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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.03.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1920-03-25
- Erscheinungsdatum
- 25.03.1920
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- Deutsch
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Ewrsenblatt s. d. Dtschn. Vuchbavder. Redaktioneller Teil. 64, 25. März 1920. mich damit befreunden können, wenn von den Provinzialschulkollegien, von den Negierungen, von dem Minister ganz bestimmte Richtlinien herausgegeben worden wären, nach denen etwa die brandenburgisch- prenßische Geschichte, die Kriegsgeschichte, die Geschichte des Hohenzol- lernhauses, die Geschichte der Verfassung zu behandeln wäre; das wäre verständlicher gewesen als das, was wir jetzt haben, wonach die Lehrer gezwungen find, ohne Lehrbuch auszukommen, wonach die Schüler ge nötigt sind, ohne Lehrbuch den Stoff nachzuarbeiten. Nun ist mir in diesen Tagen — wir warten ja schon seit 10 Tagen auf die Begründung der Interpellation — von verschiedenen Seiten gesagt worden, es seien auch andere Schmerzen und Klagen, die zu diesem Verbot geführt hätten, es seien Paritätsschmerzen. Und nach der Rede, die kürzlich der Herr Kollege Gronowsky gehalten hat, und in der er auch wieder von Kulturkampf sprach, klang es so, als wenn man auf unserer Seite beabsichtige, wieder einen Kulturkampf hervor- zurufen. Meine Damen und Herren, wir bekennen uns nach unserm Programm und nach allem, was wir hier und im Lande sagen, zu einer Versöhnung der konfessionellen Gegensätze. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkßpartei) Das ist unser Programm, dessen Grundgedanke uns in unseren Schulen bei unserem Unterricht leitet. Ich kann Ihnen sagen, daß die Lehr bücher der Geschichte, die ich gelesen habe, fast durchweg außerordentlich vorsichtig gefaßt find, namentlich in der Behandlung schwieriger kon fessioneller Fragen. Wenn man da glaubt, etwas tun zu müssen, so hätte man ja auch eine neue Mahnung zur Vorsicht in der Behandlung von Fragen ergehen lassen können, die zu konfessionellen Schwierig keiten führen könnten. Aber deshalb nun auch die Schüler des Lehr buches zu berauben und Willkür in den Unterricht hineinzubringen, halte ich für sehr gefährlich. Also ich fasse zusammen: wir plädieren nicht für Beibehaltung der bewährten Lehrbücher, um irgendwie etwa reaktionär« Strömungen zu speisen; das geht viel besser und viel ungenierter für jeden, der das verantworten zu können glaubt, ohne Lehrbuch. (Sehr richtig) Deshalb soll man nicht die Lehrbücher wegnehmen, sondern den Lehrern und Schülern die Leitfäden lassen. Wir plädieren für die Beibehal tung, um den Geschichtsunterricht nicht verwildern zu lassen, denn nach unserer Überzeugung muß er verwildern, wenn er völlig ohne Lehr buch erfolgt; (sehr richtig!) wir plädieren dafür, um Mittel und Wege zu haben, unsere Jugend zu wirklich tüchtigen Staatsbürgern und zu tüchtigen Staatsbürgerinnen heranzuziehen. (Bravo! rechts) Vizepräsident Or. Frentzel: Das Wort zur Beant wortung der Förmlichen Anfrage hat der Herr Vertreter des Herrn Ministers. 1)r. Jahnke, Ministerialdirektor, Negierungsvertreter: Meine Damen und Herren, der Herr Minister hat mich beauftragt, die Förm liche Anfrage des Herrn Abgeordneten *Vr. Boelitz zu beantworten, weil ich Schulmann bin. Außerdem bedauert er, hier nicht erscheinen zu können, da er durch eine Halsentzündung und starke Heiserkeit verhin dert ist. Bei der Bedeutung, die die vorliegende Angelegenheit für den Staat hat, möchte ich zunächst darauf eingehen, was uns veranlaßt hat, diesen Erlaß herauszubringen. Cs ist bekanntlich seit langen Jahren der Wunsch weiter Kreise des Volkes gewesen, daß die Geschichts-Lehrbücher geändert werden möchten; sie entsprachen ihrer Auffassung nicht. Hinzugekommcn ist nun, daß die ungeheure Umwälzung — ich meine nicht die Revolution allein, sondern die Umwälzung des politischen Lebens überhaupt — naturgemäß eine Änderung der Auffassung der Geschichte mit sich bringt. Die Geschichtsauffassung ändert sich im Laufe der Zeiten selbstverständlich immer. Je gewaltiger aber die Veränderungen des Staatslebens sind, desto größer müssen auch die Veränderungen der Geschichtsauffassung sein. Es gibt freilich Leute, die von der Gründ lichkeit ikdd Sachlichkeit deutscher Wissenschaft so überzeugt sind, daß sie meinen, in unseren Geschichtsbüchern könne gar nichts stehen, was irgendwie von der Wahrheit abwiche, es könne nichts Subjektives darin enthalten sein. Herr Abgeordneter 1)r. Boelitz hat schon darauf hingewiesen, daß das anregendste und fesselndste Buch oft gerade das subjektive ist. Ein zwar subjektiv gehaltenes, aber fesselndes Lehrbuch ist immer besser als ein sachliches, aber langweiliges Lehrbuch. Hier aber handelt es sich nicht um die Frage, ob alles, was in den Lehrbüchern steht, sachlich öargcstcllt ist, sondern um etwas anderes. CS wird vielfach geleugnet, daß die Politik und die politischen