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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.06.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1911-06-07
- Erscheinungsdatum
- 07.06.1911
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- Deutsch
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8814 BSrscllblall s. d. Dtlchn. BluMntkl. Nichtamtlicher Teil. ^ 128. 7. Juni 1811. Nichtamtlicher Teil, Wiener Brief. XXI. Professor Mittels über das Urheberrecht. — Eine Erzählung, ihr Erstdruck, Zweitdruck usw. — Verkauf von Geschäften ohne Passiva. — Reklame-Scherze. Gleichwie sich — nach Goethe — erst in der Krankheit der Gesunde bewährt, so zeigen sich die starken und die schwachen Seiten eines Gesetzes erst im Rechtsstreit und in der Rechtsprechung. Kein anderes Rechtsgebiet dürfte das Interesse des Buchhändlers so sehr in Anspruch nehmen wie das Urheberrecht. Es ist von sehr jungem Dalum und ge hört wohl nicht zum Rechte, »das mit uns geboren«, denn den Ausdruck »geistiges Eigentum« soll erst Fichte geprägt haben. Das österreichische Gesetz betreffend das Urheberrecht datiert von 1895, die deutschen Reichsgesetze über das Verlags und Urheberrecht von 1901. Beide Gesetze gegeneinander abzuwägcn, die Mängel, die durch die Praxis aufgedeckt wurden, zu zeigen, war das Thema eines Vortrages, den der Rcchtsgelehrte Hofrat vr. Mittels, einst Professor in Prag, jetzt an der Leipziger Universität, kürzlich in der Wiener Juristischen Gesellschaft gehalten hat. Spricht man vom Urheberrecht, so führte der Vortragende aus, so denkt man an die Produkte des Dichters und Künstlers. Diese geben aber den Gerichten in der Regel wenig zu schaffen. (Selbstverständlich, denn das Urheberrecht Gerh. Hauptmanns an seinem Drama, Mahlers an seiner Symphonie, Liebermanns an seinem Gemälde wird kaum je Gegenstand eines Rechtsstreites; die sinnlose und würdelose Plagiathetze gegen Schönherr hatte bald aus gelobt). Die größere Rolle spielen die Kleineren: die Ver fasser von Warenkatalogen, Preislisten, Börsenberichten, Tele grammen; Mitteis nennt sie urheberrechtliche Mikroorganismen. Während die großen Autoren und Verleger höchst selten ur heberrechtliche Streitfälle liefern, sind die meisten Gutachten der preußischen literarischen Sachverständigen durch die — geistig genommen — kleinen, gewerblichen Fälle hervor- gerusen. Einige Beispiele sind ebenso lehrreich wie unter haltend: Ein Berliner Postkartenfabrikant verfertigte eine Post karte mit einem Bilde, das einen Jüngling, im Grase liegend, und eine über ihm schwebende Figur zeigte, mit den Versen: »Ich denke an dich, wo immer ich bin; ich liege im Grase, du liegst mir im Sinn.« Ein Kaufmann, der mit »echter Perleberger Glanzwichse« handelte, machte nun auch eine Rcklamekarte, die zwei Stiefel, im Grase liegend, und eine Wichsbüchse, darüber schwebend, zeigte, mit den angeführten Versen als Apostrophe der Stiefel an die Büchse. Der Postkartenfabrikant lief zum Staats anwalt, und die preußische Sachverständigenkammer fand, es sei hier ein Geistesprodukt nachgedruckt. (Ich möchte das Urteil berechtigt finden, nicht wegen des Nachdrucks der Verse, sondern wegen der Benutzung und Verwendung der ganzen Komposition.) Ein zweiter Fall: Ein Fabrikant von Henkeltöpfchen hatte von einem Kupletdichter das Recht erworben, dessen Verse: »Wir trinken gern ein Tröpfchen aus diesem Henkeltöpschen« auf seine Töpfchen malen zu lassen. Ein anderer Fabrikant verwendete die Verse auch. Der sich bestohlen Fühlende lief zum Staatsanwalt! Die Kammer fand den Vorgang noch erlaubt, weil es sich um ein größeres Kuplet handelte, dem zwei Verse entnommen waren. Es