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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.04.1930
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1930-04-22
- Erscheinungsdatum
- 22.04.1930
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- Deutsch
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82, 22. April 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b.Ttschn. Buchhandel nung-, aber der Friederike Brian und einem geehrten Publikum hätte er mit diesem Reime auf Selbst wie eine Rose jung nicht kommen dürfen? (Goethe hat sich obendrein denselben Reim auch in anderen Gedichten erlaubt.) Es ist mit Sprachsünden ein eigen Ding. Einen Gerichts hof dafür gibt es — Allah sei gepriesen! — noch nicht. Es ent stehen auch immer neue. Ich wenigstens halte z. B. für eine Sünde die jetzt grassierende Mode, das Wort -fest st eilen» allenthalben anzuwenden, wo man sonst non fühlen, riechen, schmecken, hören, sehen, beobachten, merken, wahrnehmen, er mitteln usw. sprach. Man findet das jetzt fast in jedem Zeitungs blatt dutzcndweis. Ich habe mir ein ganzes Sträußlein solcher Blüten aufbewahrt, z. B. -Der entkommene Verbrecher wurde aus einem am Tatort gefundenen Papier festgestellt« — »Er stellte das Vorhaben des Verbrechers fest» — »Man muß feststellen, daß seine Kunst sich immer noch in «der Schwebe befindet» — -Die Tochter des Geheimrats stellte fest, daß der Fremde ihr Vater gewesen sein könne» — »Man kann unbedingt feststellen, daß die Vorteile dieses Films seine Nachteile überwiegen» — -Man muß feststellen, daß der Schriftsteller X. sich im Renaissance mäßigen bewegt». Wer bestimmt nun, was da richtig sei oder nicht? Die Be rufenen, die Meister der Sprache, die Schriftsteller? Nun finde ich aber im Aprilheft von Velhagen L Klasings Monatsheften, in einer Erzählung von Thomas Mann die Sätze: »II doit deoucoup, stellte hinter uns eine Dame fest» und -Eine halbe Antwort, stellte der Cavaliere fest». Ob der Schriftleitung das ausgefallen und ob sie sich darob mit Thomas Mann auseinan dergesetzt und dieser bei »seststellen» beharrt hat, ist Redaktions geheimnis. Für meine Person meine ich, bei aller Achtung vor dem Nobelpreisträger und der Million seiner »Buddenbrooks», daß die Dame und der Cavaliere nichts festgestellt, sondern etwas bemerkt, geplaudert, hingeworfen haben. — Ein anderer Fall von vielen: In dem trefflichen Buche von Adolf Halseld, »Amerika und der Amerikanismus« steht (Seite 232) der Satz: »Die Nation stellt die schönste Amerikanerin fest«. — Wer ent scheidet da, ob gemäß 8 13 des Verlagsgesetzes der Verleger die Beseitigung solcher Unbedachtsamkeiten vom Verfasser verlangen könne, auf die Spitze getrieben gerichtlich? Von der Sprachsünde zur Geschmacksünde ist's nur ein Schritt. Rudolf nahm die kalte Tochter in den väterlichen Arm, hielt sie so zween lange Tage, tränenlos und ohne Klage, und verschied im stummen Harm. Nicht allzuweit davon ab steht der Vers: Und so saß er, eine Leiche, eines morgens da. Nach dem Fenster noch das bleiche stille Antlitz sah. In der empfindsamen Zeit des Grafen Friedrich Leo pold zu Stolberg und Schillers dichtete man mitunter so. Auch heutzutage dichtet mancher manches, was manchem nicht gefällt. Gefällt einem Verleger das Ding trotzdem so, daß er es in Verlag nimmt, so kann er gegen die Einzelheiten nichts machen, gar nichts, denn das Umdichten gehört keinesfalls zu den Änderungen, die der Dichter dem Verleger »nach Treu und Glauben« nicht versagen kann. Bei Voigtländer und Fuchs ist ein Brief Gustav Frey tags an seinen Verleger Hirzel abgedruckt, in dem er dessen Rat über seinen Stil erbittet, denn er.sei recht kleinmütig geworden und unzufrieden mit sich selbst! Bescheidenheit des Könners! — Auch ich habe öfters — stets nach freundschaftlicher Übereinkunft — Manuskripte von Anfängern zurechtgerückt — nebenbei gesagt, eine Arbeit, die auf die Dauer ich nur einem Feinde gönnen möchte. Was ich den Verfassern nicht zu Dank gemacht hatte, haben diese