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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.03.1920
- Strukturtyp
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- 1920-03-25
- Erscheinungsdatum
- 25.03.1920
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- Deutsch
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x° 64. 25. März 1920. Redaktioneller Teil. vürsnMatt f. » Dtschn. Buchhan»««. gewöhnlich liblich war. Gerade durch die Wiederholungen wird der Stoff vertieft. Ohne Lehrbuch sind aber Wiederholungen so gut wie unmöglich. Eine Geschichtsstunde ohne Lehrbuch halte ich nicht nur fiir möglich, sondern für sehr gut, aber den gesamten Geschichts unterricht ohne Lehrbuch zu erteilen, ist eine Unmöglichkeit. Nun kann man einwendcn: der Schüler könnte das, was in der Geschichte durchgenommen ist, nach irgendeinem Geschichtsbuch Nach arbeiten, das ihm von den Eltern gekauft worden ist. Das werden aber nur sehr intelligente Schüler fertig bringen, und wir haben doch aus der Schule nicht bloß intelligente Schüler. Und dann kommt noch folgendes dazu: wenn nun der Schüler zu Hause nach einem anerkannt schlechten, völlig unbrauchbaren Buch greift, welche Verwirrung muß dann eintreten? In den mittleren und unteren Klassen halte ich einen solchen Zustand für geradezu unmöglich, und wir kommen da zu einer völl'g unkontrollicrbarcn Arbeit unserer Schüler. Nehmen wir mal an, der Lehrer hat ein Gebiet der Geschichte behandelt und in di.'sem Gebiet das nur sehr oberflächlich besprochen, was nun nach seiner Aussaisung unwichtig ist. Nun sind die Auffassungen ja verschie den, und es ist nicht ausgeschlossen, das; der Vater oder die Mutter völlig anderer Meinung hinsichtlich dieses Gegenstandes sind, als der Lehrer. Was ist da die Folge? Der Schüler sitzt umer Leitung seiner Ellern zu Hause und lernt nach einem alten Lehrbuch Dinge, die viel leicht gar nicht in der Schule durchgenommen worden sind. Wie oft erfahren wir cs von nnsercn eigenen Kindern: wie schwer können sie auch nur den Stoff wiedergebcn, der am Morgen durchgenommen wor den ist, und nun soll nach 3 oder 4 Tagen der Schüler sagen, wir haben kn der vorigen Stunde diese oder jene Frage behandelt? In Zukunft werden unendlich viele gewissenhafte Väter und Mütter irgendeine alte Scharteke, die aus Vaters Zeiten stammt, aus dem Schrank holen und dann wird gebüffelt. Tann kommen die Schüler in die Schule zurück, mit einem Stoffe belastet, der vielleicht gar nicht durchgenommen wor den ist. Eine Menge von Mißhelligkciten zwischen Elternhaus und Schule wird so entstehen, die kein Elternrat aus der Welt zu schaffen vermag. Denken Sic einmal au die Zeugnisse! Mittelbegabte Schüler, die mit einer schlechten Zensur nach Hause kommen, werden doch gewis; oft sagen: »Das haben mir gar nicht gehabt. Der Lehrer fragt immer etwas anderes ab, als was er durchgenommen hat«. Das ist heute schon vielfach so, und wie soll das erst in Zukunft werden, wenn die Eltern gar nicht mehr die Möglichkeit haben, zu kontrollieren, was in der Schule durchgenommen worden ist. Die Folge wird schließlich bei der Mehrzahl der Schüler sein: die Schüler schaffen sich sämtlich das Buch an, von dem sie annehmen, daß der Lehrer es als Leitfaden benutzt. Dann weiß ich aber nicht, weshalb man mit solchem Erlaß hcrans- kommt, wenn es schließlich dahin führt, daß die Schüler gezwungen wer den, sich solches Buch zu kaufen. