren, daß j Mitte letzten Jahres gegenüber den stark propagierten.Erzcug- ! nisscn bestimmter snobistischer literarischer Kreise zum ersten Mal eine Reaktion einsetzte, daß der Leser sich Plötzlich lang weilte, unsicher wurde, wechseln wollte, und den Buchhändler stärker als vorher um Rat zu fragen begann. Ich glaube, daß diese Entwicklung sich erst im Anfang befindet, daß nach der Er müdung gegen bestimmte Erscheinungen schwacher oder exzentri scher Nachkricgsliteratur, nach dem Plötzlichen Mißtrauen gegen unverantwortliche Lobhudelei auch der kümmerlichsten Neu erscheinungen plötzlich beim Käufer das Bedürfnis nach neuem Kontakt mit seinem Buchhändler eintritt, ein neues Bedürfnis nach Vertrauensberatung, die, wenn meine Prognose richtig ist, bis zur Bildung eines neuen Verhält nisses zwischen Lesergemeinde und Autor die nächsten Jahre beherrschen wird. Mit anderen Worten, Ihr Beruf, meine Herren, steht plötz lich doppelt stark im Vordergrund unserer Anteilnahme, Ihr Beruf hat, wenn nicht alles täuscht, nach Jahrzehnten sehr selb ständigen Lesertums und sehr eigenwilliger Leitung durch die Presse, Jahre vor sich, in denen er, vielleicht entscheidend, dem Markt des guten Buches bestimmt — von Sensationsecscheinun- gen wie der augenblicklich vorherrschenden Kriegsliteratur, die immer vorübergehend aufspringen werden, sehe ich hierbei ab. Kurz, ich habe das Empfinden, daß der Leser an der Presse und an sich selbst etwas ratlos geworden ist, daß er sich aber, von Sportübermaß und Essayismus abstrcbend, sehr Wohl einen > neuen Kreis ihm zusagender wesentlicher Autoren schaffen möchte > und sich zunächst einmal wieder an den Buchhandel wendet. Das ergibt, daß der Absatz unserer Bücher auf die nächsten vier, fünf Jahre hinaus von keinem Faktor so stark abhängig ist wie vom guten oder schlechten Mut, vom Einsatz des Buchhändlers bei seiner Empfehlung an den Kunden. Für uns Dichter ist die Zeit von 1920 wiedergekehrt, wo der eine Buchhändler 100 Stück der Märchen verkauft, ein anderer drei Stück, je nach der Ein stellung des Verkäufers — natürlich kommt die Art des Kunden kreises hinzu, bei meinem Schulbeispiel war er aber durchaus nicht sehr verschieden. Der Dichter wird also als seine Meinung bekennen, daß der Buchhändler in den nächsten Jahren eine größere Verantwor tung als seit vielen Jahrzehnten trägt, er glaubt auch, daß -der Buchhändler diese Verantwortung freudig übernimmt, er hofft, mehr noch, daß diese Last, die auf dem Buchhandel ruht, zu einem überraschenden neuen Erfolg für das gute Buch führen wird. Wir wissen dabei genau, meine Herren, daß der Buchhandel neben seinen ideellen Ausgaben, von denen er stärker als die meisten Berufszwcige von heute durchdrungen ist, er ein Wirt schaftsfaktor wie andere ist, daß er Sorgen, viele Sorgen hat, daß die Gehälter der Angestellten, die Verlagsrechnungen, die hohen Zinssätze schwer auf ihm, wie auf vielen Berufen, lasten. Aber ich glaube, daß er nach dieser im Kentern begriffenen Zeit auch einer neuen Sicherheit der -wirtschaftlichen Fundierung gerade über das gute Buch cntgegensieht. Und ich darf in der Hoffnung, daß die neue Einstellung auch für uns fruchtbar werde, auf weitsichtige Vorbereitung dieses Wandels andringen. Drei Einzelwünsche darf ich dabei für den