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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.02.1931
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- 1931-02-10
- Erscheinungsdatum
- 10.02.1931
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34, 10. Februar 1931. Rodaktioneller Teil. gepaßt und spiegelt etwa die Differenzierung der Literatur die Diffe renzierung in der Leserinnenwelt wider? Welche Aufgaben melden sich für die Zukunft an? Ist sich die Frauenwelt der Lage und ihrer Erfordernisse überhaupt schon bewußt?« — Das waren unge fähr die Fragen, die Herr Prof. vr. Menz in diesem Zusammenhänge zur Aussprache stellte. Es war beabsichtigt, vier Referenten aus verschiedenen Berufs kreisen und von verschiedener praktischer und theoretischer Einsicht in der Richtung dieser Fragen zum Thema des Abends sprechen zu lassen. Als erster ergriff Herr Walter H o f m a n n, der Direktor der Städtischen Bücherhallen in Leipzig, das Wort. Herr Direktor Hofmann gab seine Antwort nicht als Meinung, sondern als das Resultat von Erfahrungen, die in ihren Grund- tatsachcn verallgemeinert werden können. Darnach unterscheiden Mann und Frau in ihrem Verhältnis zum Buch sich auch heute noch ganz außerordentlich stark. Dieser Gegensatz zwischen Mann und Frau ist verschieden je nach dem soziologischen Ort, an dem man ver gleicht. Er verschärft sich bei den sozial und biologisch jungen Grup pen, d. h. also z. B. vor allem beim jugendlichen und beim prole tarischen Leser. Und hier sind wieder innerhalb der Frauenwelt bemerkenswerte Unterschiede. Es ist dabei aber zu beachten, daß diese Unterschiede hauptsächlich auf das Konto der intcllcktualisierten Frau kommen.. Die proletarische Hausfrau und die bürgerliche Hausfrau von durchschnittlichem Bildungsstande unterscheiden sich nämlich in ihrer Grundhaltung zum Buche überhaupt kaum. Die typischen frauenhaften Interessen sind in beiden Fällen gleich: Ablehnung des Abstrakten, Bedürfnis nach phantasiemäßiger Erweiterung des Le bensraumes, nach dem Anschaulichen und Lebendigen. In dieser Weise äußert die Frau z. B. ein geringes Interesse an Sachgeschichte, aber ein großes Interesse an Personengeschichte (Biographien!). Innerhalb dieser Interessen für das Konkrete und Erlebte ist überall eine große Ichbezogenheit zu spüren. Damit hatte Direktor Hofmann aus der großen Fülle des Bei zutragenden einige wichtigste Punkte herausgehoben. Sie lagen in der Richtung der Frage nach der heutigen Differenzierung der weiblichen Leserschaft. Von einer gauz anderen Seite kam der zweite Referent des Abends, Frau vr. Irmgard Liebster, Leiterin der Serviorschen höheren Mädchenschule in Leipzig. Sie berichtete in fesselnder Weise aus ihrer praktischen literarisch-sozialen Arbeit an den Frauen der oberen Schichten, die von der Fragestellung ausgeht: Wie kann man die Frauen dieser Gesellschaftskreise an die wertvolle Literatur heran- fllhren? Hier liegt zweifellos eine ganz wichtige Aufgabe der Lite raturführung und Buchberatung vor, die praktisch sonst durchaus im Hintergrund steht. Es handelt sich dabei nicht um die berufstätige Frau, wohl aber um die Frauen jener schmalen Gesellschaftskreise, die, wie die Neferentin betonte, heute noch in her Lage sind, dieses oder jenes gute Buch regelmäßig zu kaufen. Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß diese Frauen der gebildeten Schichten literarische Beratung und Führung nicht notwendig hätten. Dabei beschränke sich die Aufgabe nicht durch das Alter, sondern richte sich an das junge Mädchen (die Sekundanerin und Primanerin) ebenso wie an die ältere Frau. Für diese Frau ist das Buch die Offenbarung des Lebens, das an ihr vorübergehen könnte. Die gebildete bürgerliche Frau werde weitgehend von dem Empfinden beherrscht, das; das Leben draußen sei, sie selbst aber eingeschlossen in ihren engeren häuslichen und familiären Wirkungsbereich. Diese Frau sucht besonders die Führung zum neuen Buche. Wolle man in dieser Situation, die Hilfe dringend erheische, praktisch arbeiten, dann dürfe man nicht vom einzelnen Buch ausgehen, sondern müsse eine gegenwärtige Problemstellung, einen Sammelbegriff zum Ausgangspunkt nehmen. Es heiße zwar: Durch das Buch zum Leben-, hier gelte aber richtiger: vom Leben zum Buche hin! Die Bereitwilligkeit der Frauen dieser Gesellschaftskreise, so führte Frau vr. Liebster weiter aus, sei sehr groß. Denn sie brauchen Orientierung, es komme hier aus den Weg zum Buche an. Der gedruckte Katalog versage, er sei zu unpersön lich. Führer sei immer besser ein Mensch als ein Buch. Frau vr. Liebster erläuterte dann noch aus der eigenen praktischen Arbeit in Vorträgen und literarischen- Zirkeln die Behandlung des Mode- buchcs und des einzelnen wertvollen Buches. Besonders bei diesem liege viel Stoff für Diskussionen vor, in denen das Interesse erregt und das Verständnis gesteigert werden könne. Frau vr. Liebster betonte die guten Erfolge ihrer Arbeit in der Richtung zur Erziehung zum Besitz des Buches. Aus der Erfahrung ihrer sozialpädagogischen Arbeit sprach als dann Frau vr. M a n h e i m - V i t t e r s, Leipzig, über die er- werbs- bzw. berufstätige Frau, vor allem des Mittelstandes und der Arbeiterschaft. Sie zeigte zunächst die besondere Situation- der außer häuslich erwerbstätige^ Frau in der Krise der Bildung und der 116 Familie auf. Die Arbeitswelt der Frau war früher die Familie mit einem klar umgrenzten Kreis persönlich miteinander verbundener Menschen. Diese Familie war Trägerin der Bildung. Dies änderte sich aber in dem Maße, in dem die Familie aushörte, eine geschlossene autarke Lebenswelt zu sein. Die Bildung gruppierte sich um andere Lebensbereiche. Die Frau rückt dabei immer stärker in die Arbeits und Berufswelt ein, die heute den Menschen mit am stärksten formt. Das Besondere an der Lage der Frau ist dabei aber, daß sie im Gegensatz zum Manne mit dem einen Bein im- Erwerbsleben, mit dem anderen aber noch im Hause steht. Sie wird von mehreren Schichten des menschlichen Lebens fast gleich stark angesprochen. Daraus ergeben sich ihre vielseitigen Interessen: Die Berührung mit den Problemen des sozialen Lebens, des Rechts, der Wirtschaft und der Politik durch das Erwerbsleben; die Sorge um das Haus und die Wirtschaftsführung, und drittens die aus den persönlichen Be ziehungen zu Mann und Kindern erwachsenden Interessen als Frau, Mutter und Erzieherin. So sind die Leseinteressen der Frau dieser Schichten vielseitig, wie ihre gesellschaftliche Stellung im Gegensatz zu der bürgerlichen Frau der gehobenen Schichten zwiespältig und uneinheitlich ist. Bei der Frage, welche Lesestoffe dieser Lage ent sprechen, muß neben dem Buch sehr die Zeitung und die Zeitschrift als ganz bevorzugte Vermittlerin beachtet werden. Die Neferentin umriß dann im einzelnen die stofflichen Interessengruppierungen und stellte dabei fest, daß besonders die Gegenwartswissenschaft noch keinen Niederschlag in volkstümlichen Büchern gefunden habe. Es fehlen die von Fachleuten geschriebenen einfachen, klaren, konkreten, kurzen Einführungen