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei) Dann aber noch eine bedenkliche Seite. Bisher war der Lehrer mehr oder weniger an seinen Leitfaden gebunden, und es bestand hier die Möglichkeit der Nachprüfung dessen, was der Lehrer durchgenom men hatte, durch die Leitung. Jetzt haben wir absolut freien Spiel raum. Der Lehrer kann behandeln, was er will, er kann weitschweifige Exkurse geben, die vielfach interessant und sehr gut sind, ja die manch mal das Beste sind, das der Lehrer in der Stunde gibt. Sie dürfen aber nicht zum täglichen Brot werden. Jetzt schasst sich der Lehrer dazu Platz, da er nach seiner Meinung »Wesentliches« vom »Unwesent lichen« scheidet. Wenn der Herr Minister einseitig politisch beeinflußte Darstellungen aus dem Unterricht verbannen will, so erreicht er jetzt unter Umständen gerade das Gegenteil. (Sehr richtig! rechts) Bisher war der Lehrer gezwungen, sich mehr oder minder an den eingeführtcn Leitfaden zu halten, und das war ein sehr heilsamer Zwang. Das ist für manchen Lehrer das »Führe mich nicht in Ver suchung« gewesen, und er hat sich danach gerichtet. Es ist auch der Anf- sichtsinstanz gegenüber wertvoll gewesen. Wenn in bezug auf den Ge schichtsunterricht in dem Klassenbuch stand, daß z. B. heute 8 202 und 203 durchgenommen seien, dann wußte die Leitung, woran sic sich hal ten konnte, und sie konnte auch unter Umständen die Eltern zurück- weisen, die auf Grund von Schüleraussagcn darauf hin,Diesen, daß der Unterricht nicht vom Fleck käme. Man konnte sagen: Hier im Klassen buch steht das ausdrücklich. In Zukunft werden Eintragungen öa- ftehen, wie etwa: Es sind »Verfassnngsfragcn« behandelt worden, oder: es ist die französische Philosophie des 18. Jahrhunderts behandelt wor den. die in fünf, sechs Wochen abgemacht werden kann, u. a. Jetzt ist also Freiheit da, der Lehrer soll sich nicht mehr an das Lehrbuch halten und soll das Lehrbuch nicht benutzen. Da frage ich: wird diese Freiheit allenthalben so gewahrt werden, wie der Herr Minister cs wünscht? Die Möglichkeit, diese Freiheit nach einer Seite zu benutzen, die dem Minister selbst vielleicht sehr unerwünscht ist, ist auf jeden Fall jetzt viel größer als bisher. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspariei) Nun aber hat doch die Sache noch eine rechtliche Seite, die ich für sehr bedenklich halte, weshalb ich gerade den Herrn Minister dringend bitte, eine Revision seines Erlasses hcrbeizuführcn. Es haben sich am 25. November des vergangenen Jahres, sofort nach der Ns- volution, die Buchhändler an das Ministerium für Wissenschaft. Kunst und Volksbildung gewandt und haben gebeten, daß Lehrplanveränderun- gen nicht vor Ostern 1922 in Kraft gesetzt werden möchten, und zwei tens, daß die Neugestaltung der Schulbücher ebenfalls nicht vor Ostern 1922 verlangt werden möchte. Auf diese Eingabe hat der Herr Mini ster am 2. Januar 1919 geantwortet: »Falls solche Änderungen in Lehrplänen mit Rücksicht auf die politischen Umwälzungen vor dem genannten Zeitpunkt, Ostern 1922, für nötig erachtet werden, wird fiir die etwa erforderlichen Abänderungen in den eingeführten Lehr büchern oder die Bearbeitung neuer Lehrbücher eine angemessene Frist gewährt werden, (hört, hört! rechts) wie das bisher in derartigen Fällen geschehen ist*. Und auf die zweite Bitte hin ist vom Herrn Minister zugesagt worden, daß vor dem Jahre 1922 die Forderung auf Einführung neuer Lehrbücher, welche den Welt krieg und die veränderten