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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.08.1928
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- 1928-08-25
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- 25.08.1928
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A? 198, 25. August 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn.Buchhandel. entschieden war, so konnten die Leiter des Staates doch noch nicht darauf bauen, daß man der kräftigen Hand der Völker nicht mehr bedürfen werde. Man wußte oben noch sehr wohl, was man dem Volke, der Presse und der Literatur in diesem Kampfe zu danken gehabt hatte, und war nicht so überzeugt, daß man diese Faktoren nicht über kurz oder lang wieder werde gebrauchen müssen. Auf dem Wiener Kongreß noch versprach Metternich die Sicherstellung der staatsbürgerlichen Freiheit, als deren Kleinod auch die Preß freiheit erwähnt wurde. Das Volk erwartete also eher eine weitere Lockerung als eine Verschärfung der Zensurvorschriften. Die Lei tung der Zensur lag auch in den Händen eines ganz anderen Mannes, als der berüchtigte Graf war, der dann sein Nachfolger wurde. Freiherr von Haager war immer mehr Soldat als Polizist, immer mehr Edelmann als GeisteSbeschneider. Unter seiner Ara kam die erwähnte, weitaus mildere Zensurvorschrift heraus, wurden Leihbibliotheken und Lesesäle wieder eröffnet und so doch manchem Lichtstrahl der Weg nach Österreich gebahnt. Ein deutliches Bild von der Änderung der Verhältnisse nach dem Tode dieses Mannes (1. VIII. 1816), dem im In- und Auslande sehr ehrenvolle Nachrufe gehalten wurden, geben uns einige Zahlen, die ich verschiedenen Akten des B.-N.-A. entnehme (814/288 v. 27. I. 1820, 10 956/179 ex 1821). Darnach umfaßten die monatlichen Protokolle der verbotenen Bücher in den Jahren 1813—15 nur 2—3 Bogen mit je 8—12 Werken; die Bogenzahl stieg im Jahre 1819 auf 5—8, 1820 auf 17—20 und im Jahre 1821 zählte das R.-A. monatlich 20— 80 Bogen mit je 80, 90, ja 100 Werken! Daß diese Zunahme der Verbotsdezisa nicht nur mit dem trotz aller Zensurmahnahmen nicht verhinderten allgemeinen Aufschwung der literarischen Tätigkeit und der Vergrößerung des österreichischen Staatsgebietes zusammenhängt, beweisen die denselben Akten entnommenen Zahlen der Zensurzettel der erlaubten Bücher, wovon es im 1. Quartal 1815 143 Stück, im 3. Quartal 1821 hingegen 712 Stück gab. Während also die ver botenen Werke im Durchschnitt im Verhältnis 1:88 stiegen, vermehrte sich die Anzahl der erlaubten Bücher nur um das knapp Fünffache! Diese drastischen Ziffern werden auch durch die Anzahl der Zensoren bestätigt, die von einem einzigen bis zum Jahre 1819 im Jahre darauf auf 3 stieg, während es im Jahre 1832, wie wir aus dem weiter oben zitierten Akt gesehen haben, bereits 14 gab, welche Zahl sich im letzten Jahrzehnt vor der Revolution noch um 10 vermehrte. Und all dies unter Geltung derselben Zensurvorschrift vom Jahre 1810. Wenn wir also die Ende 1813 gegebenen Verhältnisse in Betracht ziehen, läßt sich doch ganz leicht denken, daß Mayrhofer, wenn ihm maßgebende Persönlichkeiten den Posten eines Bücherrevisors als aussichtsreich bezeichneten, doch ganz gerne, ja mit Lust zugegriffen hat. Günstig war nun die Situation im B.-N.-A. Schon nach einer Woche war sein Ansuchen, das von einem Empfehlungsschreiben des Hofkanzlers Graf Prokop v. Lazanzky begleitet war, im günstigen Sinn erledigt, und er trat als unbesoldeter Praktikant beim R.