Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.11.1927
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1927-11-15
- Erscheinungsdatum
- 15.11.1927
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19271115
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192711158
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19271115
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1927
- Monat1927-11
- Tag1927-11-15
- Monat1927-11
- Jahr1927
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
>! 266, 15, November 1927, Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Büchern vernachlässigt hätte. Und die Kenntnis des Menschen kann er nur erringen durch eigene Jnnenschau und durch Ausbau seiner geistigen und seelischen Heimat, In dem Maße, in dem sich der von Hause aus eigcnlebendige Mensch in ein Register oder einen Akkumulator verwandelt, ver liert er auch die Möglichkeit einer persönlichen Entscheidung, Aus die Frage nach dem Wesen einer Sache wird er die Urteile vieler anderer darüber vortragen, ohne schließlich noch zu wissen, daß er die Frage überhaupt anders beantworten konnte. Es ist dies ein Ausweichen vor der inneren Entscheidung, das durch die Lebens- und Denk-Formen unserer Zeit in weitesten Kreisen selbstverständlich geworden ist. Keine wahre Berufserfüllung ist aber denkbar ohne diese innere Entscheidung; und die kann nur geboren tverden aus innerlicher Sammlung, Der Begriff der Sammlung genügt mir aber nicht, um das auszudrücken, worum es mir geht, man könnte ihn noch mißverstehen. Die Forderung geht dahin, daß der lebendige Mensch eine Heimat habe, aus der er die Kraft zur Besinnung, zur inneren Entscheidung und schließlich zur gläubigen Sei bst Verantwortung schöpfen muß. Diese Heimat muß errungen sein, sie darf mir nicht in den Schoß fallen, auch hat sie nichts mit dem romantischen Heimat- gesasel mancher Kreise der Jugendbewegung zu tun. Nur aus eineni zentralen Quell, in dem meine Seele zu Hause ist, kann sich meine -Bildung«, die den Berus bestimmt, gestalten. Man kann aus einem Beruf vielerlei machen; was man aus ihm macht, wird jeweils von der Individualität des Ausübenden abhängen, Christopherus trug, um Christus zu dienen, die Menschen über den Fluß und wurde nachher zum Bekenner und Märtyrer; der Einsiedler betete und fastete; Don Quichote beschützte die Armen und Unterdrückten; Albert Schweitzer lindert die Not und das Elend von Negern in Äquatorialafrika , , , Es ist jedem Men schen in die Hund gegeben, aus feinem Beruf das zu machen, was seiner seelischen Heimat entspricht. Eine »allgemein- gültige geistige Nährquclle» <wie Mennicke formuliert hat) fehlt uns, sie ist unserer Kultur vcrlorcngegangcn, und wir sind im wesentlichen auf unsere eigene Individualität angewiesen. Doch steht uns die Wahl frei, uns nach Vorbildern zu richten oder von bedeutenden Menschen oder bedeutenden Werken uns leiten zu lassen. Doch Heimatrccht haben wir erst bei ihnen, wenn wir sie uns erringen und innerlich zu eigen gemacht haben. Wahre Selbstverantwortung kann erst mein Handeln be stimmen, wenn ich handle mit voller Entschließungssrciheit, weil ich so muß, IV, Dicdcrichs sagt von sich in seiner Sclbstbiographie: »Ich sah zwar kein bestimmtes Ziel vor mir, aber doch stellte ich mir eine Aufgabe, Diese Ausgabe war aber nicht, möglichst viel Geld zu verdienen, denn das ist überhaupt keine Aufgabe, es ist nur die Sucht nach Sattsein, nach Behagen — sondern die, die dunklen Mächte in mir zu überwinden. Zur Sehnsucht auch den Willen fügen, der Idee zu dienen, indem man, um sie in Wirklichkeiten umzusetzen, organisatorisch hilft und damit allem Schöpferischen zur Seite steht. Dazu gehört, in D e m u t an Kräfte in sich zu glauben, die man noch nicht kennt. Vor allem zum Opfer bereit sein und von anderen Menschen nichts pharisäerhaft fordern, aber fordernd gegen sich selbst sein». Ich denke, Eugen Dicderichs hat in 39jährigem Berufsleben gezeigt, daß er diesem Grundsatz treu geblieben ist. Durch Dienst am Schrifttum und ständige Besinnung auf seine geistige Heimat und ungeheures Verantwortungsbewußtsein in bezug auf alle, auch die widerstreitendsten Publikationen hat er sich in hervor ragender Weise um das geistige Wohl des deutschen Volkes ver dient gemacht. Ein anderer hervorragender deutscher Buchhändler, Fr, A, Perthes, schreibt in einem