N- 272, 2. Dezember 1920. hat immer etwas Leichenhaftes, den Geruch der Toten gruft", sagt Goethe einmal. Darum schätzt er die Bio- graphien, die Tagebuch- und Memoirenliteratur, „denn man lebt mit Lebendigem". Dies Lebendige ist es, das dem Werke Vehses eignet und es vor dem Veralten schützt. Könnten ein solch bestialischer Rohling wie der Zweibrücker Herzog Karl und die Verhältnisse seines Duodezhofes besser und lebensvoller charakterisiert wer den, als durch jene Geschichte, wie Serenissimus im Zorne über einen seiner Koche den armen Schlucker rufen und ihn sich entkleiden läßt, wie er ihn dann aller höchsteigenhändig mit Branntwein begießt und ihn an zündet, oder wie er die Hand einer Dame seines Hofes, die er nicht leiden kann, nimmt, um sie zu küssen und dann in hemmungsloser Wildheit und Bosheit hinein beißt? Wie ist doch der Herzog Karl Eugen von Württemberg, dieser betriebsame, seinen Willen in bru taler Weise zur Geltung bringende und mitunter mensch- lich doch nicht unsympathische Despot durch das killet ckoux gekennzeichnet, das er aus „fatiguanten" Regie rungsgeschäften heraus in Kirchheim a. N. nach kaum eintägiger Trennung von seinem „herzallerliebsten Fran- zele" in der aufwallenden Liebessehnsucht des schon al ternden Mannes an sein „schönstes Weible" schreibt! Oder Markgraf Eduard Fortunatus von Baden-Baden, jener wilde Abenteurer und Mordgeselle, durch die Schilderung, wie er zur Trauung mit der Holländerin Marie von Eicken, die die Welt und die Männer kennt und dem tollen Markgrafen vor der Ehelichung ihre Gunst versagt, im Schlosse zu Baden vor dem Priester und seinen Würdenträgern in Pantoffeln, in uneinge- nestelten Hosen erscheint, aus denen — „mit Züchten" wird es vermeldet — das Hemd heraushängt, gleichsam um zu bekunden, daß er trotz Trauung seine Gemahlin nur als Konkubine betrachte! » Von Kriegsnöten be richtet das Werk und von gesegneten Friedensjahren, von pflichttreuer Verwaltung und höfischem Lotterleben, von feilen Ministern und redlichen Beamten, von Mä- treffenwirtschaft und tollen Ausschweifungen, von Re- gententüchtigkeit und von fürstlicher Verkommenheit. Eine epochale Wendung bringt die französische Revo lution. Napoleon greift rücksichtslos in die Geschicke Süddeutschlands ein. Es folgen der Wiener Kongreß und die politisch trübselige Biedermeierzeit. Eine neue Geschichtsperiode hebt mit dem tollen Fahre 4S an. Da hier das Vehse'sche Werk schließt, schien es geboten, in einem Anhang als Abriß die Geschichte der einzelnen Dynastien bis zur Novemberrevolution des Fohres 4048 zu ergänzen. Der Wiedererweckungsversuch, den ich unter nommen habe, wird, so hoffe ich, einigen Beifall finden. Denn wenn auch die Fürsien- herrschaft in Deutschland zu Ende ist, so bleibt doch ihre historische Bedeutung bestehen, ftnd heute mehr denn je verlangt der Gebildete nach der geschichtlichen Erkenntnis des Zusammen hanges unseres politischen, wirtschaftlichen und geistigen Zustände mit denen der Vergangenheit. Bezugsbedingungen: Einzelbau de mit 35 Prozent, Alle drei Bände auf einmal bezogen mit 40 Prozent Rabatt. Lei direkter Zusendung halbes Porto, Verpackung unberechnet. Abzug dieses Inserates in Zweifarbendruck bis zu ckoo Stück kostenlos. Weitere billig berechnet. Über die Geschenkausgabe in Halbleder- und Halbpergament.Einbänden lassen wir noch eine besondere Ankündigung ergehen. G. Braunsche Hofbuchdruckerei und Verlag Karlsruhe in Baden Karlfriedrichsi raste 4 4