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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.07.1929
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- 1929-07-16
- Erscheinungsdatum
- 16.07.1929
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Ich komme nun zu dem, was wesentlich schwieriger zu er zählen ist, weil man das eigene Wirken einbeziehen muß: zu den Persönlichen Erfahrungen mit dem Buchhandel, die Sie von mir zu wissen verlangten. Einflechten möchte ich hier, daß ich nachträglich aus dem Programm ersah, Sie wünschten auch von meinen Erfahrungeti mit Verlegern zu wissen. Meine Herren, über alte Erfahrungen brauche ich an dieser Stelle nicht zu reden, sie liegen zu weit zurück. Um 1920 ging ich zu Georg Müller und kann über die Jahre gemeinsamer Arbeit nicht klagen. Seit 1923 bin ich mit den wesentlichen Arbeiten bei Eugen Diederichs — wie soll man über diese einzigartige Gestalt, wohl die größte der deutschen Verlagsgeschichte, noch Worte verlieren? Gewiß, man knurrt im Alltag als Autor einmal hier, man knurrt einmal da, aber im ganzen, das muß ich sagen, habe ich, der ich als Niedersachse mich gern einmal anlege, noch nicht den rechten Grund gefunden. Man verträgt sich wie in einer guten Ehe zuletzt über alles, wenn jeder auch seinen eigenen Willen hat. Kurz, und um ernst zu reden, ich bin Eugen Diederichs, mit dem und mit dessen Frau enge freundschaftliche Bande mich verbinden, von Herzen zugetan und kann und darf nur in Dank und Verehrung von ihm und seinen Mitarbeitern sprechen. Zu einer Kritik an mei nem Verlag bin ich also, ein seltener Fall unter den Autoren, untauglich. Daß es Diederichs im übrigen wirtschaftlich gut geht, daß er gerade durch die Beschränkung auf wertvolle Bücher, durch Fernhalten von Zeiterscheinungen seinen Verlag gesund er hielt, ist wohl, wenn man es ausspricht, kein Geheimnis. Wenn Ihr Programm also die Frage stellt: Was ich von meinem Verleger verlange, so muß ich antworten: Ich verlange das, was er mir gibt, weil ich das Vertrauen habe, daß es das meiste ist, was er mir geben kann. Beschränken wir unsere Ausführungen auf den Buchhandel. Wenn Sie da nun, meine Herren, eine jener leidenschaftlichen Kritiken am Buchhandel von heute erwarten, wie wir sie zu weilen aus Kreisen der Künstlerschaft vernehmen, so muß ich Sie zum zweiten Mal enttäuschen. Ich behaupte, daß der Buch händler es durchweg wesentlich ernster meint als der Verfasser es durchweg von ihm vermutet, ich behaupte zumal, daß der Nachwuchs rund um die 30er Jahre, über den man viel klagen hörte, zu einem guten Teil vorzüglich ist. Ich glaube viel eher, wie Sie schon am Anfang meiner Ausführungen hör ten, daß wir uns in einer Zeitspanne bewegen, die, als solche für künstlerische Eindrücke wenig empfänglich, schwere Schuld an den schwierigen Verhältnissen auf dem Markt des guten Buches hat, eine Zeit aber, deren baldiges Kentern ich Voraus sage, in deren letzten Auswirkungen wir stehen. Ich will nun, wie es von mir verlangt wurde, an Hand meiner Arbeiten ein Bild dieses -gestern» und ein Wort über das »morgen» geben. Zunächst über das Schicksal der gesammelten Gedichte »Der Wanderer», ein großes, fast 300 Seiten starkes Buch, das 1924 erschien. 1924, ein Jahr nach der Inflation, war ungefähr der Tiefstand des Lyrikabsatzes, der sich auch bis etwa Herbst 1928 kaum gehoben hat. Ich bin deshalb fast neugierig, wer die 300 Exemplare des Buches gekauft, die Georg Müller davon ab gesetzt hat. Aber ich hoffe, die Ziffer dereinst als Kuriosum der Zeit erwähnen zu können und habe den Eindruck, daß wir schon in diesem Herbst eine deutliche Neuhinwendung zur Lyrik erfah ren. Meine Herren, ich habe das untrüglich« Zeichen an dem plötzlichen Verlangen der Zeitschriften und selbst der Tages zeitungen, die zu meiner größten Überraschung und gleichzeitig nach neuen Gedichten fragen — nicht aus Liebe zu mir, sondern weil ihre Leser darnach fragen. Und ich hoffe also, daß der zweite Sammelband mit den amerikanischen Gedichten, den Müller oder Diederichs in zwei oder drei oder vier Jahren her ausbringen wird, bereits das Vielfache obiger Auflageziffer erreicht. Ausdrücklich spreche ich in diesem Fall den Buchhändler von jeder Schuld frei, denn ich vermute, daß von den bei Georg Müller abgesetzten 300 Exemplaren sich wahrscheinlich noch ein Viertel in Ihren Händen befindet. 