Auffas sungen überhaupt mit der Geschichte in Beziehung ständen; denn die Geschichte, soweit sie sich in unseren Büchern niedcrschlägt, sei ein 268 Ergebnis wissenschaftlicher Forschung, unabhängig von der Politik. Ge statten Sic mir, meine Damen und Herren, mit einigen Worten auf die sen Zusammenhang einzugchcn! Politisches Streben geht doch immer darauf hinaus, auf die Ge staltung der Geschicke des eigenen Volkes Einfluß zu gewinnen, diese Geschicke in einer bestimmten Richtung zu leiten und leiten zu helfen. Dieses Bestreben wird aber selbstverständlich nicht immer in derselben Richtung vor sich gehen, da verschiedene Parteien vorhanden sind und nicht nur das eigene Volk solches Bestreben hat, sondern auch die Völ ker, mit denen das eigene Volk in Beziehung steht. Ans diesem Gegen einander und Miteinander ergibt sich ein bestimmtes Schicksal des Volles. Dieses Schicksal des Volkes ist das Ergebnis der Politik, und man nennt dieses Ergebnis Geschichte des Volkes. (Widerspruch rechts) Je weiter wir im Laufe der Zeit sortschrciten, desto mehr verändert sich der Anblick der Vergangenheit. Es ist etwa so, wie wenn man sich von einem Gebirge immer weiter entfernt: die Gipfel, die zuerst von einander getrennt waren, fließen zusammen, und nur noch die höchsten Gipfel heben sich heraus. Dinge, die in der Vergangenheit außer ordentlich wichtig waren, verlieren allmählich an Bedeutung. Wäre das nicht so, dann wären die alten Klagen und Befürchtungen berech tigt, die oft genug von Eltern ausgesprochen werden: die armen Kinder, was werden sie im 21., 22. Jahrhundert für Geschichte lernen müssen, es geschieht ja immer mehr! Durch die Entfernung von den Ereignissen wird, wie ich sagen wollte, das Vergangene immer unwichtiger, und nur das Allerwichtigste hebt sich heraus. So sollte eS sein! Aber gerade bei uns Deutschen ist es nicht ganz so, meine Damen und Her ren! Wenn wir unsere Geschichtsbücher ansehen, so können wir sest- stellcn, daß im wesentlichen dieselben Ereignisse in alter Ausführlich keit heute noch behandelt werden wie vor 100 Jahren. (Sehr richtig! links) Die Römerzüge der Hohenstausenkaiser (Zuruf von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei: Sagen Sie lieber Hohenzollern!) — die haben keine Römcrzüge gemacht —, (Heiterkeit) die immer als der Höhepunkt mittelalterlicher Kaiscrherrltchkett ge golten haben, werden doch heute eigentlich als ein starker Fehler an gesehen. Die Geschichtsforschung stellt sich meines Wissens durchaus auf den Standpunkt Heinrichs des Löwen, daß die Kaiser besser getan hätten, im Lande zu bleiben und für ihr Volk zu sorgen, als deutsches Blut vergießen zu lassen. (Widerspruch des Abgeordneten vr. Leidig) Hier zeigt sich, daß wir doch nicht so vollständig die Aussonderung des weniger Wichtigen, die Zusammenrückung der Ereignisse so vorgenom men haben, wie cs hätte geschehen sollen. Außerdem ist es nicht mir so, daß, wenn man sich weiter von den Er eignissen entfernt, manches Ereignis kleinlich und unbedeutend erscheint, sondern selbstverständlich ist es auch, daß ein Gebirge, von links ge sehen, anders erscheint als von rechts. Ebenso werden geschichtliche Er eignisse in unruhigen Zeiten anders beurteilt als in ruhigen. Denken Sie daran, daß wir den Siedlungs- und Ernährungsfragen heute ganz anders gegcnübcrstehen, als es noch vor 10 Jahren der Fall war? So gewinnen heute auch die Gracchischen Unruhen eine ganz andere Bedeutung. Man wird sie nicht mehr Unruhen, sondern Ncformver- suche nennen. Man wird sich bemühen, sich darüber klar zu werden, das; im Altertum schon ähnliche Schwierigkeiten Vorgelegen haben, und daß man ihnen mit ähnlichen oder anderen Mitteln zn Leibe gegangen ist. (Sehr richtig!) Auch das ist ein Punkt, wo man sieht, daß die Not der Zeit und die Verhältnisse der Zeit nötigen können — (Zuruf) — gewiß steht das im Mommsen, der wird aber nicht in der Schule behandelt — (Zuruf rechts: Man schreibt aber Lehrbücher daraus!) — meine Damen und Herren, ich wollte nur damit sagen und Ihnen an Beispielen zeigen, daß immer andere Dinge wichtig werden können, die vor 10, 15 Jahren noch unwichtig erschienen. So wird sich fort während die Aufgabe der Geschichte und des Geschichtsunterrichts in der Schule ändern müssen. Weiter erinnere ich'daran, wie vor Jahren im Reichstage ein gehend von Währnngsfragcn gesprochen wurde, es wurde in langen, schwierigen, schwer zu verstehenden Erörterungen darüber verhandelt, ob die Gold-, die Silber- oder die Doppelwährung oder die hinkende Währung die bessere sei, und da die Schule niemals an diesen Aus gaben achtlos vorbcigcgangen ist, sondern ihre Schüler auch darüber hat belehren wollen, so hat man auch damit manche Stunde verbraucht. Heute stehen wir doch wohl aus dem Standpunkt, daß das ganz gleich gültig ist; wenn nur geordnete Verhältnisse im Lande vorhanden sind, wird man mit den Geldverhältnissen schon fertig werden. Oder wieder
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