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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.01.1929
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- 1929-01-10
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- 10.01.1929
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X- 8, 10. Januar 1SL9, Redaktioneller Teil. Börsenblatt f.d.Dtschn. Buchhandel. 3u Friedrich Schlegels 1VV. Todestag. Von allen geistigen Bewegungen, die den deutschen Geist er schüttert haben, ist keine so tief im deutschen Wesen verwurzelt ge wesen wie jene revolutionär anhebende, im Grunde aber nur eine Rückbesinnung darstellende Erscheinung, die wir Romantik nennen. Mag es im Ringen geistiger Bewegungen sonst noch so sehr darauf ankommen, was sie fordern und wollen, bei der Erkenntnis roman tischen Wesens kommt es immer weit mehr auf das Wie an; die seelische Einstellung ist hier das Entscheidende. Die Romantik war eine Eruption deutschen Wesens durch die verschlackte Kruste, mit der fremder Einfluß die deutsche Bildung überzogen hatte. Zwei Brüder hoben die glühende, mildbrodelnde Masse neuer Ideen aus der Tiefe, August Wilhelm und Friedrich Schlegel, zu denen dann andere sich noch fanden, sie aber sind die eigentlichen Begründer der Romantik, und von diesen beiden trat der ältere, August Wilhelm, nach außen mehr hervor; klarer Blick und sichere Hand befähigten ihn zum Führer. Aber das Herz der Romantik, das große, dunkle Herz der Ro mantik war Friedrich. Sein Herzblut ist es, was in der ganzen Romantik pulst. Tiefe des Gemüts, glühende Begeisterung, die alles Streben nach einem erkannten Ziele zum kühnen Fluge werden läßt, stützen die Grundeinstellung des Romantikers, dessen höchster Wunsch, ge boren aus dem Gefühl der kosmischen Verbundenheit des Menschen, es ist, das Ewige festzuhalten, das Unermeßliche zu ergründen. Im romantischen Wesen kommt ein typischer indogermanischer Ein schlag zur Auswirkung, dessen stärkste und echteste Ausdrucksformen sich im indischen wie auch im germanischen Geist finden. Der Impuls des Herzens — oder war es eine göttliche Flamme? — riß den kühnen Stürmer auf himmelsnahe Bahn. Im Lichte des Unendlichen, des ewig sich Wandelnden, des ewig Neuen und doch ewig nur Einen erschienen ihm alle Bindungen als fragwürdig, erstarrte Formen, hinter denen kein Geist mehr lebendig war. Darum mußte ihm die Autorität des Bestehenden sich in Nichts auflosen, die Grundlagen aller menschlichen Gemeinschaft wankten, alles, was die menschliche Gesellschaft zusammenhielt, schien auflösenswert. Das aus dem tiefsten Innern, aus dem Wesenhaften strömende und darum echte und niemals sich irrende Gefühl war ihm maßgebende Autorität allein, und so getraute er sich, die bestehende Bindung des Menschen durch Religion und gesellschaftliche Ordnung auflösen und durch Neues ersetzen zu können. Namentlich auf die religiöse Er neuerung kam es ihm an, denn die romantische Idee wurzelt immer im religiösen Gefühl. Eine neue Religion sollte zum wahren Träger alles geistigen Lebens werden. »Die Religion ist meistens nur ein Supplement oder gar ein Surrogat der Bildung, und nichts ist religiös in strengem Sinne, was nicht ein Produkt der Frei heit ist. Man kann also sagen: »Je freier je religiöser, und je mehr Bildung je weniger Religion«. (Frgm. 360.) »Es ist Zeit, den Schleier der Isis zu zerreißen und das Geheime zu offenbaren. Wer den Anblick der Göttin nicht ertragen kann, fliehe oder ver derbe.« (Frgm. 579.) »Laßt die Religion frei, und es wird eine neue Menschheit beginnen.« Wie er alle Formen der menschlichen Ge sellschaft als erstarrt erkannte, fühlte er aber auch ihr Herkommen aus der lebendigen Natur, und diesen Kern des Naturhaften, des Echten wollte er wieder erreichen, indem er die Mannigfaltigkeit der gewordenen Erscheinungen auf das Ursprüngliche zurückführte und so in einem natürlichen Zusammenfluß alle Religionen und Kulte vereinigte. Wenn es aber nun galt, das Aufgelöste zu einer neuen Syn these zu bringen, also aus dem Reich der Ideen ins Reich der Tat sachen zurückzukehren, mußte das Leben eines solchen Apostels neuer Werte, neuer Ordnungen, neuer Bindungen eine Schwungkraft be sitzen, daß sie imstande war, unzählige Geister in die Flugbahn dieses Geistes mitzureißen. Reichte das Herz der Romantik aus, um sein Blut an die Belebung dieser Ideen Hinzuströmen? Friedrich Schlegel selbst fühlte sein Unvermögen, die geistige Tat durchzu führen, er erlag immer wieder der quälenden Angst, sein Leben nicht ausschöpfen zu können und so um die Früchte seiner Ideen betrogen zu werden. Hieraus ergibt sich der tragische Zwiespalt, der sich nicht nur bei Friedrich Schlegel ausdrückt, sondern der ganzen Romantik eigen ist. Immer wieder zerrann ihm sein Wollen. Unfähig zu großen, zusammenhängenden, systematischen Arbeiten, sah sich Schlegel ge zwungen, einen ihm adäquaten neuen Ausdruck zu suchen, der weder Dichtung sein konnte noch wissenschaftliche Abhandlung, und so teilte er sich in »Fragmenten« mit. Die