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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.03.1920
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- 1920-03-25
- Erscheinungsdatum
- 25.03.1920
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- Deutsch
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>6 64. 25. März 1920. Redaktioneller Teil. ein anderes: Es ist im Geschichtsunterricht gesprochen worden — das möchte ich hier rühmend als Leistung der Schule hervorheben — von volkswirtschaftlichen Fragen. Da wurde von Ein- und Ausfuhr ge redet, und mau wunderte sich immer wieder, das; wir trotz der dauernd passiven Handelsbilanz nicht zugrunde gingen; cs bedurfte schon finanz- technischer Kenntnisse, um das zu verstehen. Heutzutage legen wir viel weniger Gewicht ans Erörterungen über C<n- und Ausfuhr als ans den Gedanken, den Fichte schon geäußert hatte, und der während des Krieges wieder auftauchte, auf den Gedanken der Autarchie, d. h, daß ein Land imstande sein soll, sich selber zn ernähren, daß dies auf irgend eine Weise ermöglicht werden solle. Auch da eine vollständige Ver schiebung, die natürlich im Geschichtsunterricht irgendwie zutage treten muß. Meine Damen und Herren, ich wollte klarmachen — die angeführ ten Beispiele ließen sich natürlich vermehren —, daß fortwährend Än derungen der Geschichtsauffassung nötig sind, daß dem Geschichtslehrer andauernd neue Aufgaben entstehen, daß er sich mit ihnen befassen muß, daß er nicht achtlos an ihnen vorübergehen darf. Ein Geschichtslehrbuch, das doch naturgemäß der Geschichtsforschung schon immer einige Jahrzehnte nachhinkt, kann selbstverständlich nicht sofort das alles bringen, was in jedem Augenblick, in jedem Jahre, der Zeit entsprechend nötig und erwünscht ist. Das ist ganz ausgeschlossen. Natürlich wird man sich damit abfinden müssen; inan kamt nicht jedes Jahr ein neues Geschichtsbuch schreiben. Aber jetzt nun, wo die Er regung der Parteien wirklich aufs Höchste gestiegen ist, wo das Ministe rium nicht nur diese alten Wünsche der beiden Parteien, auf die ich schon hindeutcte, berücksichtigen mußte, sondern wo immer wieder El tern sich darüber beschwerten, daß ihre Kinder nach diesen Büchern unterrichtet werden müßten, wo sich immer wieder Lehrer weigerten, nach diesen Büchern zu unterrichten, hat der Minister im Einvernehmen mit der ganzen Untcrrichtsverwaltung es für angebracht gehalten, ein Mittel zu suchen, und hat es gefunden, hat es wenigstens zu finden geglaubt in dem Geschichtserlaß, der hier angegriffen worden ist. Was die Deutung dieses Geschichtserlasses angeht, so ist es dem Herrn Minister durchaus nicht eingefallen, irgendeinen Zwang ausüben zn wollen; was er geben wollte, war Freiheit und nicht Zwang. (Heiterkeit rechts.) Etz sollte dem Lehrer möglich sein, Dinge, die im Buche nicht stehen, in den Unterricht hineinzutragen, und es sollte kein Vater gezwungen sein, ein Buch zu kaufen und von seinen Kindern benutzen zu lassen, das seiner Parteiausfassung, seinem politischen Standpunkt schroff wider spricht. (Zuruf rechts: Das werden wir uns für die Zukunft merken!) Es ist keineswegs gesagt worden, daß das Buch nicht gekauft werden dürfe. Es wird in den meisten Fällen so sein, daß die Kinder nach wie vor die Bücher zu Hause benutzen, und daß, wenn der Lehrer nach diesem Buche weiter vorträgt, wenn er wirklich keinen neuen Weg fin den kann oder finden will, dann weiterhin die Bücher zu Hause benutzt werknn,. (Zuruf bei der Dcutschnationaleu Volkspartei: Wozu der Erlaß?) — Dann würden all-e diese Beschwerden, die Herr Abgeordneter