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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.12.1884
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- Erscheinungsdatum
- 22.12.1884
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- Deutsch
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6078 Nichtamtlicher Theil. .V- 297, 22. December. den Ocean herüber, die auch in Europa zu erfrischen und neu zu beleben geeignet ist. Sollte die Künstler- und Schriststellerwelt, der Buchhandel und seine getreuen Berufsfactoren: die Buchdrucker und Papiersabrikanten, die Holzschneider, Photographen u. a., da nicht den günstigen Wendepunkt benutzen und mit allen erdenkbaren Mitteln und der ganzen Kraft moralischer lleberzeugung eintrctcn für unsere moralischen Rechte drüben? Der stolze Uankee pocht aus seine Errungenschaften und lächelt über die meisten Institutionen der alten Welt, und mag er der achtunggebietenden deutschen Nation auch seine heimliche Anerken nung nicht versagen, eins wird er doch niemals zugeben: daß europäische Cultur ihn groß gemacht, daß es insbesondere deutsche Cultur ist, mit der er den großen Weltmarkt bezieht. Oder ist es etwa sein handeltreibender Geist allein, der den Ameri kaner unabhängig gemacht hat? Gewiß nicht. Ist es die republi kanische Verfassung, mit der erisich wie mit einem Prunkgewande behängt? Thörichter Wahn! Die politischen und socialen Zustände sind drüben bisher kaum beneidenswerther gewesen als bei uns, und es gibt besonders unter der Plutokratie Amerikas Viele, welche Deutschland um jdas monarchische Prinzip, um die geordnete Ver waltung, um deutsche Sitte und Lebensweise beneiden. Warum kommen denn alljährlich die zahllosen Gäste zu uns herüber? Weil Europa ihnen noch andere Bedingungen des Lebens als den Mammon bietet: edle Gaben des Geistes, Sitte, wahres Glück, Erholung, wohlfeileres Dasein. Zu Hause ist der Amerikaner nur die rastlose Maschine, die sich abuutzt in der hastigen Arbeit des Lebens. Aber indem er Vieles anerkennt, was bei uns groß und gut und schön ist, wird er dennoch nicht zugeben, daß deutsche Geistesabeit sehr wesentlich beigetragen hat, ihn groß zu machen. Setzen wir einmal den allerdings unmöglichen Fall, Amerika würde jahrelang gänzlich von der Literatur und der Journalistik des alten Welttheils abgeschnitten- welch' eine traurige Verödung würde drüben schnell Platz greifen in Allem, was Literatur, Zei tungswesen, Buchhandel, Kunst und Wissenschaft heißt! Aber mit souveräner Ruhe blickt er auf uns, innerlich wohl wissend, daß er vom deutschen Geiste wichtige Nahrung zieht. Und wie zieht er sie? Wie ein Strandläuser mit Fangnetzen fischt er deutsche Geistesarbeit auf, ohne Prisengelder kapernd den ganzen Schatz unserer wachsenden Literatur und Kunst wie angeschwemmtes Strandgut. Nun heißt es im deutschen Strandrecht: „ein Drittel dem Eigner, ein Drittel dem Fiscus, ein Drittel dem Berger." Aber dem Amerikaner ist die deutsche Literatur herrenlose Waare, die er sich ohne Rechenschaft aneignet. Mit Phrasen indessen ist nichts gethan und gebessert, man muß mit nackten Thatsachen und Zahlen rechnen. Der deutsche Buchhandel kennt diese Zahlen, und hat er sie auch nicht gleich in ziffernmäßiger Statistik zur Hand, so weiß er doch, daß ein neues gutes Buch, — es braucht noch nicht einmal epochemachend zu sein, — vier Wochen nach Erscheinen oder auch noch früher, drüben in zehnfach größeren Auflagen als hier der Verbreitung durch Nachdruck preisgegeben ist, — so weiß der deutsche Schriftstel ler doch, daß ihm ein Honorar für seine Arbeit zehnfach ver loren geht. Dieses Recht des Nachdrucks ist dem Amerikaner so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, Laß er deutsche Geistesarbeit als sein ureigenstes Produkt anzusehen geneigt ist. Das amerikanische Publicum stagt nicht nach dem Ursprung, es schwelgt in der Genugthuung aus dem Titel zu lesen, daß z. B. Schiller's Werke in Boston oder Philadelphia herausgekommen sind, und