Übergang aufzählen, um die wir bitten, die Sie aber, wie ich oft merkte, selbst bereits, ins Auge faßten. Erstens: Sie haben den Leser stärker als früher in Händen, vermeiden Sie also die Novitätenjagd der letzten Jahre, ver suchen Sie, das gute Buch, auch wenn es einige Jahre alt ist, wieder in den Vordergrund zu stellen, es beginnt sich wieder zu lohnen. Lehnen Sie rücksichtslos das mittelmäßige und schlechte Auslandbuch ab, das Ihnen gewisse Verleger immer noch anzu preisen wagen. Es ist nicht wahr, daß wir in Deutschland keine gute und zugleich gängige Literatur hätten, wir haben ihrer fast überreichlich, vielleicht verwirrend reichlich. Endlich und das gilt für den niedersächsischen Buchhändler: pflegen Sie nicht allein die gängigen Essayisten, nicht nur das flächige ältere Heimatschrifttum. Die Zeit ist günstig, auch die Kriegs- und Nachkricgsgeneration, die bisher in Ihrem Absatz ausgefallen ist, Ihren Lesern vorzuführen. überwinden Sie -damit die Nivellierungstendenz, die sich bei einigen Berlagsgruppen geltend macht, wie auch die gegen seitigen Lobpreisungen kleiner Klüngler und Gruppen, die mit bleibenden Buchwerten nichts zu tun haben. Wir haben Vertrauen zu Ihnen, wir haben besonderes Vertrauen in den Nachwuchs Ihres Berufs, für den die Diedc- richsschcn Kurse Ausgezeichnetes leisten. Wir wissen zumal, was eigentlich kaum erwähnt zu werden braucht, daß Sie auch weiter hin, trotz der gemeinsamen Enttäuschungen der letzten vier Jahre, Ihre Aufgabe immer als Mission an der guten deutschen Literatur betrachten werden, wie es die Überlieferung Ihres Berufs ist. Haben Sie mit uns Vertrauen in -die kenternde Tide, in die erwachende Landschaft, in unser Volk, das sehr jung ist und seine großen literarischen Epochen erst vor sich hat. Kämp fen Sie mit uns gegen die Trägheit des Herzens, helfen Sic mit an der Verwandlung des Menschen durch die Phantasie —um ein Wort Goethes zu gebrauchen —, wie es Ihre und unsere ewige Aufgabe ist. * Kritik am Buchhandel. Von Oberstudiendirektor vr. Brill. Als Laie, als Wissenschaftler und als Beamter möchte ich zu Ihnen, meine Damen und Herren, sprechen. Zu Ihnen, die Sie in seltener Zusammenstellung beieinander sind als Autoren, Verleger, Sortimenter, Käufer. Immer hat es eine Spannung gegeben zwischen Geist und Wirtschaft, zwischen dem, was der Mensch zu seiner einfachen Erhaltung des Körperlichen braucht, zwischen den Früchten, die er daraus durch Arbeit zeitigt und zwischen den Aufgaben und Früchten, die rein geistige Arbeit schafft. Bereits das Mittelalter kennt diesen Zustand; cs entfaltet ihn sozial in Nähr-, Wehr- und Lehrstand und den entsprechen den Berufen. Händler — auch Buch- und Handschriftenhändler —, Kaufleute einscits, Priester, Lehrer, Arzte andrerseits. Doch fehlt die ungeheure Wucht, mit der das Zeitalter der Maschine Einzelprodüktion und geistige freie Arbeit bedrängt und umspült. Heute ist die Mechanisierung und Rationalisierung so stark geworden, daß fast alle Beschäftigungen, Berufe und reines Beamtentum ihr völlig erliegen. Nur einzelne Gattungen bleiben, die nicht gänz lich ersaßt werden, wenn sie nicht ihres Wesens Kern verlieren sollen: der Pfarrer, Lehrer, Arzt auf der einen Seite, der Ver- 773
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