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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.01.1919
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- 1919-01-23
- Erscheinungsdatum
- 23.01.1919
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Redaktioneller Teil. M 16, 23. Januar 1919. dichterisch wertlosen Buches.« Alfred Biese endlich meint, das; der »Demiurgos« wegen seiner schlechten Verse trotz des hei ligen Ernstes, mit dem er vorgctragcn werde, heute unbezwing- lich komisch wirke, sieht bei der »Nibelunge« nur die unzu längliche Dichterkraft und schließt mit dem wundervollen Ge meinplatz: »Eine großzügige, die höchsten Probleme umspan nende Seele wohnte in Jordan; doch auch Größeren mißlang das heiße Streben, Wissenschaft und Poesie in vollwer tigen, tendenzfreten Werken zu vereinigen«. Rur Max Koch findet noch, daß die »Nibelungc« trotz ihrer Mängel als Ganzes den Stempel gewaltiger Dichterkraft trage und im einzelnen erschütternde Größe entfalte — da spricht wohl die Wagner-Begeisterung mit. Ich selber bin Jordan gegenüber immer vorsichtig gewesen, habe ihn als »Reflexionspoeten« be zeichnet, aber den Poeten doch festgchalten: Seine Zeitbcdeutung ist ohne Zweifel nicht gering, und mit bloßer Absprecherei er ledigt man ihn nicht. Wohl hat er sich selbst überschätzt und ist auch überschätzt worden, aber eine bloße Scheingröße ist er keineswegs, sondern eine wirkliche Potenz, vor allem eine geistige, die ihre Stellung in der deutschen Entwicklung behaup ten wird, ja vielleicht noch wieder zu unmittelbarem Einflüsse gelangt: für die nach dem Niederdruck; notwendig gewordene deutsche Erneuerung können wir so entschieden deutschgesinnte Männer wie Jordan sicherlich gebrauchen. Man mutz sich freilich einige Mühe geben, den guten Willen haben, ihm ge recht zu werden. Über sein Leben braucht man nicht allzu viel zu sagen. Er entstammte einer ostpreußischen Pfarrcrfamilie und wurde am 8. Februar 1819 zu Insterburg geboren. Der Name der Mutter ist mir nicht bekannt. Sie war es, die dem Sohne, der die Gymnasien zu Gumbinnen und Tilsit besucht hatte und seit 1838 zu Königsberg Theologie studierte, beim Vater die Erlaubnis auswirkte, zur Philosophie und Naturwissenschaft überzugehen. Noch als Student veröffentlichte er politische Lyrik, wie sie damals zeitgemäß war, promovierte dann, seytk seine Studien aber noch ein Jahr zu Berlin fort. - Darauf lebte er als Schriftsteller in Leipzig, geriet ckber hier in Preß- prozesse und wurde wegen eines »gotteslästerlichen« Gedichtes zu vier Wochen Gefängnis und Landesverweisung verurteilt. Er begab sich nun nach Bremen, wo er als Lehrer tätig war, dann 1848 nach der Februarrevolution nach Paris, von wo aus er Korrespondenzen schrieb. Nach Deutschland zurückge kehrt, wo er zuerst seinen Wohnsitz in Berlin nahm, wurde er für Freienwalde ins Frankfurter Parlament gewählt und schloß sich hier zunächst der Linken, als ihn aber eine Polenrede in dieser unmöglich machte, dem Zentrum und der Gagernschen Erbkaiserpartei an. Später ward er Ministerialrat in der Ma rineabteilung des Reichsministeriums für Handel und blieb in dieser Stellung bis zur Versteigerung der deutschen Flotte. Im Besitz einer Pension und mit einer Landsmännin verhei ratet, behielt Jordan seinen Wohnsitz in Frankfurt a. M. und unternahm von hier aus seit 1867 seine Fahrten als Rhapsode seiner »Nibelunge«-Dichtung, die ihn in 158 Städte Deutsch lands, Österreichs, der Schweiz, Englands, Hollands und Nord amerikas, bis nach San Francisco, führten. In späteren Jahren lebte er ruhig in Frankfurt, nur hie und da noch öffentlich her vortretend. So habe ich z. B. ihn seine Spätdichtung »Fell Dora« vortragen gehört. Nachdem ihm seine Gattin 1892 vor angegangen, starb er am 25. Juni 1994. Jordans älteste Dichtungen, die politischen Gedichte »Glocke und Kanone« <18411 und »Irdische Phantasien« (1842), auch der Weckruf an das Ronge-berauschte Deutschland »Ihr träumt« (1845) und die »Litauischen Volkslieder und Sagen« sind na türlich längst aus dem Buchhandel verschwunden. Die letzte politische Sammlung »Schaum« <1846) hatte Jordan in seinen Selbstverlag übernommen, der dann nach seinem Tode in den Verlag von Moritz Tiesterweg, Frankfurt a. M., überging; sie ist nun aber auch vergrifsen. Dagegen ist das große, dreibändige Mpsterinm »Demiurgos«, eine episch-dramatische Dichtung, 1852 im Verlag von F. A. Brockhaus, Leipzig, erschienen, durch den genannten Frankfurter