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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.02.1930
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- 1930-02-08
- Erscheinungsdatum
- 08.02.1930
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33, 8. Februar 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f.d.Dtschn. Buchhandel. standen werden kann in der ganzen Breite des eigenen Volks wie von denen, die das Deutsche nur als Fremdsprache erlernt haben. Man täusche sich nicht: Wenn wenige bedeutende Wissen schaftler des Auslandes mühevoll deutsche Werke der Wissen schaft lesen, weil sie von der gediegenen Arbeit unserer Gelehr ten wissen, so hilft dies nur wenig zur Weltgeltung. Diese wird nur dadurch erreicht, daß man die Jugend anderer Völker für die Kenntnis deutschen Geisteslebens gewinnt. Jugend aber will in ihrem stürmischen Drang keine Plackerei mit Sprach- schwierigkcitcn, will keine teuren, weil weitschweifigen und um fangreichen Werke. Die aber findet sie in anderen Sprachen besser. Ähnliches, wenn nicht Gleiches gilt vom Roman, der bei uns Deutschen nur zu oft eigenbrötlerisch auch in der Sprache ist und jene Beschwingtheit des Ausdrucks vermissen läßt, der allein unterhaltend wirkt. Lebendige Sprache allein aber kann Weltgeltung bekommen, nicht -Schreibe« wie Eduard Engel sagen würde. Ich fasse zusammen: Man lasse doch ab von der dogmatischen Behandlung unserer Schriftnot. Man fange einmal praktische Arbeit an, indem man in Kleinarbeit die Frakturschrift den heu tigen Erfordernissen entsprechend weiterentwickclt, indem man sich also dem starken Glauben hingibt, das; wir noch nicht am Ende unserer Tage sind, wo alle Entwicklung erstarrt. Man hüte sich vor dogmatischen Zwangslösungcn, wie etwa Beseitigung der Fraktur sie sein würde; der Schaden durch solche Lösungen für unser Volkstum kann auch vom Klügsten nicht ermessen werden. Man unterschätze aber auch nicht die Notwendigkeit, unserem Volk den Weg in die Welt und in der Welt offen zu halten und wiege sich nicht in dem Traum, daß die Antigua bei uns ver schwinden kann, ehe eine diese Forderung erfüllende deutsche Schrift durchgcsctzt ist, die organisch gewachsen ist und nicht — wie die in den Mitteilungen veröffentlichte - allem Schönheits- cmpfindcn, aber auch allen praktischen Erfordernissen Hohn spricht. Man habe Mut zur folgerichtigen Kleinarbeit; eine rasch wirkende Patentlösung gibt es nicht ohne Schädigung unseres Volkstums oder unserer Weltgeltung. Man suche auch nicht auf dem Schlachtfeld der Schriftfrage wertlose Stellungen zu halten, wie dies in der Fibelfragc ver sucht wird - versucht wird mit der sicheren Folge, daß man weit mehr an Gelände verlieren wird, wenn man aus dieser Stellung geworfen wird, statt selbst eine neue Stellung zu beziehen, von der aus man im Angriff den Kampf führen kann, während man sich in der jetzigen Stellung in aufreibender Verteidigung er schöpft. Vor allem aber übertreibe man nicht den Wert der Schrift- fragc, sondern greife tiefer und kämpfe um einen deutschen Sprachstil, der es dem Ausländer möglich macht, auf die Ent schuldigung der Schwcrleserlichkeit der Fraktur zu verzichten. Die deutsche Schrift und das heutige Formproblem. Von Prof. Heinrich Wieynck, Dresden. Gegenwärtig sehen wir in der Architektur und auf allen mit ihr zusammenhängenden Arbeitsgebieten wirtschaftliche Bestrebun gen, die als Standardisierung, Typisierung und Normierung be kannt sind, und ihnen verwandt ist auch das Suchen nach einer Ein heitsschrift. Man hat in der neuzeitlichen Typographie auf die frühantike Schriftform primitiver Meißel- und Griffeltechnik zurück- gcgriffen und alle bestehenden individuellen Schriftformen und damit auch jede logische entwicklungsgeschichtliche Bindung abgelehnt. Großzügigen Jnternationalisierungs-Bestrebungen auf kapitalistisch- wirtschaftlichen und gesellschaftlich-organisatorischen Gebieten ent sprechend, wird eine internationale Schrift von sachlicher, unper sönlicher Prägung, die alte Balken- oder Steinschrift, in den neuesten Umformungen der Schriftgießereien Groteskschrift genannt, propa giert. Daraus ist ersichtlich, daß es heute in der Schriftfrage um etwas anderes geht als nur um die rein deutsche Angelegenheit Fraktur oder Antiqua. Als Freunde der deutschen Schrift dürfen wir uns aber über den Ernst der bestehenden Krise nicht täuschen, sondern müssen nun gegen die geplante internationale Gleichmacherei Front machen. Da ist erstens zu der immer wieder erhobenen Forderung, wissenschaftliche Werke für den Auslandbedarf ausschließlich in Lateinschrift zu drucken, zu sagen, daß sie doch nur der Annahme entspringt, Bücher