Brief: »Lieber Campe, um zu wirken, was zu wirken möglich ist, lassen Sic uns zuerst uns selbst im Guten befestigen und Kenntnisse erwerben und unter den jungen Leuten unseres Standes Freunde und Bekannte unseres Sinnes gewinnen, so viel wie möglich. Jetzt schon sind wir unserer fünf, und was können fünf nicht alles wirken, wenn sie ernstlich wollen? Sucht jeder den Geist des Guten unter seinen Bekannten zu verbrei ten, sucht jeder noch einige Auserwählte, behalten wir Stand hastigkeit, gibt Gott uns Glück, August, was wollen wir wirken, was Gutes tun!» Und ein andermal: »Wo wäre ein Stand, dessen Mitglieder die ihnen notwen digen Kenntnisse weniger besäßen und die ihnen obliegenden Pflichten weniger erfüllten, als der des Buchhandels? Deutschland ist mit elenden und scheußlichen Büchern über schwemmt und würde frei von dieser Plage sein, wenn dem Buchhändler die Ehre lieber wäre als das Geld», Das ist vor hundert Jahren geschrieben, und sieht es heule tatsächlich besser aus? Die Flut der nur der oberflächlichsten Unterhaltung dienenden Bücher ist in der inzwischen ver flossenen Zeit so ins Phantastische gestiegen, daß man heute be reits völlig verzweifeln muß, hieran etwas ändern zu können. Der Prozeß, der sich hier im Buchhandel vollzogen hat, ist nur eine Parallelerscheinung zu dem Geschehen aus allen Ge bieten unseres Lebens, das sich überall seit dem Verlust einer -allgemein-gültigen geistigen Nährquelle- im ausgehenden Mittelalter, oder mit den Worten Hosmannsthals »seit jener Setzung des Ethos über den Logos» in einer ständig fortschreiten den Entwicklung zur Nivellierung der alten Kultur hin bewegt. Wir spüren heute, wie ich schon zu Anfang sagte, daß sich der Beruf des Menschen im allgemeinen nicht mehr mit seinem Leben deckt. Die Bedürfnisse sind Endzweck und Ideal des Lebens geworden, denen sich der Berus untergeordnet hat. Der Amerikanismus hat aus breiter Front heute gesiegt. Ich will aber nicht mißverstanden werden, als ob ich denen recht gäbe, die nur über unsere »schreckliche Zeit- schimpfen und Vergangenes wieder hcrausholen möchten. Im Gegenteil: ich möchte betonen, wie Guardini in seinen Briefen aus Italien näher ausgeführt hat, daß die alte Kultur, in der wir noch leben, im Abstcrbcn begriffen ist, und daß der Amerikanismus nur die letzte Phase dieses einst lebenskräftigen und großen Organismus ist, so wie der Expressionismus nur die letzte Phase des Im pressionismus, und damit der Schlußstein in der Entwicklung einer Epoche der bildenden Kunst war. Ich sehe das Herauskommcn eines neuen Weltbildes in einer neuen Haltung Einzelner, Bevdjajew spricht von dem Hcraufkommen eines »neuen M i t t e l a l t e r s»; ich kann nur warm die Lektüre dieses seines Buches empfehlen, in dem er, der leidenschaftliche Gegner des Bolschewismus, im Bolschewis mus die notwendige Entwicklung unserer Zeit sieht. Den Bolschewismus sieht er als die notwendige Folge auf das völlig moralisch verkommene Zarcn-Regime mit seiner inneren Irreli giosität an; und durch den Bolschewismus sicht er das Heraus kommen einer neuen religiösen Haltung, Die alte Kultur ist fraglos zerbrochen, aber eine neue mit neuen Formen und Inhalten ist nicht an ihre Stelle getreten. Das vorige Jahrhundert, das Jahrhundert der Stillosigkeit in der Kunst, hat alle Stile der Vergangenheit ausgewärmt, und dieser Unfug geht noch bis in unsere Tage, Aber was waren und sind 'diese Stilarien, in denen man Wohnhäuser, Paläste, Fabriken und Bahnhofshallen gebaut hat? Äußerlichkeiten, Gc- schmacksangelegcnheiten, Flucht vor Besinnung mit der billigen Selbstbelügung, daß cs -Tradition- sei. Die Folgen dieser maß- und grenzenlosen Verflachung wirken sich in verhängnisvollster Weise bis in unsere Tage aus; eine künstlerische oder literarische Mode jagt die andere. Mit ganz wenigen Ausnahmen verlieren Maler und Schriftsteller die Ehrfurcht vor dem eigenen Schaffen und unterwerfen sich den von geschickten Journalisten lancierten Modeströmungen, Und wieviel Verleger und Buchhändler gibt es noch, die sich diesen Zeitströmungcn widersetzen? Wir leben in einem Zustand der völligen Form- und Charakterlosigkeit, daher wird so viel von »Form» und -Charakter- gesprochen. In aktuellen geistigen Strömungen wie Psychoanalyse, Charakterologie usw, äußert sich 1339
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder