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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.07.1928
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- 1928-07-07
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- 07.07.1928
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156, 7. Juli 1928. Redaktioneller Teil. Geh. Rat vr. Leidlnger - München das Wort zu seinem Festvortrag: »Was ist Bibliothekswissenschaft?«. In diesem Vortrage suchte der Redner nachzuwcisen, daß heute von einer Bibliothekswissenschaft gesprochen werden darf und muß. Wissenschaft, so definierte der Redner, ist die Systemati sierung der Erfahrungen auf einem aügcgrcnztcn Gebiet der Er kenntnis. Dementsprechend stellt sich die Bibliothekswissenschaft als die Systematisierung der Erfahrungen aus allen Funktionen des Bibliothekswesens dar, wobei die geschichtliche Betrachtung der vergangenen Epochen eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Der Widerstand gegen die Prollamierung der Bibliothekswissen schaft war im eigenen Lager nicht geringer als von außen. Aber trotz der vielseitigen Zweifel an der Berechtigung der Biblio thekswissenschaft als Sonderdisziplin ist es ihr gelungen, sich Anerkennung und Geltung zu verschaffen. Um aber eine Wissen schaft werten zu können, muß die Kenntnis des Bibliothekswesens durch die Lehre verbreitet werden. Es ist daher notwendig, daß die Bibliothekswissenschaft in den Rahmen der »IlnivarsitW literarum» einbezogen wird. Für den Nachwuchs der Beamten der höheren Bibliothekslaufbahn muß die Möglichkeit eines ge regelten Studiums mit bibliothekswisscnschaftlichen Vorlesungen, Übungen usw. im Lehrplan der Universität als selbständiges Fach vorhanden sein. Freilich muß die theoretische Ausbildung mit praktischer Unterweisung Hand in Hand gehen. Der Nachteil in der bisherigen Besetzung der Lehrstühle für Bibliothekswissen schaft besteht darin, daß sie nur mit Honorar-Professuren bedacht sind, während der Erfolg der gründlichen Ausbildung die volle Arbeitskraft eines ordentlichen Professors voraussetzt. Ferner muß die Bibliothekswissenschaft als Prüfungs- und Promotions fach Anerkennung finden. Dazu sind als Nebenfächer zur Er gänzung Paläographie, Sprachgeschichte, Archäologie usw. wünschenswert. Die Hauptfächer zur Lehre der Bibliothekswissenschaft sind: 1. Buchkunde (Handschriftenkunde, Druckkunde, Buchhan del usw.). 2. Literaturkunde (Bibliographien usw.). 3. Lehre vom Bibliothekswesen der Vergangenheit. 4. Lehre vom Bibliothekswesen der Gegenwart. Zu 4. können die einzelnen wissenschaftlich zu bearbeitenden Gebiete spezialisiert worden in: s) Einteilcn der Bibliotheken (öffentliche und Privat bibliotheken, Volks- und Fachbibliotheken, öffentliche Lesehallen usw.). b) Bibliotheksbauten. c> Verwahrung der Bücherbestände (Aufstellung, Ord nung, Katalogisierung usw.). ch Bibliotheksverwaltung (Finanzfragen, Personal sragen, Statistik usw.). Selbst wenn man grundsätzlich der Betonung der Biblio- thckslehre als Wissenschaft nicht die uneingeschränkte Bedeutung beimessen will, wie der Vorsitzende es tat, so enthielten die Aus führungen doch wesentliche und aus gründlicher Kenntnis der Verhältnisse beruhende Anregungen für die Berufsausbildung des Bibliothekars. Für den Nachmittag des ersten Tages war zum Empfang im historischen Saal der Universitätsbibliothek cingeladen. Der historische Saal der Göttinger Bibliothek befindet sich in dem Schiff der ehemaligen Universitätskirche und ist ziemlich un berührt in seiner traditionellen Gestalt erhalten. Es war somit ein stimmungsvoller Raum für den Vortrag des Bibliotheks rates Professor vr. Hessel- Göttingen gegeben, der über die Verdienste Heynes um die Göttinger Bibliothek sprach. Heyne war der Leiter der Göttinger Universitätsbibliothek vor etwa 109 Jahren, und seiner weitblickenden und zielbewußten Amts führung, in der er durch den Univcrsitätskurator Freiherrn von Münchhausen einen verständnisvollen Förderer fand, ist es ge lungen, sic zu einer der größten und angesehensten unter den deutschen Bibliotheken jener Zeit zu machen. In dem Bild, das Hessel von ihm entwarf, erscheint Heyne als der Mann, der von Natur aus alle Fähigkeiten zu einem mustergültigen Bibliotheks- lciter mitbrachte. Seine organisatorische Neugestaltung des inneren und äußeren Betriebes zeigen ihn als eine Persön lichkeit von neuen Ideen und wcitausschaucndcn Plänen. Aber nicht zuletzt muß es als sein Verdienst gewürdigt werden, daß er den Bestand der Göttinger Bibliothek von 60 000 auf mehr als 200 000 Bände erhöhte. Eine große Monumentalbüste, von immergrünen Pflanzen eingcrahmt, ist jetzt in der Mitte des Historischen Saales der Bibliothek aufgestellt worden, um stets an die großen Verdienste Heynes um die Bibliothek zu erinnern. Nach dem Vortrag war Gelegenheit geboten, bei Tee, der von den Damen der Bibliothek gereicht wurde, die ausgestellten Schätze der Bibliothek zu bewundern, unter denen sich neben verschiedenen frühen Pergamenthandschriften vor allem eine Wohl einzigartig zu nennende Sammlung von Caxton-Drucken von großer Seltenheit befindet. Anschließend folgte dann die Besichtigung der Magazine und Benutzungsräume der Biblio thek, die mit ihren traditionellen und mustergültigen Einrich tungen vielseitige Anregungen zu vermitteln vermochte. Den Tag beschloß ein Bierabend auf dem Rohns, zu dem die Stadt Göttingen an Stelle der ausgefallenen Festvorstellung cingeladen hatte. Außer den Teilnehmern an der Tagung sah man dort zahlreiche Vertreter der städtischen Behörden und der Universität. Oberbürgermeister vr. Jung hieß die Gäste herz lich willkommen: --Auf einer Tagung, die kürzlich hier stattsand«, so führte er aus, »hat ein Herr aus Berlin gesagt, Kongresse hätten immer zwei Seiten, eine äußere und eine innere. Bei dem äußeren Kongreß würde viel Papier verbraucht und viel in Diskussionen gesprochen, bei dem inneren Kongreß wäre es ein gemütliches Zusammensein, wo Erfahrungen von Mund zu Mund ausgetauscht würden. Ich habe die Ehre, hier den inneren Kongreß zu eröffnen, und freue mich, daß Sie Göttingen als Tagungsort gewählt haben. Wir haben zum inneren Kongreß einen guten Teil bcigctragcn, indem wir für gutes Wetter gesorgt haben. Die Bibliothekare müssen immer den Staub von Jahr hunderten einschlucken, und wir haben deshalb geglaubt, daß etwas frische Lust für Ihre Lungen nötig sei. Meine Herren, Sic vertreten hier die Universitäts- und Volks-Bibliotheken und sorgen für eine harmonische Gemeinschaft von Wissenschaft und Volksbildung. Wir sind in Göttingen mit unserer Volksbiblio thek sehr gut daran, da wir von der Universitätsbibliothek be sonnt werden. Herzlichen Dank schulden wir Herrn Professor Fick und den Herren von der Universität für ihre Verdienste um die Volksbildung. Im übrigen wünsche ich Ihnen, daß dieser Abend gut verlaufen möge«. Darauf sprach im Aufträge der Göttinger Universität und in Vertretung Sr. Magnifizenz des Rektors Professor Hcubncr einer seiner Amtsvorgänger, Professor Binder. Er führte aus: »Ich habe einmal über einer Universitätsbibliothek das altbekannte Sprichwort gelesen: liedout sna tute lidelti (Die Bücher haben ihre Schicksale). Das ist gewiß ein wahres Wort, wie mancher meiner Kollegen zugeben wird, der von ungezählten Auflagen geträumt hat und später erfuhr, daß sein Werk in der ursprünglichen Gestalt eine ungeheure Lebenskraft bewies. Aber die Bücher bedeuten auch Schicksale. Und wenn dem Unkundigen das Buch als etwas Totes erscheint, als der Geist in der Form der Erstarrung, so ist das dem Eingeweihten unrichtig. Er weiß, daß dieses Buch keineswegs ein totes anorganisches Dasein führt, sondern daß es einen geradezu dämonischen Charakter besitzt, mit dem es gestaltend in das Leben der Allgemeinheit eingreist. Das gilt fast noch mehr von den Büchern, die nicht gelesen wer den, und vielleicht hängen unsere Schicksale mehr von diesen ab als von denen, die gelesen werden. Das gilt natürlich aber auch von den einzelnen Menschen, und zwar von denen, deren Leben innig mit den Bibliotheken verbunden ist, von den Gelehrten. Auch deren Leben ist von den Büchern beeinflußt, nämlich von den Büchern, die sie geschrieben haben, und denen, die sie nicht geschrieben haben, wie. mehrere hoffnungsvolle Jünger der Wissenschaft in ihrem Leben haben erfahren müssen. Aber das Buch ist auch etwas Geschaffenes. Es stellt eine Lebensbeziehung her zwischen denen, die Bücher schreiben, denen, die sie benutzen und endlich denen, die die wichtige Aufgabe haben, diese Bücher zu verwalten und zu hüten. So besteht 767
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