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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.10.1885
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 30.10.1885
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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5354 Sprechsaal. 252, 30. Oktober 1885. Sprechsaal. Zur Frage der Zcitschristcn-Lcsczirkrl. Veranlaßt durch den Aufsatz des Herrn Carl Rocco in Bremen (Börsenbl. Nr. 223) habe ich mich der Mühe unterzogen, bei meinen Abon nenten (d. h. kaufenden Abnehmern neuer Exem- sie dieselbe ansammeln und jahrgangweise auf bewahren. Das Ergebnis übertrifft selbst meine Annahme. Mit Ausnahme des Bescheides einer Dame, welche die Gartenlaube früher in^ganzen gängen — meist eingebunden — aufbewahre. Mehrere der betreffenden Kunden fügten noch die Bemerkung hinzu, daß ihre Bekannten das selbe thäten. Ein Abonnent gab mir ausdrück lich die Versicherung, daher überall in Deutsch land denselben Brauch gefunden habe. Mein Herr Gegner glaubt, diejenigen Lieb haber vollständiger Zeitschriften - Jahrgänge, welche der Wirklichkeit angehören (siel), kämen heutzutage auch gewöhnlich nicht den diesbezügliche Behauptung (Börsenblatt Nr. 211) »ein wenig bei den Haaren herbeigezogen«. Auch? Also doch wohl ebenso wie die von ihm im vorhergehenden Satz kurzweg abgethane? Sie betrifft die Lese-Gesellschaften. Ob man berechtigt (oder vielleicht verpflichtet) ist, ihr Vorhandensein bei Erörterung der Lese zirkel-Frage in Betracht zu ziehen, dürste sich aus Folgendem ergeben. Ich kenne eine Lesegesellschaft, die sich le diglich auf belletristische Littcratur beschränkt, fast das gesamte bessere Publikum der betreffen den Stadt und ihrer Umgegend zu ihren Teil nehmern zählt, und, weil sie zu gunsten einer milden Stiftung, ganz besonders aber auch eines jährlich stattfindenden opulenten Diners der Mit glieder wirkt, in der Ausnutzung der einzelnen Zeitschriften beinahe Unglaubliches leistet. Die Teilnehmer rangieren in der Reihenfolge der Zeitschriften nach der Anciennität ihrer Mit gliedschaft, und so kommt es, daß Leute, die schon Jahre lang sich glücklich schätzen, der Lese gesellschaft anzugehören, dann noch z. B. Webers Jllustr. Zeitung nach drei Vierteljahren erhalten. In Leipzig ist mir das Bestehen zweier belletristischer Zeitschriften - Lesezirkel bekannt, deren Leitung die Teilnehmer selbst bewirken. Der eine besteht aus Postbeamten, der andere aus Beamten der Allgemeinen Deutschen Kre ditanstalt. Von dem Vorhandensein dieser Lese gesellschaften weiß ich nur zufällig durch ein zelne der betreffenden Beamten, die jetzt in Wenn nun schon, wie in den hier ange führten Fällen, in Städten, wo durch Buch handlungen Lesezirkel betrieben werden, das Publikum gleichwohl Vereinigungen zu billiger leihweiser Beschaffung der Zeitschriftenlektüre bildet, so dürste ein Schluß auf die Folgen der Eindämmung buchhändlerischer Lesezirkel un schwer zu ziehen sein. Datz sich in Städten und selbst in Dörfern, deren Bewohnern die Benutzung solcher Leihaustalten nicht geboten ist, naturgemäß Lesegesellschafteu gebildet haben, wird wohl auch Herr Rocco nicht bestreiten. Und bietet nicht überall die Art, wie politische Tagesblätter Verbreitung finden, die in den Familie, sondern von mehreren Hausnachbarn zusammen gehalten werden, Gelegenheit zu be obachten, wie das Publikum sich durch Selbst hilfe die Lektüre auf dem Wege des leihweisen Austausches billig macht? Von fach wissenschaftlichen Lesezirkeln habe ich überhaupt in meinem ersten Aufsatz nicht gesprochen; sowohl Herr Pfeilstücker in seiner ersten Anregung zur Erörterung unserer Streitfrage, wie ich in meiner Replik haben nur den belletristischen Lesezirkel im Sinne gehabt;*) aber ich will heute an dieser Stelle die Bemerkung einschalten, daß es sehr viele Privat-Lesevereine, ganz besonders für theo logische und pädagogische Littcratur giebt, deren Existenz meine allgemeine Behauptung über die ersteren nur bestätigen kann. Herr Rocco hat auch gegen die Lesezirkel ein Argument geltend gemacht, das schon von den Gegnern der Leihbibliotheken mit Vorliebe ausgebeutet worden ist: die Möglichkeit der Übertragung von Krankheitsstoffen durch die Zeitschriftenhefte. Nun, ich denke, auch das neue Exemplar ist zu seiner Fertigstellung schon durch so viele Hände gegangen, daß selbst ein solches mit schädlichen Stoffen inficiert sein kann; und daun giebt es doch im täglichen Leben hunderterlei andere Dinge, die aus einer Hand in die andere übergehen und ebenso Krank heitsträger sein können, wie die Zeitschriften. Man denke nur an die Geldmünzen. Und Herr Rocco zieht doch gewiß nicht jedesmal Glace handschuhe an, wenn er in den Geldbeutel greift. »Es ist sonnenklar«, sagt ferner Herr Rocco, »daß das Verleihen von Dingen irgend welcher Art den Verkauf dieser selben Dinge reducieren muß.