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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.06.1928
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- 1928-06-23
- Erscheinungsdatum
- 23.06.1928
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)>: 144, 23. Zuni 1928. Redaktioneller Teil. Erinnerungen an meine Schulzeit in der Deutschen Buchhändler-Lehranstalt. Als die Lehranstalt im Jahre 1853 gegründet wurde, ge hörte ich zu den ersten Schülern. Der Unterricht geschah in der Buchhändlerbörse in einem unteren großen Zimmer, im Som mer früh von 8—9 Uhr, abends von 7—9 Uhr <im Winter der Jahreszeit entsprechend), mit Ausnahme einiger Speditionstage. Richtige Schulbänke gab es nicht, uns dienten die Tische und Stühle, welche bei der Ostermeß-Abrechnung benutzt wur den. Da auch kein Gas im Schulzimmer war, so stand im Win ter auf jedem Tisch ein Leuchter mit einer Wachskerze. Die Lehrer waren der Direktor vr. Möbius für Deutsch und Stilistik, Brandon für französische Sprache, Wengler für buchhändlerische Betriebslehre. Dazu kam ein Hilfslehrer der Thomasschule für Literaturgeschichte. Den Hauptunterricht erteilte der Direktor. Er war ein tresflicher Lehrer, den wir alle lieb hatten. Sein Bortrag war sehr anregend und wurde aufmerksam verfolgt. Auch bei Bran den lernten wir fleißig und machten gute Fortschritte. Bei Wengler hatten wir vergnügte Stunden. Er hatte ein kleines Verlagsgeschäft in Leipzig und verstand vom Sortiment wohl selbst nicht allzuviel. Einmal gab es einen Hauptspaß, dessen ich mich noch genau erinnere. Es war die Rede vom Er scheinen eines neuen Buches, das Aufsehen machen würde. Wengler sagte, wir sollten uns als Sortimenter denken, und jeder sollte 5090 Prospekte bestellen und ausgeben. Da jubelte die ganze Klasse. Es wurde nun beraten, wie diese 5000 Pro spekte unterzubringen seien. Und nun wurde gehandelt, wir kamen bis auf 200 zurück. Wengler hatte aber seiner Zeit vor- ausgesehcn, heute wäre eine solche Verbreitung eine Kleinigkeit. Ein ganz ausgezeichneter Lehrer war der Hilfslehrer, sein Unterricht war im höchsten Grade anregend und fesselnd. Er hatte ein eigenes Verfahren. Er richtete z. B. an einen Schüler etwa die Frage: Was ist ein Baum? Wenn dieser antwortete »ein Gewächs-, so wurde daran so viel angcknüpft, daß wir alle ganz hingerissen wurden. Am Schlüsse fragte er: Wovon sind wir ausgegangen? In der Regel wußte es keiner mehr! Ein Ereignis, das nicht ohne Bedeutung für mich, war, ist nur noch gut in Erinnerung: Ich war Lehrling bei F. G. Beyer und hatte die Auslieferung des schon damals angesehenen Ver lages von B. Fr. Voigt in Weimar zu besorgen. Dies war von einem Lehrling viel verlangt, aber es hatten alle Lehrlinge ge tan und ich verrichtete es auch zur Zufriedenheit. Da ich nun den ganzen Tag angestrengt arbeiten mußte, sehr früh und abends zur Schule ging, so war ich abends todmüde, aber die häuslichen Arbeiten mußten noch gemacht werden. Meine Arbei ten waren deshalb sehr flüchtig und oberflächlich, und die Zen suren dementsprechend. Da beschloß ich einmal, mich recht zu sammenzunehmen und eine bessere Arbeit zu machen. Es wurde eine Naturbeschreibung aufgegeben. Ich gab mir die äußerste Mühe, dachte nach, schrieb nieder, änderte, und hatte, als ich fertig war, das Gefühl: die Arbeit ist gelungen. Mit Span nung erwartete ich die Rückgabe. Große Enttäuschung! Die Zensur lautete: Arbeiten Sie vor allem selbständig. Da ging ich an das Katheder zum Direktor und bat um Änderung der Zensur unter der Versicherung, daß die Arbeit von mir allein sei. Ich vermochte den Direktor nicht zu überzeugen. Endlich sagte er: Geben Sie mir das Heft noch einmal, ich will die Arbeit nochmals prüfen. Als ich die Arbeit wieder erhielt, war die Zensur nicht geändert. Auf meine Frage sagte der Direktor: Ich habe die Arbeit mit den früheren verglichen, der Abstand ist so groß, daß ich nicht glaube, sie ist von Ihnen allein gemacht. Als ich nochmals versicherte, daß das der Fall sei, sagte er: Dann vergraben Sie nicht die Gabe, die Ihnen Gott