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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.12.1928
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1928-12-29
- Erscheinungsdatum
- 29.12.1928
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- Deutsch
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X: SW, 29, Dezember 1928, Redaktioneller Teil, vvrsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel- sönlich nahesteht, und daß er für sie begeistert ist. Es hat sich allerdings herausgcstellt, daß manchen Schulklassen dis Frage im ganzen vorgelegt worden ist, und daß die Beant wortung gleichzeitig in Form eines Klassenaufsatzes erfolgte. Da durch bekamen diese Arbeiten mehr Bedeutung als Äußerung eines bestimmten literarischen Milieus denn als persönliches Ur teil, Wer aber den Berg der Zuschriften unbefangen und mit Innerlicher Freude am Eifer der kleinen und großen Schreiber und mit etwas Verständnis für ihre geistige Eigenart idurch- sieht, dem blüht und pulst ein ungeheuer vielfältiges Leben ent gegen, Abgesehen von den angedeuteten Klassenaufsähen ist ja niemand ein Zwang auferlegt worden. Jeder schreibt, wie es ihm ums Herz ist, auf kleinen und großen Bogen, in jeder Schriftart von der alten schwungvollen Kaufmannsschrift bis zum modernen steilen Sütterlin-Buchstaben, Man sieht die ungeübte Hand der Kleinen, die zierliche Handschrift junger Damen, die steil ausgereckten Züge des heutigen selbstbewußten jungen Mäd chens, man findet aber auch den kleinen flüchtigen Schmierfink an der Arbeit, dem die Gedanken viel schneller laufen als die Feder, und dem es auf ein paar Kleckse nicht ankommt. Daneben aber wird auch das bildnerisch begabte Kind kund, dem die Ge bilde seiner Lektüre noch so vor den Augen spielen, daß es sie aufs Papier werfen mutz. So entstehen bisweilen Briefe voll von rührendem Eigenleben des Kindes, Wenn man alle die blonden und braunen und dunklen Köpfe über diesen Briefen sich denkt, wenn man in die lebhaften Augen dieser Kinder sieht, wie sie rührend naiv, ängstlich besorgt, sinnend und grü belnd, hier und da mit steil sich aufrichtendem Selbstbewußtsein zum fremden Kritiker, an den sie schreiben, Hinüberblicken, dann schlägt dem menschlich empfindenden Leser das Herz höher. Wie viel unverdorbene, gesunde und lebensbejahende Jugend birgt doch unser Land! Der Umfang der Arbeiten geht von wenigen Zeilen bis zur Abhandlung von mehreren Dutzend Seiten, Hier wird eine ganz naive Meinung ausgesprochen, dort hilflos ein Urteil zu for men versucht; bisweilen merkt man, daß der Schreiber über eine Sache spricht, die ihn innerlich nicht ergriffen hat, bisweilen aber, besonders von Schreibern der Reifezeit, schwillt leidenschaft liche Auseinandersetzung mit dem fremden Geist, der im Buch ihnen entgegengetreten ist, aus. Dann gewinnt die jugendliche Äußerung dokumentarischen Wert für die Geistigkeit unseres heu tigen jungen Geschlechts, Als ich die Arbeiten zum erstenmal zu Gesicht bekam, war mir sofort klar, daß dieses sehr wertvolle Material nach jeder Seite hin ausgewertet werden müßte. Mir wurde daher zunächst der Auftrag erteilt, die Bedeutung und das Ergebnis des Preis ausschreibens kurz darzulegen. Der Bericht erschien im Börsen blatt für den Deutschen Buchhandel (s, Nr, 34). Dieser Be richt ist gleichzeitig unter Beifügung einer Reihe von besonders charakteristischen Preisarbeiten als Druckschrift erschienen, die an den Buchhandel und an die Presse gegeben wurde. Diese Bro schüre hat in der Fach- und Tagespresse mannigfache Meinungs äußerungen hervorgerufen, ohne daß diese Presseerörterungen Neues zutage gebracht hätten. Sie ist sogar von der Partei politik nicht verschont geblieben, denn die unbefangene deutsche Jugend hatte da hin und wieder Bücher- gelesen und empfohlen, die den Parteihäuptlingen nicht in ihren Kram paßten. Gleich zeitig hat vr, Günter Keiser, der im Aufträge des Börsenvereins die Vorsichtung der Preisarbeiten besorgt hatte und daher das ganze Material genau kannte, einen ziemlich ausführlichen Vor bericht in Nummer 1 und 3 der Jugendschriftenwarte von 1828 gegeben, der etwa in der gleichen Richtung wie mein erster Be richt ging. Mir wurde dann der Auftrag erteilt, das ganze Ma terial wissenschaftlich zu verarbeiten. Diesen Auftrag sucht die vorliegende Abhandlung auszuführen. Ich war mir von vornherein darüber klar, daß es gelte, einerseits das Ergebnis des Preisausschreibens von der Lite ratur her zu betrachten, d, h, also festzustellen, welche Literatur heute in der deutschen Jugend lebendig ist, und gleichzeitig den Gründen für die festgestellte Erscheinung nachzugehen. Anderer