-A. ein. Vom I. Sept. ab bezog er bereits ein Taggeld von 1 fl. 30, das es ihm ermöglichte, das mühselige Erteilen von Privatunterricht auf zugeben. Im November desselben Jahres wurde »der sehr geschickte, mit der Literatur vertraute, alle philosophischen und juridischen Stu dien besitzende Praktikant Maierhofer« (Akt 2995/ 4384 ex 1814) zum Dritten Revisor vorgeschlagen. Vom 28. November 1814 ist die kaiserliche Entscheidung datiert, die Mayrhofers Ernennung mit einem Jahresgehalt von 700 fl. 6.U. aussprach, wozu noch ein Quar tiergeld von 80 sl. kam. Wohl zur Feier dieses Ereignisses brachte Josef v. Spaun seinen jungen Freund Franz Schubert in Mayr hofers Wohnung mit, denn das Gedicht »Am See«, das die Bekannt schaft zwischen »Dichter und Tonsetzer« vermittelte, wurde am 7. LII. 1814 komponiert. So glückliche Folgen diese Bekanntschaft für den Dichter mit sich brachte, so unglückliche sollten die Folgen des Er eignisses sein, das die unmittelbare Veranlassung dazu war. Sein Beruf wurde Mayrhofer zum Schicksal. III. Mayrhofers Stellung zu seinem Beruf. Mit wie großen Hoffnungen auch Mayrhofer seinen Beruf an getreten haben mag, er sah sich gar bald aufs bitterste enttäuscht. Nach wenigen Jahren starb sein ihm günstig gesinnter oberster Vor gesetzter Frh. v. Haager, über dessen Bedeutung wir uns oben etwas orientiert haben. Sein Nachfolger wurde Graf Sedlnitzky, der skrupellose Verfechter des »Systems« und der Reaktion, die nach der Konsolidierung der politischen Verhältnisse auf dem Wiener Kon greß rasch immer fester Fuß faßte und durch unzählige Erlässe und Verordnungen die Schreibfreiheit in stets engere Fesseln schlug. Auch Mayrhofer selbst hatte bald darunter zu leiden, da sein Amtsvorsteher Sartori gezwungen wurde, das Erscheinen der von ihm redigierten »Vaterländischen Blätter«, deren Mitarbeiter Mayrhofer war, ein- 952 zustellen und auch die Fortsetzung der »Beiträge zur Bildung für Jünglinge«, die Mayrhofer im Verein mit seinen Freunden heraus gab, für das Jahr 1819 verboten wurde. Es war dies das Organ eines nach dem Muster des Deutschen Tugendbundes im Jahre 1811 in Linz gegründeten Vereines begeisterter Jünglinge, der gewiß die edelsten vaterländischen Tendenzen verfolgte und dessen unter der Leitung Mayrhofers stehender Wiener Gruppe auch Schubert, Scho ber, Kupelwieser, Schwind und Senn angehörten. Der letztgenannte unglückliche Freund Mayrhofers, der Dichter des noch heute im Volke lebenden »Tiroler Adler«, wurde im März 1820 im Zuge der nach der Ermordung Kotzebues in Österreich auf die Tagesordnung ge kommenen Studentenverfolgungen durch eine ganz grundlose Ver haftung aus dem Kreise der Freunde gerissen, lange im Gefängnis gehalten und endlich, moralisch und finanziell zugrunde gerichtet, in seine Heimat, nach Tirol abgeschoben. Dazu kamen noch ganz unleidliche Zustände am Dienstorte, die Mayrhofer die Ausübung seines ihm unlieb gewordenen Berufes noch verhaßter machen mußten. Das B.-R.-A. mußte nämlich im Sommer 1818 in das eben zur Not fertiggestellte neue Amtsgebäude auf dem Laurenzerberg übersiedeln, »wo noch von Maurern, Tisch lern, Anstreichern und Glasern etc. gearbeitet wurde, mährend die Beamten manipulieren mußten«. Eine Eingabe Sartoris vom 25. Juni 1819 (Akt 5250/242) gibt ein lebendiges Bild dieser unleid lichen Zustände. Im vollen Vertrauen auf die gesetzlich vorgeschrie bene Untersuchung durch die Gebäudeinspektion »glaubten die B.-R.