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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.11.1927
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- 1927-11-15
- Erscheinungsdatum
- 15.11.1927
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sd," 266, 15, November 1927, Redaktioneller Teil. meines Erachtens die schreckliche Not nnd traurige Seelenlage unserer innerlich haltlosen und unreligiösen Zeit, Die Ver nichtung des Logos durch das Ethos ist weithin vollzogen. Aus dem Mittelalter hatte sich das Preußentum in Ver leimung des wahren Geistes des D i e n e n s den Gehorsam her übergerettet und einer Epoche der Geschichte Gesicht und Aus druck verliehen; aber auch dieser Gehorsam ist vernichtet, und nichts ist an die Stelle getreten, weder wahre Demokratie noch Autokratie, Wo kein »Glaube» ist, da ist auch weder Gemein schaft noch Gefolgschaft; und der Bourgeois glaubt nicht, er will wissen. V, Ich bin vom Gegenstand der Behandlung abgewichen, um unsere geistige Situation aufzuzeigen und klarzulegen, wohin wir durch die Veräußerlichung der geistigen Inhalte von Beruf und Bildung gekommen sind. Ich sehe heute drei große Berufsstände im besondern sich regen, um zu einer neuen Besinnung, Verinnerlichung und Tat zu gelangen: Baukunst, Heilkunde und Buchhandel, Vom Religiösen her kamen diesen drei Berufsständen neue lebendige Impulse und Ausgaben, die im Begriff sind, sie im tiefsten aufzurcgcn und neu von innen her zu orientieren. Etwa von der Gründung des Werkbundes an <1907) spüren wir deutlich sichtbar einen neuen Geist in der Bairbunst, der dem vorigen Jahrhundert fremd war. In kleinen Gemeinschaften, in Keimzellen regt« sich ein neues Ringen um innere Form und organische Gestaltung, und heute ist für den Sehenden ein festgefügtes Programm, fern von Modeströmungen, organisch gewachsen -aufgerichtet, Wir wollen uns nichts vormachcn, um schließlich in peinliche Verlegenheit zu geraten, und nicht grund sätzlich »moderne Baukunst» auf das Streben nach Ver innerlichung zurückführen. Es baut heute mancher »modern», und man tvird diese Machwerke in 20 Jahren bereits als genau so scheußliches Zeug empfinden, wie auf uns heute etwa die Produkte des »Jugendstils» wirken. Wir leben in einer maßlosen und modehungrigen Zeit, die nicht sein kann, ohne Sensationen zu lancieren, auf die auch prompt -das Publikum, und besonders die »gebildeten Stände», hineinfällt, »Der Expressionismus», der 1921 durch das Mit- läufertum und schließlich durch das bewußte Eingreifen des Dadaismus überwunden wurde, feiert heute im »Volke» seine Auferstehung, Diese Modetollheiten haben nichts zu tun mit den ernsten Problemen, die heute di« Berussgruppe der wirklich bilden- d c n Architekten beschäftigen, genau so, wie der Coueismus und die astrologische Wahrsagekunst nichts mit der Arbeit der um tiefste Erkenntnis ringenden Arzte unserer Zeit zu tun haben. Dem wahren Baumeister und dem wahren Arzt unserer Tage geht es um ein Begreifen der Lebcnsfunktion, um mit Hilfe dieser Erkenntnisse dem lebendigen Menschen zu dienen. Hier ist das Ziel der verantwortungsvollen und selbstlosen Berufsauf fassung: Bildung. Nicht anders im Buchhandel, der dritten Berufsgruppe, die ich besonders heraushebcn möchte aus den zahlreichen Be- rufsständcn, ohne damit diese anderen weniger wichtig und weniger bedeutsam nennen zu wollen. Der Buchhandel ist wohl neben der Baukunst und der Heilkunde einer der ältesten »Bil- dungs-faktoren des kultivierten Menschengeschlechts, und immer war seine Aufgabe, selb st schöpferisch, das Bildungsgut der Menschen zu sammeln, seinen Bestand zu mehren, geistiger Anreger zu sein und dieses Gut beratend zu vermitteln. Erst in neuerer Zeit ist die Aufgabe des Buchhandels von der Mehrzahl seiner Standesvertr-ctcr entscheidend mißverstanden worden, und zwar in ganz ähnlicher Weise, wie dies in fast allen anderen Berufsständcn auch geschehen ist. Die dynamische Berufsauffassung wich einer statischen. Wir müssen heute mit Beschämung feststellcn, daß auch in unseren Reihen die dyna mischen Kräfte auf das zum Leben überhaupt notwendige Min destmaß zusammengeschmolzen sind, und wir können den weit aus größten Teil unserer Verlags- und Sortimentsbuchhan-d- 1340 lungen nur mehr noch mit Akkumulatorenhäusern vergleichen, die sich mit der Übernahme von fremdem Strom zur Weiter leitung begnügen. Was sich hier vollzog und zu einem Mindestmaß von dyna mischer Berufsauffassung hin, wie im Buchhandel so auch in allen anderen Berufsständen, entwickelte, geschah mit einer er schreckenden Zwangsläufigkeit, deren Rückentwicklung wir heute meines Erachtens hoffnungsvoll entgegensehen können. Ich weiß, daß ich manchen Unwillen, auch manche Skepsis mit dem wachrufen werde, was ich aus tiefster Überzeugung jetzt ent wickeln möchte; ich betone daher besonders, daß dies weder aus einer parteipolitischen noch konfessionellen Einstellung heraus geschieht, sondern lediglich aus dem ehrlichen Bemühen, den ge gebenen Tatsachen ins Gesicht zu sehen. Vor nicht langer Zeit ist nach erbittertem Kamps der Par teien das -Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schmutz- und Schundschriften» rechtskräftiges Reichsgosetz geworden, danach das Lichtspielgesetz, danach das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechts krankheiten, Gegenwärtig steht zu noch erbitterterem Kampf das R e i ch s schulgesetz zur Diskussion, Und vor der Tür steht ein neuer Gesetzentwurf, der wiederum die Parteien heftig gegen einander entzünden wird: das Berufsausbildungs- gesctz, das schon heute von vielen als untragbar und unan nehmbar -hin-gestellt wird, obwohl es doch nichts weiter will, als den Angestellten und Lehrlingen aller gewerblichen Berufsgrup pen eine bestmögliche Berufsausbildung auf einheitlicherer Grundlage als bisher vermitteln. Ich möchte behaupten, daß in dem Kampf um diese Gesetze Statik gegen Dynamik steht, und daß hierbei die parteipolitische Einstellung der Kämpfenden durchaus schwankt; bei dem Kampf gegen das Schundgesetz stehen die Gegner politisch auf einer anderen Seite als die Gegner -des Berussausbildungsges-etzes, Der Kampf geht letzten Endes un, Weldanschauungsfragen und um den Begriff der Bildung, Zu wahrer Bildung ge hört meines Erachtens, daß die Jugend vor schädigenden Ein flüssen von Schund und Schmutz bewahrt werde; und da gerade die hierzu berufenen Kreise -bei dieser Aufgabe als echte Glieder ihrer Zeit versagt haben, mußte das Gesetz eingreifen. Genau so beim Lichtspielgesetz, Zu wahrer Bildung gehört meines Er achtens, daß den Eltern weitgehender Einfluß auf die Erziehung der Kinder in der Schule gewährt wivd. Es wird sicherlich nicht leicht sein, nach dem vorliegenden Gesetzentwurf diese Gewähr gesetzlich zu regeln. Typisch und wohl aus der Zeit heraus nicht anders möglich erscheint es mir, daß gerade bei den am heftigsten uinkämpften Ges-etzesontwürfen, dem Schund- und dem Schulgesetz, die erbittertsten Gegner aus den Kreisen aufstanden, deren Produktion -bzw, berufliche Arbeit durch das -Gesetz mög licherweise überwacht oder gar geinaßregelt werden könnte. Zu verstehen ist dies -aus dem Auskommen der liberalistischen Geisteshaltung, -die eine all-gemeingültige Verbindlichkeit -geistiger Werturteile ablehnt. Es ist das erbitterte Sichausbäumen ganzer Bcoufsgruppen gegen die angebliche Gefährdung einer indivi dualistischen Lebensentfaltung, Und hier liegt die Tragik: Bildung will Freiheit und will auch Gebundenheit, Und der Beruf braucht wescnsgomäß Bin dung und kann andererseits ohne Freiheit nicht sein. Zu wahrer Berufserfüllung gehört Sclbst Verantwortung vor allein, aber -auch Kontrolle, Und nun stehen wir vor der nicht mehr -wegz-irleugncnden Tatsache, daß alte Bindungen und alte Wcrt- begriffc für uns in entscheidender Wolfe zerbrochen sind. Wir diskutieren über sie, und -wir loben in unserer volklichen Ge samtheit nicht mehr aus -ihnen; der Prozeß, der im ausgehenden Mittelalter -begonnen hat, ist an einen entscheidenden Punkt ge langt, -an dem die Besinnung in Form von Gesetzesentwürfen stoht, die Bindung und Kontrolle wollen, aber nicht genügend Basis versprechen, um den Trägern der bedrohten Berufsstände die Freiheit und Selbstverantwortung zu belassen. Den Be troffenen: Dichtern, Buchhändlern -und Erziehern scheint keine Gewähr vorhanden, daß an die Stelle der alten zerbrochenen Wertbcgriffe in absehbarer Zeit neue -Wesens- und zeitgemäße,
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