vr. Boelitz mit großer Sachkunde und durchaus erwägenswert — das leugne Ich gar nicht — vorgebracht hat, auch Wegfällen. Wenn das Buch zu Hause ist, dann kann es dort auch weiter benutzt werden. Es heißt ausdrücklich: im K l a s s c n u n t e r r i ch t sollte cs nicht benutzt wer den. Wenn wir gewünscht hätten, daß es überhaupt nicht benutzt wer den solle, dann würden wir den Zusatz »im Klassenunterricht« nicht gemacht haben. Der Unterricht in der Klasse, wo eben Lehrer und Schüler, die aus den verschiedensten Elternhäusern kommen, Zusammen treffen, sollte von diesem Zwang frei gemacht werden. (Zuruf bei der Deutschnationalen Volkspartei: Um Gottes willen!) Nun wird gesagt, der Erlaß sei überflüssig gewesen, insbesondere um deswillen, weil gute Lehrer schon längst ohne Lehrbuch unterrichtet hätten, und auf der anderen Seite wird behaftet, es gehe ohne Lehr buch überhaupt nicht. Ich meine, das ist ein starker Widerspruch, auf den ich aber nicht weiter eingehen will. Das steht jedenfalls fest, daß der gute, tüchtige Lehrer ohne Lehrbuch unterrichtet. Wenn der Lehrer und die Schüler die Nase ins Buch stecken, dann kann der lebendige Zu sammenhang zwischen Lehrer und Schüler, der nötig ist, wenn bei der Stunde das herauskommcn soll, was der Zweck der Schule und des Unterrichts ist, nicht zustande kommen. Es muß möglich sein, ohne das Buch zu unterrichten. Nun hat nicht Herr Abgeordneter Or. Boelitz darauf hingewiesen, aber sonst ist es oft genug ausgesprochen worden, daß es dann z u m Nach schreiben oder zum Diktieren kommen müsse. Denn das ist zweifellos richtig, was Herr Dr. Boelitz wieder sagte: der Unterricht darf sich nicht allein auf das Hören beschränken, sondern es muß dem Schüler auch etwas vor Augen stehen, was er sieht und sich auf diese Weise seinem Gedächtnis einprägt. Das ist sicher. Aber trotz dem braucht es weder zum Diktieren zu kommen — denn das ist eine Übung, die wirklich nicht gut ist; der Schüler schreibt dann eben mecha nisch etwas nach, ohne es in sich aufzunehmen —, noch braucht es zum Nachschreiben zu kommen. Auch das ist nicht gut; denn da wird sehr vieles Unverständige und sehr vieles Falsche ausgeschrieben. Aber es gibt, meine Damen und Herren, einen dritten Weg. Den habe ich nicht erfunden, sondern als ich Schüler war, und zwar nicht Primaner, sondern Untersekundaner, habe ich ihn an mir erlebt, und ich muß heute noch sagen: es war der beste Geschichtsunterricht, den ich erlebt und gesehen habe. Er wurde von einem Herrn gegeben, der jetzt in Brandenburg ein angesehener Gymnasialdircktor ist, dessen Namen ich aber nicht nennen will. Sein Unterricht verlief folgendermaßen: Wir hatten damals das Lehrbuch von Herbst, das ihm wohl nicht ganz gefiel. Er trug vor und stellte dazwischen Fragen, um sich unseres Verständnisses zu versichern. Wenn er daun einen bestimmten Abschnitt erledigt, sagen wir, eine Viertelstunde gesprochen hat»e, dann suchte er mit uns in gemeinsamer Arbeit, der Lehrer mit der Klasse, die kürzeste Form, in die die von ihm ausgesprochenen Gedanken zu bringen waren. Irgendeiner würde aufgefordert, einen bestimmten Teil dieses Gegen standes in einem kurzen Satz zusammenzufassen. Das geschah. Dann erfolgte die Frage: wer weiß eine noch kürzere Fassung, wer eine noch kürzere? So wurde der Inhalt des durchgenommenen Gegenstandes mit ganz wenig Worten auf die allerkürzeste Form gebracht, und diese kurze Fassung schrieben wir in unser Heft ein. So hatten wir neben dem berühmten Herbst ein besonderes Geschichtsbuch für uns, ein paar ganz kleine Oktavhefte, aus denen wir die vollständig selbständige Dar