- Beamten, daß sich der Kalk- und Farbengeruch, die Dünste und an den Wänden hcrabträufelnde Nässe verlieren würden, wenn die Zim mer fleißig gelüftet und mit Wacholderholz durchgeräuchert würben. Aber es zeigte sich, daß die k. k. General-Gebäude-Jnfpektion die oben angegebenen Verordnungen unmöglich respektiert haben könne, sonst würde sich ausgewiesen haben, daß ein Locale, bas tiefer liegt als der nebenbefindliche Hofraum, das nie von den Strahlen der Sonne durchwärmt wird, das nicht gehörig ausgetrocknet, noch jetzt den unerträglichen Dunst, Moder, Schimmel, Feuchtigkeit und Nässe erzeugt, in dem die neuverfertigten Möbel auseinanderfallen und verfaulen, in dem die Bücher verschimmeln, um so weniger zur Be wohnung für Staatsbeamte geeignet sein könne. .... Ja, alle Men schen, die nur flüchtig dort zu tun haben, erstaunen, wie die Beamten das aushalten können«. Die Nichtigkeit dieser Schilderung bestätigt auch ein Brief F. B. Schnellers an Prokesch-Osten vom 17. Februar 1821: »Das widerliche Gefühl, welches Sie in der Höhle Sartoris be fällt, habe auch ich nicht selten empfunden. Zu Zedler muß man gar unter die Erde steigen . . .« So sah der Raum aus, in dem der luft- und sonnenhungrige Alpensohn Mayrhofer acht und mehr Stunden des Tages verbringen mußte. Kein Wunder, wenn er beim Spaziergang in der freien Natur nur mit Schauder an ihn zurückdachte, kein Wunder, wenn alle Be amten des B.-R.A. nacheinander oder auch mehrere gleichzeitig krank wurden und einer, der Kanzlist Passy, an den Folgen dieser Krankheit starb! Unser Dichter war vom 3. Sept. 1818 bis anfangs Mai 1819 im Krankenstand: die ärztlichen Zeugnisse sprechen von »nervös-hypo chondrischen Beschwerden«, »chronischem Schwindel«, »galligt-rheuma- tischem Fieber«. Zum Jahreswechsel 1821/22 war er wieder für drei Wochen ans Bett gefesselt, und den Höhepunkt erreichte die Krankheit im Frühjahr 1824 in »einem mit einer allgemeinen herumwandern den Gicht vergesellschafteten Leberleiden«. (Akt 1771.) Kuraufenthalte in Ischl, Karlsbad und Franzensbad scheinen seinen Zustand in den nächsten Jahren bedeutend gebessert zu haben, wenigstens werden vom Jahre 1828 ab seine Erholungsurlaube seltener und von kür zerer Dauer. Sein Hauptübel war allerdings eine durch den seeli schen Zwiespalt zwischen seiner Amtspflicht und seiner freisinnigen Lebensauffassung genährte Hypochondrie, der er vergeblich auf alle mögliche Weise zu entkommen trachtete. Er floh vor ihr in die freie Natur, in den lachenden Frühling des Wiencrwaldes. Die Ausflüge in seine Gebirgsheimat ließen ihn am leichtesten sein trauriges Los vergessen. Um so drückender mar dann der Rückweg zu den modrigen Folianten. Hier in der mauerumschlossenen Stadt flüchtete er in den Kreis der Freunde, um sein trauriges Schicksal für einige Stunden zu vergessen. Wenn sie dann von blauen Rauchschwaden umgeben, bei einem Glase Wein oder Punsch, in die Vergangenheit blickten, an den freien Helden der Vor zeit sich begeistert, in dem Gedanken an das freie Österreich Josefs II. sich berauscht hatten, dann konnte für Augenblicke Zeit und Gegen wart versinken und eine frohere Zukunft ihrem Auge leuchten. Wenn nun erst Freund Schubert seine Töne erklingen ließ, dann war Mayrhofer von allen Übeln erlöst, dann hoben sich die bleiernen Nebel der Gegenwart, um bas Morgenrot der ersehnten Freiheit Hindurchblicken zu lassen, wie er es so dankbar in einem seiner schönsten Gedichte »Geheimnis« bekennt:
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