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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.05.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-05-23
- Erscheinungsdatum
- 23.05.1914
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1914
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/ff 117, 23. Mai 1914. Künftig erscheinende Bücher ^ ^Verlag ^ /u^Ertteva.tu.1" und o^unl? Alte Deutsche Schwänke /Schwänke haben sich schon die alten Chinesen erzählt; im Orient sind sie märchenüppig aufgeschossen; Griechen ^^ und Römer habe» fröhlich fabuliert; und dass auch die übrigen Völker Europas gerne auf de» Bänken saßen, wo die Spötter sitzen oder wo man die schönen moralischen Nutzanwendungen herstellt, das geht nicht bloß aus der Literatur des Mittelalters und der beginnenden Renaissance hervor. Ganz zu schweigen von dem Anteil, den nach neuerlichen ethnologischen Zorschungen der liomo 8spiens im Polareis wie auf den Inseln der Südsee am anekdotischem Kram und Spaßwerk hat. Das sechzehnte Jahrhundert ist die Hauptzeit der deutschen Schwankdichtung gewesen. Da finden sich denn freilich allenthalben Anklänge an ältere und neuere Vorgänger: an antike Schriftsteller, an mittelalterliche Moralisten und Lcgendenschreiber, an italienische Novellen und lateinische 8azetien, an französische Fabliaur, an den munteren Tübinger Professor Heinrich Bebel u. a. m. Aber schließlich kommt cs doch auf die Hände an, die „geschöpft" haben; und dann ist eben nicht bloß geschöpft, sondern froh und reichlich weiter ge schaffen worden. Gewiß: viel ferne O-uellen rauschen hier; doch sie fließen in die Brunnenschalen alter deutscher Städte, und Gaffen, Markt und Menschen jener Zeit spiegeln sich darin. plan gewinnt aus diesen Schwänken kein weniger kräftiges Bild von dem Deutschland des sechzehnten Jahr hunderts als aus dem Simplicius Simpliciffimus von der schweren Zeit des „großen Krieges" und den Jahren nachher. Nicht von dem Deutschland der hohen Herren und Geschehnisse, aber von der breiten bürgerlichen und bäuerlichen Unterschicht, von ihrer Art zu leben, zu denken, zu sprechen, sich zu hänseln, zu sorgen, zu zechen, zu schmausen, zu kämpfen, zu lieben und zu sterben. Derb und rauhbeinig genug gehr cs dabei zu, und in Sachen der „guten Sitten" herrscht manchmal eine er staunliche lveitherzigkeit. Stadt und Land, die verschiedenen Berufe, Stände und volksstämmc, Schlaukipfe und Tölpel, Biederleut und Abenteurer, Tugenden und Laster werden kunterbunt gegeneinander ausgespiclt; man ver allgemeinert unbedenklich, und die auserkorenen Lieblinge des kleinen Mannes, Klerus und hohe Obrigkeit, schneiden nicht immer sehr glorreich ab. Unsere Sammlung bringt eine Auswahl der besten, urwüchsigsten und charakteristischsten deutschen Schwänke. Sie sind dem Inhalte nach in Abschnitte gruppiert, wie z. B.: von den bauwren; von ordenßlüten, guten brüdern vnd pfaffen; Von dem bapst; Von der beicht; Von dem bösen Geist; Von vrreil vnd vrkcilsprcchcrn, richlcrn vnd schultheiffen; von artzcten, scherern vnd aporeckern; von den Stvdenren; Von narren vnd ungelehrten lütcn; von Wucherern vnd roßtüschern; von den landsknechten usw. Die wunderbare alte, stark mundartlich gefärbte Sprache all dieser Historien mußte in ihrer Pracht und Fülle unangetastet bleiben. In unser Schrift- und Papierdeutsch übertragen, wirken die Schwänke matt, blutleer und ausgewaschen. Es wurde vom Herausgeber sogar vermieden, die Geschichten über den Kamm einer einheitlichen Orthographie und Interpunktion zu scheren. Damit wäre ihnen ein besonderer Reiz genommen worden. Auch die lvortcrklärungen sind auf das Allernolwendigste beschränkt. Dies volkstümliche, derbe, anschauliche Deutsch will umworben sein und darf dem Leser von heute nicht allzu bequem in den Mund gestrichen werden. Jeder, der die prachtvolle Usbelsis-Ubertragung kennt, die vr. Vwlglaß mit Engelbert Hegaur vor einigen Jahren neu nach dem Altfranzösischen gemacht hat, und der seine kürzlich erschienene Neuausgabe der Komödien Sebastian Sailers besitzt, wird wissen, daß I)r. Owlglaß der richtige Mann für ein deutsches Schwankbuch ist. Unsere Ausgabe hat besonderen Reiz und lvert durch die Holzschnitte, die Mar Unold dafür geschnitten hat. Es sind zehn Holzschnitte im Text, von denen wir einen hier wicdergebcn, und das Titelblatt, das am Anfang unseres Prospekts abgcdruckt ist. Mar Unold ist zurzeit unser bester Holzschnittkünstlcr, und gerade der knorrige Stil des sh. Jahrhunderts liegt ihm und ist in seinen Arbeiten unübertrefflich echt. So war er der gegebene Illustrator für unsere Schwänke, und er hat seine Aufgabe meisterlich erfüllt. Unsere „Alten deutschen Schwänke" sind also auch ein schönes Buch, insbesondere natürlich die Liebhaber- Ausgabe, und schon aus diesem Grunde unschwer verkäuflich, lvir bitten, das Luch fleißig vorzulegen. München, Ende Mai
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