aphoristische Form erlaubte ihm die allerfeinste Zuspitzung des Gedankens, wie sie diesem geistigen Menschen persönlichstes Bedürfnis war. Damit wendet er sich aber auch nur an Menschen, die den Schliff solcher Gedankenprägung zu schätzen wissen. Die Romantik schuf einen solchen Kreis geistiger Aristokratie, die, mit kritischem Sinn und literarischem Instinkt be gabt, aller Kunst und Wissenschaft tatkräftiger Förderer werden konnte. Der Kritiker Schlegel siegte durch seinen Witz, durch die erbarmungslose Ironie, die die papierne Literatenwelt seiner Zeit genossen gründlicher zerstörte, als es dem schwersten Geschütz wissen schaftlicher Argumentation möglich gewesen wäre. Daß für einen so sprühenden, schillernden Geist unter seinen Zeitgenossen keine breite Gefolgschaft möglich war, leuchtet ohne wei teres ein; daß aber auch heute — hundert Jahre nach seinem Tode, und ein Jahrhundert braucht die Nachwelt ja in der Regel, um für eine Erscheinung der Geistesgeschichte die ihr gebührende Sym pathie heranreifen zu lassen — daß auch heute der Name Friedrich Schlegel im reichen Fundus der deutschen Bildung noch keine Stätte hat, das ist ein Unrecht. Die beiden Ausgaben seiner Gesammelten Werke erscheinen heute in Antiquariatskatalogen zu Phantasiepreisen, die für den Wissenschaftler einfach unerschwinglich sind; die Minorsche Ausgabe der Jugendschristen ist ebenfalls seit langem vergriffen und taucht nur selten einmal im Handel auf. Und gerade sie märe es vor vielem anderen, Wertlosen würdig, wieder gedruckt zu werden, wobei freilich eine neue Textdurchsicht nötig wäre, die die gründliche Umarbeitung berücksichtigt, die Schlegel in späteren Jahren bei der Herausgabe der ersten Gesamtausgabe seiner Werke diesen Jugendmerken hat angedeihen lassen. Warum kann man heute die herrliche »Diotima«, die verschiedenen Aufsätze und Studien zum klassischen Altertum, das »Gespräch über die Poesie« und so vieles andere von ihm nicht lesen? Nicht etwa, weil sie so antiquiert mären, daß man an ihrer Lektüre keinen Genuß hätte, sondern weil sie einfach im deutschen Buchhandel nicht aufzutreiben sind. Wo so viel Zweckloseres gewagt wird, warum wagt es niemand, Friedrich Schlegel wiederzuörucken? Es geht nicht an, das Werk dieses Mannes weiter zu ignorieren, der unbedingt einer der ausgeprägtesten Geistigen unseres Volkes war und darum schon ein Anrecht auf einen dauernden Platz in unserm Kulturbewußtsein hat. Vielleicht vermag das Gedenken seines 100. Todestages dazu zu verhelfen, daß diese alte Schuld getilgt wird. Am Abend des 11. Januar 1829 starb Friedrich Schlegel in Wien, wo er in seinen letzten Jahren auf dem Gebiet katholischer Theologie tätig war. Seine Wandlung ist von symptomatischer Be deutung für die ganze von ihm ins Leben gerufene Bewegung. Wand lung war den jungen Himmelsstürmern um die beiden Brüder Schlegel ja alles gewesen, Wandlung war romantisch, und wie die kritische Revolution am Anfang romantisch gewesen war, so war jetzt der Katholizismus romantisch. Hier mündete die inbrünstig erstrebte Synthese, auf die alles Streben Schlegels hinauslief und die für ihn in einer ursprünglichen wie endgültigen Einheit von Religion, Kunst und Wissenschaft gipfelte; in den Katholizismus rettete er seinen Glauben an die Einheit des menschlichen Geistes. Damit war die Richtung des von ihm gegebenen Impulses abgebogen. Der Anstoß verebbte. Aber er war nicht tot, er lebte unter der Oberfläche des menschlichen Bewußtseins weiter, und ist immer dann zu neuem Durchbruch bereit, wenn eine rein materialistische Auf fassung vom Wesen aller Dinge in jeder Erscheinung das Ma terielle am stärksten betont. Denn in der Blütezeit jeder Art von Materialismus bereitet sich immer der Durchbruch der Seele vor: Und das ist die Romantik. vr. Max Schumann. Jahresberichte des Literarischen Zentralblattes über die wichtigsten wissenschaftlichen Neuerscheinungen des deut schen Sprachgebietes. 4. Jahrgang 1927. Mit Anhang: Wichtige wissenschaftliche Neuerscheinungen des Auslandes. Zugleich Register zu Jahrgang 78 der Zeitschrift. Hcraus- gegeben von der Deutschen Bücherei. Schriftleitung: Biblio thekar vr. Hans Praesent. Leipzig, Verlag des Börsenver eins der Deutschen Buchhändler 1928. 2 Bl., 988 Sp. 4° Lwd. Mk. 36.—, für Bezieher des Literar. Zentralbl. Mk. 32.—. Die vor einigen Jahren unternommene Umgestaltung des Lite rarischen Zentralblatts braucht an dieser Stelle nicht mehr näher erörtert zu werden. Die wissenschaftliche Welt hat nach allmählicher Überwindung mancher Bedenken Vertrauen zu dem großzügigen Unternehmen gefaßt und schätzt es als wertvolles Hilfsmittel rascher Umschau über das kaum mehr zu beherrschende deutsche Schrifttum und seine einzelnen Verzweigungen. Dasselbe darf auch von den Ergänzungsbänden, den Jahresberichten, gesagt werden, die zu sammenfassend die deutsche wissenschaftliche Arbeit eines Jahres zu verzeichnen suchen. Ein ebenso schwieriges wie dankenswertes Unter- 31
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