wäre also Nachdruck, wenn der Dichter nur diese zwei Verse gedichtet hätte! Mitteis bemerkte hierzu: Verse wie die vom »Henkel- töpfchen« enthalten ja gewiß eine wenn auch minimale Urhebertätigkeit, aber sie werden geflügelte Worte und gelten als Gemeingut. Ein dritter Fall: Die Verwendung eines Katalogsatzes (»Dieser Heißlnflapparat hat den Vorzug, daß man in 3 Minuten feine Haare trocknen kann, ohne Gefahr der Verkühlung«) durch einen dissoziierten Gesellschafter führte zur Klage wegen Nachdrucks! Eine Strafuntersuchung, zwei Verhandlungen, Gutachten eines Sachverständigen, dann ein solches der Kammer. Endgültiges Resultat: Der oben ange führte Satz sei eine Beschreibung, die jeder machen könne. In Österreich wäre die Anklage von vornherein aussichtslos, da nach Z 5 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht, geschäft liche Ankündigungen, Erklärungen und Gebrauchsanweisungen, die Erzeugnissen der Industrie zur Belehrung der Ab nehmer beigegeben werden, vom Schutze des Urheberrechtes ausgeschlossen sind. — Jedermann kennt die »Zeitungskorrespondenzen«, d. s. periodisch erscheinende Zusammenstellungen von Notizen ge meinnützigen, unterhaltenden, belehrenden Inhalts (z. B. wie viele Millionäre es in Amerika gibt, wie schnell ein Fisch schwimmt u. dgl.). Viele Blätter sind auf die -Zeitungs korrespondenz- abonniert, manche drucken die Notizen ab, ohne Zahler zu sein. Es erfolgen Anklagen, mitunter Ver urteilungen. Und dabei hat die Korrespondenz die Notiz auch abgeschriebcn, nur ist es nicht nachweisbar. In Österreich geht der Schutz der Zeitungsartikel nicht so weit. Zu rügen ist, daß nach österreichischem Gesetz selbst wissenschaftliche und belletristische Artikel nur geschützt werden, wenn der Vorbe halt des Nachdrucks ausgesprochen ist. (Siehe Z 26 des Ur- heberrechtsgesetzcs.) Beim österreichischen Gesetze findet Mittels im Vergleiche mit dem deutschen weitere zwei wesentliche Mängel: die Dramati sierung ist in Österreich erlaubt, während sie in Deutschland (ausgehend von der Erwägung, daß die Idee, Führung der Handlung, Schilderung der Personen dieselbe ist) seit 1901 verboten ist. Noch bedauerlicher ist im österreichischen Gesetz die Behandlung der Übersetzungen; das Übersetzungsrecht ist, mit Rücksicht auf die nichtdeutschen Nationen, zeitlich sehr beschränkt (drei Jahre). Parallel mit der Tendenz, das Recht des Urhebers mit aller Schärfe zu wahren, geht die stärkste, wirtschaftliche Verwertung der literarischen Produktion. »Ihre jüngste Erzählung« — so warf man kürzlich einem fruchtbaren Schriftsteller vor — »entbehrt der Pointe.« — »Wenn mir eine Pointe einfällt», erwiderte der auf der Bühne häufig erfolgreiche Autor, »so mache ich ein Stück daraus.« — Alles kommt auf den guten Einfall an. Daß es bei der einmaligen Verwendung nicht bleibt, zeigt folgendes wahre Geschichtchen, zu dem wohl jeder aufmerksame Leser moderner Bücher ein Seitensrück liefern kann: In einer jener Feiertagsnummern einer Wiener Tageszeitung, die zum Preise von 6—10 Heller an novellistischem Stoff mehr enthalten als manches Buch zum Preise von 3 war vor einiger Zeit eine sehr heitere Geschichte eines namhaften Schriftstellers zu lesen. Ein paar Monate später — die Kalenderzeit rückte heran — füllt diese Geschichte einige Seiten in einem stark verbreiteten Kalender. Wieder vergingen Monate, und es er schien ein Sammelband des betreffenden Autors, darunter die bereits erwähnte Erzählung. Und kürzlich kam eine neue Monats schrift heraus, geziert durch eben dieselbe Erzählung. Also binnen einer nicht zu langen Zeit eine viermalige Verwen-
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