wie viel reiche, halbgebildete Amerikaner mögen die Ansicht jener vor nehmen Dame aus der LM Lvouus in New-Aork theilen, welche mir ihre große Verwunderung ausdrückte über ihre plötzliche Ent deckung , daß Schiller ein Deutscher von Geburt sei, sie habe immer geglaubt, er sei aus Boston und lebe noch dort, weil seine Werke jüngst in Boston herausgekommen seien. Das ist ein Bei spiel nationaler Mißachtung ausländischer Eigenthumsrechte, wie sie sich drüben in hundert anderen Dingen mit Unrecht breit macht. Haben wir, denkt man drüben, deutsche Maschinen und Ein richtungen verbessert, deutsche Arbeiter in Frohndienst genommen, so gehört uns dafür auch die Ausbeute deutscher Geistesarbeit, der wir durch ein einfaches Multiplicationsexempel viel weitere Ver breitung verschaffen, als die xoor toUmrs der alten Welt es jemals vermögen. Mit rotirenden Schnellpressen und dynamischen Ge walten rollt der Fleiß deutscher Gelehrter, Künstler und Schrift steller aus endlosem Papier hinaus in die Städte des Reichthums, in die fernsten Prärien, und für 50 bis 80 Cents pro Band, sür 20 bis 30 Cents pro Bild sind plötzlich Leute wie Ranke, Gre- gorovius, Ebers, Heyse, Scheffel, Freytag, Defregger, Lenbach, Piglhein u. a. amerikanische Bürger Wider Willen ge worden und der amerikanischen Nationalliteratur und Kunstgeschichte cinverleibt. Ziehen wir die Summe, welche Deutschland entzogen wird durch die Schutzlosigkeit der deutschen Geistesarbeit in Amerika, so unterbilanziren wir ein Kapital, wohl geeignet als namhafter Factor im deutschen Nationalwohlstand eine Rolle zu spielen, und es wird sich uns die Frage aufdrängen, ob der Schutz des geistigen Eigenthums jenseits des Oceans uns nicht noch werthvoller sein kann, als eine ganze Colonialstrecke von Camerun bis Angra Pequena. Die wahre Goldküste liegt für den deutschen Gelehrten, Schriftsteller, Künstler, Verleger und das ganze Buchgewerbe in Amerika; sie ist eine Frage des Nationalwohlstandes und hat den selben Schutz des Reiches zu erwarten wie vieles andere. Die Klagen des deutschen Schriftstellers über geringen Erfolg, kleine Auflagen, mäßige Honorare im Hinblicke auf das Ausland sind wahlberechtigt. Anstatt nun ernstlich dieser Frage näher zu treten, deren glückliche Lösung dem Autor Golkonda's Schätze zu bringen geeignet wäre, balancirt der deutsche Schriststellertag seit drei Jahren die kleinliche Frage der Leihbibliothekenbesteuerung. Wie muß der amerikanische Verleger sich über solche Pfwnigwirth- schaft freuen, während er sich entbehrungslos an die Tafel setzt, die deutsche Autoren ihm gedeckt haben. Tag und Nacht klappern die Triebwerke in den Druckereien und Papierfabriken, und ein Heer fragwürdiger Gestalten von Uebersetzern und Redacteuren, Nachts am Setzkasten, erhalten bogen- oder spaltenweise die Arbeit zugetheilt. So ist, wenn der Morgen graut, das mehrere Bogen starke Buch für den amerika nischen Markt fertig, das erst gestern Abend der deutsche Post- dampser gebracht hat, und zu dessen Herstellung in Deutschland Wochen und Monate erforderlich waren. Man erzählt sich, daß Heine's Memoiren jüngst auf einem amerikanischen Schiffe hinter Cuxhaven, da wo die Elbe aufhört deutsches Gebiet zu sein, gesetzt und gedruckt wurden. Die Schnellpresse war mit der Dampfmaschine des Schiffes in Verbindung gesetzt und bei An kunft in New-Uork konnte die starke Auflage fix und fertig, broschirt und gebunden an den Verleger abgeliefert werden. Das Tage buch der Königin von England soll sogar wörtlich nach Amerika hinüber telegraphirt worden sein. Wenn das keine bloßen Dankeerenommagen sind, so ist damit zweierlei bewiesen: erstens, daß die Freiheit des Nachdruckes drüben einer hastenden Concurrenz unterworfen ist, die den Schutz des deutschen geistigen Eigenthums auch dort im eigenen Lande wllnschenswerth erscheinen lassen muß; zweitens, daß der Ameri kaner, der, um der erste zu seng solche normen Kosten nicht scheut,
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