seits aber erschien mir ebenso wichtig, herauszustellen, worin die besondere Liebhaberei der Jugend seelisch begründet ist, und, um gekehrt, auf welche seelischen Wesenszüge die bevorzugte Lektüre schließen läßt. Mit dieser doppelseitigen Betrachtungsweise aber erscheint mir meine Aufgabe nicht erschöpft. Einmal müssen sich doch aus so breiten Erörterungen bestimmte Gesichtspunkte darüber ergeben, welche Bücherauswahl man der Jugend zugäng lich machen soll. Wenigstens müssen diese erziehlichen Gesichts punkte angedeutet werden, vor allem, wenn man das Problem so stellt, ob überhaupt das Kinderurteil über das Buch unmittel baren Einfluß nick die Bücherauswahl haben soll. Wer aber wie ich sich die Jugendschriftenfrage zur halben Lebensausgabe gesetzt hat und mitten im Auf und Ab der Jugendschriftenbewegung steht, dem standen auch methodologische Fragen auf. Wird denn das Kinderurteil über die Bücher unsere alten Anschauungen von der Jugendlektüre umzuwerfen vermögen? Wird die Literatur pädagogik, die bisher immer vom Buch ausgegangen ist und das Kind fast als Objekt betrachtet hat, ganz umlernen müssen? Ferner: Wer dem Durcheinander der Forschungsmethoden, mit denen seit etwa zehn Jahren versucht wird, dem Problem Kind und Buch beizükommen, von Anbeginn kritisch nachgegangen ist, der wird versuchen, festzustellen, ob dis Ergebnisse des vorliegen den Preisausschreibens in methodologischer Hinsicht neue Aus blicke eröffnen und wie etwa das Neue im Umkreise des Alten da steht, Man sieht sofort, das ist ein Komplex von Fragen, der sich ganz allseitig nur in einer ausführlichen wissenschaftlichen Unter suchung entwirren läßt. Ich muß mir deshalb im Folgenden Be schränkung auferlegen und kann manches nur andeuten. Ehe ich an die Untersuchung selbst gehe, muß ich einige Vor aussetzungen feststellen, ohne die ich vielleicht mißverstanden werde. Manches davon mag selbstverständlich erscheinen, aber ich bin durch mannigfache Erfahrungen gewitzigt, nichts für selbst verständlich zu halten. Das Jugendbuch ist eine Besonderheit in der Literatur, und für die Jugendschrift gelten zum Teil ganz andere Gesetze als für die Literatur der Erwachsenen, Das Buch für den Erwachsenen wird von Erwachsenen geschrieben und von Erwachsenen, größtenteils vom Leser selbst, gekauft, Kinder bücher aber schreibt nicht das Kind, sondern der Erwachsene, dessen Geistesleben von dem des Kindes wesensverschieden ist, und es wird auch vom Erwachsenen für das Kind ausgewählt, und das Kind ist nur zum allerkleinsten Teil in der Lage, selbst seine Lektüre zu bestimmen, und dann ist es immer noch auf den Umkreis dessen angewiesen, was der Erwachsene für die Jugend bereitgestellt hat. Man erwidere mir nicht, daß die Jugend ihr Lieblingsbuch, das ihrem Wesen ganz und gar entspricht, schon finden werde. Es gibt heute eine Jugendliteratur ganz be stimmter Ausprägung, und es gab vor dreißig und sechzig und hundert Jahren eine andere, bei deren Erzeugung und Auswahl das Kind überhaupt nicht oder nur in bedeutungslosen Einzel fällen gefragt wurde. Immer war das Jugendbuch nicht der Wesensausdruck des Kindes, sondern es entsprang den Er ziehungsmeinungen des Erwachsenen und war in seiner Art be stimmt durch die Ansicht, die der Erwachsene jeweils vom Kind hatte. Erst seit genau zehn Jahren fällt das Urteil des Kindes bei der Jugendlektüre entscheidend ins Gewicht, Das heißt, es sollte so sein. Tatsächlich aber schert sich ein Teil der Ju gendschriftsteller und -Verleger um das Kind rein nichts, sondern setzt nach wie vor Bücher in die Welt, die die Eltern, Onkel, Tan ten, Großväter und Großmütter, und wer sonst die Käufer der Jugendbücher sind, mit Vorliebe in den Buchläden erwerben. Wenn wir also das Kind nach seinem Lieblingsbuch fragen, dann präsentiert es uns immer das 'Buch, das der Erwachsene für das Kind geschaffen und ihm gegeben hat. Jedes Kinderurteil über ein Buch hat also nur relative Bedeutung, Es wird in seiner Bedeutung noch mehr eingeschränkt durch die soziale, geistige und literarische Umwelt des Kindes. Ganz riesenhafte Statistiken über die Lieblingsbücher der Jugend, wie die von Rumpf, (»Kind und Buch-, Dümmler), find letzten Endes nichts anderes als ein Widerschein des literarischen Milieus der Volkskreise, aus denen die befragten Kinder stammen, Rumpfs Umfrage hielt sich innerhalb der Büchereien des katholischen Borromäus-Vereins und traf auf eine Literatur einerseits scharf katholischer Aus prägung, andererseits eines besonderen spezifischen Schrifttums für die Jugend, wie es einige große katholische Verlage heute 1397
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