gegeben hat. Von dieser Zeit an gab ich mir mehr Mühe, meine Arbeiten wurden besser. So gingen die Jahre dahin, ich hatte ausgelernt, und ich mußte die Schule verlassen, um meine erste Gehilfenstelle in Schweidnitz anzutreten. Mein Abgangszeugnis war ein gutes und enthielt die Be merkung: Machte in der letzten Zeit die erfreulichsten Fort schritte. Stets habe ich der Lehranstalt ein dankbares Andenken be wahrt. Sondershausen. Otto Krüger. Bor sechzig Jahren in der Buchhändler-Lehranstalt. Nun ist sie 75 Jahre alt, die liebe alte Schule, deren Bänke ich vor 60 Jahren gedrückt habe. Zwei Menschenalter hat sic auf dem Rücken und noch ein halbes — in ehrsurchtgebietender Würde steht sie vor meinen Augen, ich umfange sie mit der ganzen Liebe meines alten und doch noch so jungen Herzens, ich grüße sie zu ihrem stolzen Jubiläum mit der ganzen Inbrunst eines langen Lebens der Arbeit und der Erfahrung. Meine teure, traute, noch ganz so wie in den Jahren 1867—69 vor meiner Seele stehende Jugendschule! Damals war ich jung und lebensfroh. Rosenrot breitete sich das Leben vor mir aus, und gern, von Herzen gern erinnere ich mich noch immer des Schulbesuchs in den alten Räumen der Lehranstalt in der Ritterstraße. Da steht vor meinem rück schauenden Blick die alte Buchhändlerbörse, ein imposantes Haus der guten, alten Zeit. Rechts am Eingang war die Bestell anstalt mit dem freundlichen Vorsteher Herrn Köhler, dessen Sohn mein Mitschüler war. Und wer denkt noch an den alten Kastellan Bogen, der gern mit den Schülern sein Späßchen machte und immer aufgeräumter Laune war? Wo sind sie hin, die ergrauten, wackeren Männer, die noch so lebhaft vor meiner Seele stehen, als ob ich sie gestern zum letzten Male gesehen? Da war die.schöne große Freitreppe, die nach dem großen Saal im ersten Stock führte, und wo sich links unter der Galerie unser Schulzimmer befand. Groß war sie ja nicht, unsere damalige Lehranstalt; denn wenn man noch das andere Schul zimmer im zweiten Stockwerk dazurechnete, da hatte man schon die ganze Schule beisammen. Gern und freudig erinnere ich mich auch an unseren Direk tor vr. Bräutigam, einen strengen, aber liebevollen Vorgesetzten, der für jeden von uns ein gutes, aufmunterndes Wort hatte. Längst ist auch er dahingegangen. Und keinen meiner tüchtigen Lehrer habe ich vergessen. Da war der gutmütige, ebenso ge scheite wie famose Blanchard, der uns Französisch gab, da war der deutsche Lehrer vr. Samostz, der Lateinlehrer Hermann, der strenge Buchhaltungsmcistcr Krebs, der englische Präzeptor vr. Schmitz — alle treten sie nun im Geiste um mich herum und ich grüße sie wie liebe, alte Bekannte. Aber das Herz wird mir doch schwer, wenn ich daran denke, daß sie alle, alle nicht mehr sind. . . . Lustig war unser Schullebcn, das muß man sagen — und manchen tollen Streich haben wir Jungens miteinander aus geheckt. Und dabei befanden wir uns doch in Gesellschaft be deutender Männer. Darwin, der berühmte Forscher, hielt damals im Saale seine Vorträge über die Abstammung des Menschen vom Affen, und die Gebrüder Davenport experi mentierten mit ihrem Wunderschrank, eine Sensation, die uns Jungens ganz paff machte. Na, wenn die berühmten Männer fort waren, ging's nur um so lustiger zu. Ich denke, es wird manchen meiner noch lebenden Schulkollegen interessieren, wenn ich sie an verschiedene kleine Episoden aus unserem Schulklassen- leben erinnere. Am tollsten ging es bei dem grundgescheiten, aber gut mütigen und gar nicht pädagogisch veranlagten französischen Lehrer Blanchard zu. Wenn im Schulsaal das Gas eingefroren war — damals dachte noch kein Mensch an elektrische Beleuch tung — so mußten wir Jungens in den kleinen Saal wandern und an langer Tafel Platz nehmen, die durch eine Reihe Kerzen spärlich erleuchtet war. Befand sich Blanchard am einen Ende der Tafel, blies am anderen in einem unbewachten Augenblicke einer die dortige Kerze aus. Kam er angcstürzt, um den Misse täter festzustcllen, tat hinten ein Unehrerbietiger das gleiche 6S9
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