« Läßt sich dieser Satz überhaupt be weisen, so gilt er sicher nicht für alle Dinge. Wenn sich ein Mann, der in seiner Jugend z. B. auf der Universität Gelegenheit hatte, die edle Reitkunst zu erlernen, in späteren Jahren den Luxus gestattet, aus einem Mietroß spa zieren zu reiten, so wird man doch nicht den Schluß ziehen können, derselbe Mann hätte ein Pferd gekauft, wenn es keine Mietrosse ge geben hätte. Wie in diesem Beispiele, so glaube ich, daß in vielen anderen Fällen und ganz speziell hinsichtlich der belletristischen Zeitschriften die Gelegenheit zu leihen lediglich die Benutzung des Gegenstandes verallgemeinert. Oder glaubt Herr Rocco, daß eine Familie, die im Lesezirkel auf acht oder mehr Zeitschriften abonniert ist, ohne dessen Existenz auch dieselbe Anzahl käuf lich halten würde? Weil das wohlfeilste Abon nement im Lesezirkel wohl überall teurer ist als eine der populären belletristischen Zeitschriften, glaube ich vielmehr, daß das Publikum durch denselben angeregt wird, einen höheren Betrag als sonst für Lektüre auszugeben. Wenn Herr Rocco aber im gegebenen Falle recht hätte, daß das Ausleihen eines Dinges den Verkauf desselben beeinträchtige, so könnte der belletristische Zeitschriften-Lesezirkel doch immer nur den Verkauf belletri st isch ^Zeit schriften schädigen. Wenn der Inhalt dieser ein solcher ist, daß er den Besitz irgend einer Buchlitteratur entbehrlich macht, so ist das doch nicht eine Konkurrenz zwischen dem Inhaber *) Denn auch an solchen nehmen bekannt lich Juristen, Mediciner, Theologen, Philologen und Leute anderer Stände teil, die eine mehr oder weniger entwickelte Fachlitteratur besitzen. eines Lesezirkels und dem Buchverleger, sondern vielmehr zwischen dem letzteren und dem Zeit- fchriftenverleger. Herr Rocco erwartet zuversichtlich, daß sich unter den 15—25 Abonnenten, die der Lesezirkel mit einem Exemplare einer Zeitschrift befriedigt, doch sicher wenigstens ein kaufender Abnehmer finden würde. Angenommen, daß das bei wohl seilen Zeitschriften wirklich so sein würde — hinsichtlich der teureren kann ich nur bestätigen, daß die Angaben im Börsenblatt 229, deren Anonymität auch ich bedauere, mit meinen Er fahrungen übereinstimmen —; wer bürgt dafür, daß nicht die Käufer durch leihweisen Austausch der Blätter an andere Personen den Endzweck einer Maßnahme gegen die Lesezirkel vereiteln? Auch aus meiner Bemerkung, daß der Lesezirkel bei vieler Mühe nur kargen Gewinn bringt, schlägt Herr Rocco Kapital für sein Oetsrum esnosc». Nun, mühelos ist der Beruf des Sortimentsbuchhändlers überhaupt nicht; mühevoll ist sicher auch die als Ersatz vorge schlagene Verwendung für neue Zeitschriften, deren Kontinuationen zu erhöhen und zu er halten jener ohnehin stets bemüht ist. Ob aber der Gewinn, den diese nach Abzug aller Spesen an Kommifsionsgebühren, Fracht oder Porto, entsprechendem Anteil am Gehalt des Personals, an Miete, Heizung und Beleutung u. s. w. einbringen können, ein solcher ist, daß man um ihretwillen den Lesezirkel über Bord werfen soll, diese Frage ist wohl der Prüfung wert. Sortimenter, die nicht so glücklich sind, einen »Vetter aus Bremen« zu besitzen oder andere Verlagsartikel, mit denen sie die an den verschiedenen Wochentagen in sehr ungleicher Weise in Anspruch genommene Zeit ihres Personals, ganz besonders ihrer Austräger aus füllen können, haben in dem Lesezirkel einen Geschäftszweig, dessen Expeditionszeit sie nach ihrem Belieben bestimmen können, während fest Bestelltes und besonders die Zeitschriftcn-Konti- nuationen eilige Auslieferung sofort nach ihrem Eintreffen erfordern. Die ganze von diesen Arbeiten freie Zeit kann der Buchhändler nicht allein auf Ansichtssendungen verwenden, wenn er nicht dem Publikum lästig werden und da durch sich selbst schließlich schaden will. So stellt sich endlich der Zeitschrifteulese- zirkel als ein im allgemeinen für den Sorti mentsbuchhändler wirtschaftlich sehr wichtiger Geschäftszweig dar, der weder den Interessen widerläuft. Nachdem der Sortimentsbuchhandel in den letzten beiden Jahrzehmeu durch die Gewerbefreiheit der Buchbinder und Kolporteure und durch die Blütezeit der Schleuderei in seiner alten Organisation schwer erschüttert ist, darf der Wunsch gerechtfertigt erscheinen, daß ihm eine neue Beunruhigung, wie sie eine Bekämpfung der Lesezirkel für viele seiner Angehörigen mit sich bringen würde, erspart bleibe. Ich trage kein Bedenken, einzugestehen, daß ich selbst lange Zeit den Lesezirkel ver achtenden Standpunkt meines Herrn Wider sachers eingenommen — ich hatte während meiner Lehrzeit gar keine und während meiner Gehilfen zeit nur in einem Geschäfte Gelegenheit einen Lesezirkel zu beobachten und in diesem war er Domäne des Lehrlings und des Laufburschen — und erst nach eigenen Versuchen meine Anschauung geändert habe. Wenn auch Herr Rocco als Verleger keinen
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