in deutschen Drucktypen könnten im Ausland nicht gelesen werden. Dem widersprechen aber fast alle objektiven Auslandstimmen und betonen gerade die stärkere Wirkung der in deutschen Typen gedruckten Bücher gegenüber den in lateinischen Typen gedruckten. Ja, das Ausland schätzt und verwendet die gotischen Schriftformen dauernd, nicht nur zur gelegentlichen Aus zeichnung, sondern bewußt und häufig bei Werbedrucken. Damit ist bewiesen, daß es in dieser Frage einzig auf das Verstehen- wollen ankommt. Es würde natürlich von weittragender, auch politischer Bedeutung sein, wenn unsere Vuchproduktion eine ein heitliche deutsche Schrift zeigte, und gelänge es, hierfür einen geeigneten Schriftcharakter zu schaffen, so wäre damit eine starke Ausdrucksmöglichkeit für den so wichtigen Zusammenhang der schick salverbundenen deutschen Kulturgemeinschaft gegeben. Die Zähig keit, mit der die Deutschen bisher- an ihrer Schrift festgehalten und ihre reiche Entwicklung gefördert haben, beruht doch nicht bloß auf einer völkischen Sentimentalität. Sie hat weit tiefere Wurzeln in geschichtlichen Verbundenheiten, und es scheint, als ob der gotische Schriftcharakter mit seinen gestrafften, ausdrucksvollen Formen doch eine gewisse geistige Verwandtschaft zum germanischen Wesen hat. Wie ist nun die gegenwärtige Sachlage? Es ist nicht zu leugnen, daß in der Abkehr von allen histo rischen Schmuckformen und in der Zuwendung zu sachlicher Form gebung ein neuer Zeitwille erkennbar ist, der innere Berechtigung hat. Aber jede reformatorische Idee neigt naturgemäß zur Über treibung und gerade auf dem Gebiete der Schrift ist übertriebene Gleichförmigkeit unzweckmäßig: denn nicht eine Schrift einfachster Formung ist die leserlichste, sondern diejenige, deren unterschiedlich charakteristische Buchstabengestaltung die stärkste Bildkraft für schnelle Gedächtnisaufnahme hat. Durch einwandfreie augen hygienische Experimente ist erwiesen, daß die Fraktur diesen An sprüchen in hohem Maße genügt und alle Lateinfchristcharaktere darin übertrifst. Es ist töricht, von Druckschriftformen zu ver langen, daß sie von der Allgemeinheit auch noch leicht nachzuzeichnen seien. Sie sind nicht dazu, sondern zum Lesen geschaffen und müssen hierfür so vollkommen sein, daß keinerlei störende Empfin dungen uns befallen. Die Groteskschrift mit ihren durchweg gleich mäßigen Balkenstärken bedeutet gegenüber allen anderen Druck schriften mit Haar- und Grundstrichunterscheidung einen unverständ lichen Rückschritt, denn die erfahrungsgemäß gefundene Kontrast wirkung ist ein Vorteil, da die einzelnen Buchstaben prägnant unterschiedene und nicht kongruente Bilder ergeben müssen. Auch aus anderen Gründen können wir eine Normalschrift primitiver Formung mit ihren oft zum Selbstzweck werdenden konstruktiven und destruktiven Einfällen nicht als etwas Erstrebenswertes und Endgültiges ansehen: man denke nur an das große Abwechslungs bedürfnis im Werbewesen. Nicht nur hier ist ein Verzicht auf die ererbten, reicheren Ausdrucksformen in der Schrift unter allen Um ständen Ausdrucksbehinderung, er wiirde nicht zuletzt auch das Ende aller Buchkunst bedeuten. Solange nicht gänzlich veränderte, neu zeitliche Arbeitsmethoden und daraus sich ergebende andere Aus drucksmittel für Schriftvcrständigung uns dazu zwingen, können und brauchen wir von unseren noch allgemein gültigen Schrift formen nicht abzuwcichen. Keines der neuen auf Photochemie be ruhenden Vervielfältigungsverfahrcn, einschließlich der photographi schen Setzmaschine hat bis heute die Gleichmäßigkeit, Schärfe und Schönheit gesetzten Textes erreichen können. Das historische tech nische Rüstzeug aus Gutenbcrgs Werkstatt hat also noch volle Gültig keit. Dagegen mehren sich die Anzeichen, daß das doktrinäre Pro gramm der Konstruktivistcn in der neuen Typographie einschließ lich der Photomontage erschüttert ist. Überall tauchen jetzt Ab wandlungen der bevorzugten Groteskschrift auf, durch Spaltung, Licht- und Schattenlinien wird sie »bereichert«, und sogar die Schablonenschrift für Kistensignierung gilt als salonfähig. Man greift ferner, wenn auch etwas verschämt, auf die reliefierten und musterten Lateinschriften des frühen 19. Jahrhunderts zurück und macht so auch eine alte Lateintype, die unter dem Namen »Egyp- ticnne« lange bekannt ist, zur letzten Neuheit. Darüber wird mit Recht in den »Typographischen Mitteilungen« geklagt und wehmütig gefragt: muß es sein? Nnri, es muß gewiß nicht sein, aber solch rückläufige Einstellung zum Problem war zu erwarten, schon nach der unbeirrbaren Gesetzmäßigkeit modischen Formwandels, der ja 139
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