staatlichen Verhältnisse berücksichtigen, oder auf die entsprechende Umarbeitung der eingeführten Bücher von hier aus nicht gestellt werden solle. (Hört, hört! rechts) Auf Grund dieser Zusage haben nun die Verlagsbuchhändler neue Auflagen ihrer geschichtlichen Lehrbücher gedruckt, die nun nach dem Erlaß vom 6. Dezember v. I. völlig wertlos geworden sind. Es han delt sich um Werte, die schätzungsweise eine Million übersteigen, un gerechnet die durch diesen Erlaß vernichteten vertragsrechtlichen Wertö, die natürlich ungeheuer groß sind. (Hört, hört! rechts) Wir ersuchen deshalb den Herrn Minister um eine Zurücknahme dieses Erlasses, der direkt ein Kaufvcrbot für unsere Schüler bedeutet. Nun noch ein kurzes Wort zu der Begründung des Erlasses durch den Herrn Minister. Der Herr Minister sagt: »Da die bisher ge brauchten Lehrbücher fiir Geschichte den jetzt zu stellenden Anforderun gen nicht entsprechen, so ist eine durchgreifende Umarbeitung dieser Bücher erforderlich«. Meine Damen und Herren, ich gebe selbstver ständlich zu, daß jedes Geschichtsbuch bei allem Streben nach historischer Objektivität den Geist der Zeit atmen wird, deren Söhne und deren Töchter cs mit heranbildcn möchte zu guten Staatsbürgern und guten Staatsbürgerinnen. Eine Lehrstunde in Geschichte wird in der Ouarta gerade so wenig wie in der Sekunda lediglich ein objektives Kolleg sein, in dem klar erkannte Ergebnisse der Wissenschaft doziert werden sollen. Jede Unterrichtsstunde ist gleichzeitig Erzichungsstunde, (Sehr richtig! rechts) und in einer solchen Stunde gibt der Lehrer natürlich viel Subjektives, das unter Umständen sein Bestes ist. (Sehr richtig! rechts) Gerade dieses Subjektive ist doch die Quelle der Erhebung und der Be geisterung. (Sehr gut! rechts — Zuruf) Da mögen sich in manchem Lehrbuch Sätze finden, die den begeisterten Anhängern des neuen Volksstaates schwer verdaulich Vorkommen. Ich gebe das zu. Denken wir an die Änderung vom Obrigkcitsstaat zun; Volksstaat, denken wir an die große Frage von Monarchie und Demo kratie. Es ist klar, daß da gerade in den Geschichtsbüchern der ver gangenen Jahre manches enthalten ist, was in unsere jetzige neue Zeit nicht hineinpasscn mag. Aber weshalb nun die Bücher gleich ent fernen? Unsere Lehrbücher haben so viel Großes und Schönes, und wir wollen es doch nicht vergessen, daß wir doch von dem Großen der Vergangenheit leben. Weshalb nun die Furcht, wenn hier mal ein Abschnitt über Hohcnzollerngeschichte oder Kriegsgeschichte steht, ein Satz, der in unsere Zeit nicht hineinpaßt? Weshalb sämtliche Bücher gleich über Bord werfen? Schauen Sie hin in das demokratische Frankreich, und sehen Sie sich französische Geschichtsbücher an mit ihrer Verherrlichung dessen, was Ludwig XIV. geleistet hat, mit der Ver herrlichung dessen, was Napoleon gebracht hat! Weshalb die furcht bare Angst, daß unsere Schüler durch solche Sätze, die in unseren Lehrbüchern stehen, verdorben werden würden? Man muß sich doch immer klar sein, daß die Lehrer, die nicht mehr an den Leitfaden und ihr Geschichtsbuch gebunden sind, viel mehr freien Spielraum haben, zu wirken und zu schassen, wie sic wollen, als bisher, (sehr richtig! rechts) ja, ganz unkontrollierbar zu wirken und zu schaffen. Jeder verständige ^ Lehrer — davon bin ich überzeugt — muß und wird den neuen Ver hältnissen Rechnung tragen, und da hätte ich eS gewünscht und hätte 267
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