in die Fragen der Wirtschaft, des Berufes, des Hauses usw. Die Frau der erwähnten Schichten bringt geringere bildungsgemäße Voraussetzungen mit, sie hat keine Fähigkeit zum Thesenhaften und Abstrakten. Sie will Anschaulichkeit in Stil und Darstellung. Frau vr. Manheim-Vitters wies darauf hin, daß weite Kreise dieser Frauen in der Flut des Lesestoffes beraten werden von wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und weltanschaulichen Or ganisationen. Hier spielen die schon erwähnten Zeitschriften eine große Rolle. Doch sind die Literaturangaben und Beratungen in diesen Blättern noch sehr ausbaufähig. Für die Frauen, die durch diese organisatorische Arbeit nicht erfaßt werden, sollten Literatur- sührer über die schon näher gekennzeichneten Stoffgebiete zusammcn- gestellt werden, die nicht nur Literatur anzeigen, sondern auch zu ihr und in ihr führen. Als letzter Diskussionsredner ergriff Herr vr. Cornelius Bergmann, Lektor des Eugen Diederichs-Verlages in Jena das Wort. Er gab eine überaus interessante Ergänzung zu all dem, was grundsätzlich von den anderen Rednern ausgeführt worden war. Denn vr. Bergmann ging nicht von der Frau als Leserin, sondern von der gestaltenden, schöpferischen Frau, von der Schriftstellerin aus. Die Schriftstellerin ist ja denselben zeitbedingten Fragen ver haftet wie die lesende und weitergebende Frau, nur daß sie die Ge danken zu Ende denkt, die im Lebensraum der lesenden Frau unbe wußt lebendig oder unklar bleiben. Von dieser Seite aus also ge sehen ist erkennbar, daß die Frau heute nicht mehr das feste Ziel vor sich hat, das sie noch vor einem Menschenalter im Ringen um die gesetzliche Gleichstellung der Geschlechter besaß. Die Zeit von 1914 bis 1924 ist ihr hier entgegengekommen und hat sie fast über raschend vor die Tatsache der Verselbständigung in Beruf und Lebens führung gestellt. Die Fragen des Erwerbs, des Berufs, des geisti gen Erfülltseins, der Eigenverantwortlichkeit und damit auch alle Konfliktstoffe sind schneller uns auf anderen Wegen in das Leben der Frau eingebrochen, als es der älteren Generation vorschwebte. Auf dieser Ebene erheben sich heute die Fragen, die die Frau als Schriftstellerin- bewegen. Herr vr. Bergmann zog zahlreiche Neu erscheinungen der letzten Jahre zur Erläuterung heran und berichtete dabei auch aus den Erfahrungen des Preisausschreibens des Eugen Diederichs-Verlages, bei dem rund 30 Prozent der eingesandten 432 Manuskripte von Frauen stammten. Für die konkreten Leseinteressen der Frau der Gegenwart leitet vr. Bergmann die Feststellung ab, daß die Bildungsfragen im engeren Sinne gegen- die Fragen der Lebensgestaltung weit zurückgetreten sind. Die Frau geht nicht mehr auf ein bestimmtes Bildungsziel aus, sie will sich vielmehr am ob jektiven Gehalt des Bildungsgutes entfalten, steigern und entwickeln. Der Referent schloß mit dem zusammenfasscnden Hinweis auf einen Satz von Helene Lange: »Die Aufgabe der Frau ist es, aus der menschlichen Welt eine Welt zu machen, die das Gepräge der Mütter lichkeit mit der geschaffenen Wirklichkeit des Mannes vereint«. Die Ausführungen der vier Diskussionsredner hatten in kurzer Zeit das Thema in seiner ganzen Vielseitigkeit durchleuchtet. Eine Fülle interessanter Beobachtungen, Feststellungen und Anregungen war gegeben worden. Die Zeit gestattete es nicht, eine Aussprache im einzelnen anzuknüpfen. Herr Prof. vr. Menz hob in seinem Schluß wort einige Hauptpunkte noch einmal besonders hervor. Zunächst
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