ihrerseits wieder zurechtgerückt, und schließlich hat die Druckerlaubnis des Verfassers auf dem letzten 370 Korrekturbogen alles gedeckt, was etwa noch Eigenmächtigkeit des Verlegers hätte scheinen können. So ordnen sich Dinge, die in der Theorie schwer lösbar sind, in der Praxis oft genug ganz einfach! Ein Verlagsvertrag kommt einem Ehevertrag nahe; er bindet sogar noch 30 Jahre nach des Verfassers Tode. Weise ist, wer Autoren wählt, die keines Lektors als Sprachhelfers bedürfen. Oder, wenn die Leistungen noch unbekannt sind, behalte man sich das Erforderliche vor. Juridisch ist der tz 13 Verlagsgesetz nicht zu erschöpfen. Es handelt sich in ihm um den Gegensatz von Selbst gefühl und Bestimmungsrecht des Verfassers zu dem Verant- wortlichkeitsgesühl des Verlegers. Den Ausgleich der aus beiden Gefühlen entstehenden Nervenspannungen muß des Verlegers Kunst der Menschenbehandlung suchen, die er ja auch sonst in seinem Berufe nötig hat. Sprachverkümmerung. Von Robert Lutz- Stuttgart. Keine Kritik, die den deutschen Buchverleger mitverantwort lich macht für die bei uns tatsächlich immer ärger werdende Sprachverkümmerung, sollte es unterlassen, auf die Tages preise hinzuweisen, von der eine Sprachverpestung ausgeht, gegen die die Sünden aller Buchverleger zusammen nur leicht wiegen. Wir Verleger können daher im Sinn« Emil Schillers (s. Bbl. Nr. 79, S. 318) nur wenig tun, um die Verwahrlosung unserer Sprache aufzuhalten. Trotzdem glaube ich, sollte jeder Verleger die Verpflichtung fühlen, seine Bücher in einem anstän digen Deutsch herauszubringen. In erster Linie trifft das zu auf die Verleger von Über setzungen. Die große Masse der übersetzten llnterhaltungs- literatur zeigt ein teilweise schauderhaftes Deutsch; gerade hier aber ist der Verleger, wenn auch nicht immer formalrechtlich*), so doch (n der Praxis, am wenigsten durch das Verlagsgesetz ge hemmt. Als Verleger vieler Übersetzungen habe ich stets ein ungenügendes Deutsch (nicht nur fehlerhaftes!) verbessert, ohne mich um den Übersetzer und sein »Urheberrecht» weiter zu küm mern. Das geschah meist schon !m Manuskript und bei der Fahnenkorrektur, sodaß der »Urheber», wenn er dann auf die umbrochene Korrektur sein Imprimatur setzte, alle (von ihm vielleicht garnicht bemerkten) Verbesserungen -des Verlegers da durch guthieß. Bei Übersetzungsautoren, die mehr können und ein besseres Sprachgefühl haben als der durchschnittliche Über setzer, und vor allein die Übersetzerin, wird man natürlich schon aus Rücksicht auf das wirkliche Sprachkönnen des Übersetzers sich auf A n r e gu n gc n zu Verbesserungen beschränken. Nebenbei sei hier für die Verleger von Übersetzungen be merkt: Wenn man auf ein ganz tolles Deutsch stößt, so hat das sehr häufig seinen Grund darin, daß der Übersetzer, so wenig er Deutsch kann, so wenig auch die Sprache versteht, aus der er übersetzt. Das ist fast die Regel bei allen Zeitungsromanen. Aber auch bei den deutschen Originalarbeiten habe ich stets, wenn es nötig schien, den Verfasser auf Stilmängel hingewiesen, und zwar in der Regel in der -Art, daß ich ihm gleich die Verbesserung vorschlug. Dabei bin ich eigentlich immer auf Verständnis gestoßen, oder wenigstens auf Entgegen kommen, und manche haben diese Verleger-Mitarbeit sogar dank bar begrüßt. Ja, einer gab mir einmal Blankovollmacht zur Verbesserung seines Stiles! Das formale Recht des Verlegers zu eigenmächtigen Ver besserungen, »für die der Verfasser seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann», -wird, soweit es sich um den Stil handelt, nur in den Fällen gegeben sein, wo der Ver fasser sich in einer Weise ausdrückt, die nicht nur »unschön-, son dern einfach »schlecht« genannt zu werden verdient, und wenn solche Stellen wiederholt Vorkommen. So schlecht und so oft wiederholt, daß der Verleger geltend machen kann, ein Kri tiker hätte die Möglichkeit, diese x -Sätze -wörtlich anzuführen und *> Übersetzung als Werkleistung im Sinne des BGB.
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