stellung der Geschichte lernten und behielten, und wir behielten sie ganz anders, als wenn der Unterricht in der üblichen Weise erfolgt wäre. Aber selbst wenn cs einer nicht so macht, dann gibt es immer noch die Wandtafel, an die mau etwas schreiben kann, und dann gibt es im mer noch die Geschichtstabellen, au die man anknüpfeu kann. Denn, meine Damen und Herren, wenn es so gemacht werden müßte, wie Herr Abgeordneter Di . Boelitz sagte, daß man sich an ein Lehrbuch der Geschichte halten muß, daß jede Abweichung ins Uferlose führt, dann ist der Lehrer nach meiner Auffassung so geknechtet, daß bei dem ganzen Geschichtsunterricht nichts Gutes herauskommen kann. Denn das ist doch sicher, daß jedenfalls das Durcharbeiten der geschichtlichen Fragen, das Erkennen der geschichtlichen Zusammenhänge erheblich mehr wert ist als die Darstellung von allen möglichen Schlachten. Gewiß, wenn gesagt wurde, es lasse sich der Unterricht da nicht mehr so kontrollieren, so ist das richtig. Aber ich habe es als Direktor und Lehrer der Oberprima schaudernd erlebt, als ich meine Oberprima in die Reifeprüfung hiueingebracht und es da so gemacht hatte, wie ich es eben jetzt dargelegt habe. Da sagte mir der Provinzialschulrat: ja. lieber Herr Direktor, die Schlachten des Siebenjährigen Krieges müs sen die jungen Herren aber auswendig wissen, und zwar uni Monat und Tag. (Heiterkeit) Allerdings, diese Kontrolle wird erheblich leichter. Aber das Beste, was der Geschichtsunterricht geben soll, das kann überhaupt ein Ge schichtsbuch, wenigstens vorläufig, nicht geben, und das ist die Ein führung in die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge. Ganz anders als bisher muß auch die Teilnahme des Volkes an der Geschichte dar- gestellt werden. Allerdings die große, schwer zu beantwortende Frage, wer denn eigentlich die Geschichte vorwärtsbringt, die einzelnen Men schen oder die große Masse, diese Frage können wir natürlich jetzt nicht im Handumdrehen lösen. Doch das ist jedenfalls sicher, daß ohne die Massen auch der Größte nichts erreichen kann, (sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei) und daß an der Entwicklung der Kultur das Volk immer seiucn An teil hat. DcslßAb, meine ich, wird es künftig die Aufgabe der Geschichtslehr bücher sein, diesen Anteil des Volkes an der Geschichte klarer und deut licher öarznstcllen, als es bisher der Fall gewesen ist. Siedlungsfragen, avirtschastliche Fragen, Wahlrechtöfrageu, alles das sind Dinge, die heut zutage stärker betont werden müssen, als es bisher der Fall war. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei) Das alles war in den heutigen Geschichtsbüchern nicht in ausreichendem Maße enthalten, und deshalb glaubte der Herr Minister, diesen Erlaß hinausgchen lassen zu sollen, lind er hält an diesen, Erlaß fest. Nun das Versprechen, das dem Vcrlcgerverein gegeben worden ist. Ich könnte, wenn ich es mit meiner Art vereinigen könnte bestreiten, daß überhaupt dieses Versprechen verletzt worden sei. Der Verleger- vcrcin hatte sich an de» Herrn Minister mit dem Wunsche gewandt, Änderungen iu den Lehrplänen bis Ostern 1922 zu unterlassen. Daraus wurde erwidert, daß sich zurzeit noch nicht übersehen lasse, ob ein so lange bindendes Versprechen gegeben werden könne; diese Frage müsse noch weiteren Erwägungen unterzogen werden. Dann war weiter, wie Herr Abgeordneter H Boelitz vorgelesen hat, von Änderungen in diesen Lehrbüchern die Rede, und cs war gemeint, daß von der Forde rung solcher Änderungen in den Lehrbüchern den Herren Verlegern 26S
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