Verlag noch erhältlich, und ich denke doch, daß es der eine oder der andere denkende Deutsche zum 100. Geburtstag des Dichters kaufen wird — es ist sein erstes Hauptwerk; Hebbel nannte es »reich an Geist und Poesie«, und ich bin, seitdem ich es gründlich studiert habe, der Überzeugung, daß es, wie es in der neuesten Auflage meiner »Deutschen Dich tung der Gegenwart« heißt, »jeder, der das Werden des heu tigen Deutschlands verstehen lernen will, lesen muß«, mögen auch manche Gcdankenformulierungen heute ein bißchen drollig anmuten. — Mit der Prologszcne »Das Interim« <l855> und dem Verslustspiel »Die Liebesleugner« <1856) beginnt Jordans dramatische Tätigkeit, die nicht unfruchtbar gewesen ist: das Lustspiel wurde über 200mal gegeben. Für das Trauerspiel »Die Witwe des Agis« <1858) erhielt Jordan bei einem Mün chener Preisausschreiben die ehrenvolle Erwähnung, und wenn auch das Schauspiel »Arthur Arden« <1873) ziemlich unbeachtet vorüberging, das neue Verslustspiel »Durchs Ohr« «eit 1865 auf den Bühnen, 7. Auflage, 1901) errang doch wieder auf allen Bühnen Erfolge und wird Wohl noch jetzt hie und da gespielt. Es folgten noch die weiteren Lustspiele »Tausch ent täuscht« <2. Ausl. 1884), »Sein Zwillingsbruder« <1883), die Festspiele zur Grimmfcicr <1885) und zur Einweihung des neuen Theaters in Frankfurt a. M. und zuletzt das Schauspiel »Liebe, was du lieben darfst«. Ich bin immer der Überzeugung gewesen, daß die Verslnstspiele Jordans in der Entwicklung unseres Lustspiels etwas bedeuten, und ich glaube, daß sich in Zukunft noch manches an sie anschließen wird. Jordans zweites Hauptwerk ist dann natürlich die »Nibe- lunge«. die durch die beiden Schriften »Der epische Vers der Germane» und sein Stabreim« <1868) und »Das Kunstgesetz Homers und die Rhapsodik« eingeleitet wird und in ihren zwei Teilen »Die Sigfridsagc« und »Hildebrands Heimkehr« 1868 und 1874 erschien. Mir liegen diese in der 15. und 13. Auflage 1904, also aus dem Todesjahr des Dichters, als neue wohlfeile Ausgabe vor — der Erfolg des Werkes ist sehr groß gewesen, und die ältere Literaturgeschichtschreibung, etwa von Gotischall bis Brenning, hat sich im allgemeinen auch günstig zu ihn; gestellt. Wir wollen an dieser Stelle den Kampf um das Ehos nicht wieder aufnehmen: daß es nicht die gleichsam »Homerische« Fassung unserer Nibelungen- und Dietrichssage ist, wie Jordan sich wenigstens manchmal eingebildet hat, dürfte heute jedem berufenen Beurteiler feststehen; es als ganz miß lungen kurzerhand abzutun geht aber doch nicht an. Ich habe schon vor Jahren geraten, es in Zusammenhang mit dem archäo logischen Roman zu betrachten, und bilde mir noch jetzt ein, daß ich den richtigen Fingerzeig gegeben habe. Im besonderen die Gymnasiallehrer haben sich vielfach für das Werk begeistert, und es gibt auch einen Auszug aus der Sigfridsage als Schul ausgabe <Diesteiwegs deutsche Schulausgaben) von vr. Ed. Prigge, der mehrere Auflagen erlebt hat. — Die starke Anteil- nähme an aller epischen Dichtung, die er durch sein großes Werk gewonnen hatte, ließ Jordan dann auch als Übersetzer Homers auftrcten: Nachdem er schon 1861 »Shakespeares Ge dichte«, 1862 die »Tragödien des Sophokles« gegeben, trat 1878 Homers »Odyssee«, 1882 die »Ilias« hervor. Später, 1889, folgte dann auch noch die »Edda«. Seine Anschauungen über epische Dichtung hat Jordan in den »Epischen Briefen« (1876)' zu- sammengefaßt: sie sind zweifellos ein wichtiger Werk in der mit F. A. Wolfs »krolegomona all kloinerum« einsetzenden Entwicklungsreihe. Auch die »Episteln und Vorträge« <1891) enthalten noch mancherlei zur Poetik, doch auch anderes, wie z. B. den Aufsatz »Begegnungen mit Arthur Schopenhauer«. Zwischen den beiden Teilen der »Nibelunge«, 1871, war eine neue Gedichtsammlung »Strophe und Stäbe« erschienen, die auch eine Reihe Nachbildungen enthielt. Ihr folgten 1877 die Gedichte »Andachten«, Weltanschauungsdichtung Jordans — es wird einmal nötig sein, ihn einseitig als Weltanschauungs dichter zu betrachten, da ja selbst die »Nibelunge« im Dienst moderner naturwissenschaftlicher Ideen steht und Jordan un zweifelhaft z. B. manches Nietzschesche vorausgenommen hat. Die Schrift »Die Erfüllung des Christentums« <1879) wird denn auch gleich passend hier erwähnt. — Große Überraschung er regte es, als Jordan 1885 mit dem Roman »Die Sebalds« (Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart) hervortrat. Das Werk,
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