772 Die Trilogie aus der Geschichte Niede: sachsens, »Das wer»' dende Volk», die bei Georg Müller erschien, zeigt sodann in gaiiz auffallender Weise den großen Stimmungswechsel, der zwischen 1922 und 1924 liegt, den Übergang von der großen nachschwingenden Hingabe der Kriegsgeneration, die sich zu nächst noch an großen Themen begeisterte, zum Umschlag in die neue Sachlichkeit, der beim Leser etwa um 1924 eintrat. Wäh rend der »Hein Hoher», das erste Buch der Trilogie, noch nach Absatz der ersten 3000 Stück weit bis zur Mitte der zweiten Auflage verkauft wurde, hat der ander« Teil, »Berend Fock», der künstlerisch sicher der beste war, heute die ersten 3000 noch nicht erreicht. »Stelling Rotkinnsohn» aber, der am stärksten ver innerlichte dritte Teil der Trilogie, der gewiß zu anderer Zeit die größte Auslage erbracht hätte, ist, wenn ich recht im Bilde bin, nach dem ersten Tausend stecken geblieben. Das sind die drei Ziffern der Bücher, die nach einer Aufstellung der Biblio graphen in jenen Jahren am zehntmeisten besprochen wurden. Allerdings waren die Besprechungen, die immer auf den hohen literarischen Wert und auf den besinnlichen Inhalt hinwiesen, zum Schluß der Ausgabe für den Absatz wohl eher abträglich als fördernd. Ich will mich beeilen: von den drei urgeschichtlichen. Büchern haben die zwei eigentlichen Sagen, die in die BronceT zeit fallende Geschichte des fliegenden Wielands und die Gel schichte aus der Steinzeit -Kampf der Gestirne» je anderthalb^ tausend Stück erreicht, der im letzten Jahre herausgekommene^ dritte Teil »Gewalt über das Feuer», über den in der Presse-, kritik vielfach gesagt wurde, daß er so leicht sei, daß auch die reifere Jugend ihn lesen könne, hat dann sofort wesentlich Höher angezogen. In allen drei Fällen indes sinh die Auflagen schon des Motivs halber nicht hoch. Als Kuriosum erwähne ich, haß die Wielandsagc zunächst bei Georg Müller erschien, dort einen Absatz von 500 Stück erzielte, stecken blieb, danach, von Eugen Diederichs übernommen, wieder genau 500 Stück Absatz er brachte, um sich dann auf den bei meinen Büchern ständig weitergehcnden kleinen, sicheren und gleichmäßigen Absatz je einiger hundert Stück von Jahr zu Jahr zu beschränken. Offen bar hat also jeder der beiden Berlage einen festen Mindestabsatz, der in zwei ganz verschiedenen Lagern steht. Endlich komme ich zu den Märchen der Niederelbe, von denen der erste Band »Von Klabautern und Rullerpuckern», noch in der Zeit der Jugendbewegung herausgekommen, bald vergriffen war, worauf Eugen Diederichs die zweite Auflage druckte, die wieder nach der ersten Hälfte liegen blieb — immer bis auf den kleinen aber sicheren Absatz, nach dem zu urteilen er den Rest in 7—8 Jahren verkauft haben wird. Der zweite Band der Märchen indes, »Von klugen Frauen und Füchsen», der in die Sachlichkeitsperiode fiel, hat sofort mit einem schwachen Ab satz eingesetzt. Wenn meine Vorahnungen richtig sind, wird der dritte Band, der Wohl erst im übernächsten Jahr, 1931, er^ scheinen wird, schon im Beginn einer an Legenden, Sagen un Märchen neu interessierten Periode liegen. Wir alle wollel hoffen, daß dem Löwenverlag sein Wagemut vergolten wird. Schließlich hat die Arbeit aus der südamerikanischen deut-- scheu Siedlerwelt, »Die Weibsmühle», 1927 erschienen, natür lich sofort einen starken Absatz gefunden, -und Verleger und Autor vermuten nach den vorliegenden Anfragen, daß das in diesem Herbst erscheinende zweite Buch der auslanddeutschen Romane, »Land der Vulkane-, das die deutschen Großpflanzer in den Kordilleren, so wie ich sie sah, als Umwelt zeichnet, gleich in einer hohen Auflage herausgebracht werden kann. Hoffent lich gilt das auch für die große Arbeit, an der ich vor Jahres frist begann, beschäftigt bin, die noch ein Jahr beanspruchen wird und die ein Schicksal in deutscher Landschaft von 1910 bis 1928 chronikartig zeichnet. Meine Herren, ich habe so ausführlich über meine eigenen Erfahrungen sprechen müssen, weil die Zeitströmungen im Ab satz ungewöhnlich stark in Erscheinung traten und ich zu lange Richter war und zu wenig Parteimann bin, um den Buch-
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