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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.03.1928
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- 1928-03-06
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- 06.03.1928
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56, 6, März 1928, Redaktioneller Teil. Börseiid,» kaim Überall da nicht in Frage kommen, wo die Erregung des ösfent- lichen Interesses durch eine vom Urheber nicht gewollte Wirkung verursacht ist; es würde allen Vernunstgründen widersprechen, wollte man annehmen, daß der Gesetzgeber durch die Bestimmung des 8 23 Abs, 1 Zisser 1 des Kunstschutzgesetzes eine Person, die durch ein ihr vielleicht sehr unerwünschtes Ereignis, etwa durch einen Unsall oder ein gegen sie begangenes Verbrechen, einmal die öffentliche Aufmerksamkeit aus sich gelenkt hat, für das ganze Leben eines so wichtige» Privatrcchts, wie es das Recht am eigenen Bilde ist, hat berauben wollen. Seit der Zeit, In der das Knnstschutzgesetz entstanden ist, haben sich die in Betracht kommenden Verhältnisse allerdings insofern geändert, als die Tagespresse — nach amerika nischem Muster — immer mehr die Gewohnheit angenommen hat, auch über unliebsame Ereignisse, wie Verbrechen, Nngliicksfälle, ungewöhnliche Gerichtsverhandlungen, eingehende Berichte zu brin gen und auch die daran ohne jedes eigene Zutun beteiligten Personen in den Vordergrund des Interesses zu rücken und bildlich darzu- stellcn. Diese lm Untcrhaitnngs- und Sensationsbedürsnls wur zelnde Gepflogenheit kann aber nicht dazu führen, den Begriff der Zeitgeschichte auf Kosten des Schutzes der Persönlichkeit auszudehncn. Bei dieser Auslegung kann § 23 Abs. 1 Ziffer 1 des Kunstschutz gesetzes hinsichtlich der Dienstleistung des Privatklägers bei der Reichswehr und ihren Folge» auch dann nicht in Betracht kommen, wenn der oben wicdcrgcgebenen weitcrgehenden Auffassung zu fol gen wäre; denn nach der Feststellung der Strafkammer ist im vor liegenden Fall das Bild des Privatklägers weder im zeitlichen noch im sachlichen Zusammenhang mit der Dienstleistung des Privat klägers veröffentlicht worden. Neben der durch bewußtes Eintreten in die Zeitgeschichte herbci- geführten Zugehörigkeit zur Zeitgeschichte im Sinne des 8 23 Ziffer 1 a, a, O, gibt es aber auch eine solche Zugehörigkeit zur Zeit geschichte, die durch die Geburtsstellung der Person und die mit ihr verbundene» Wirkungsmöglichkeiten begründet ist. Die Geburt ist allerdings an sich ein Vorgang, dem der Mensch willenlos unter worfen ist. Soweit sie aber durch die gehobene Persönlichkeit und Stellung der Eltern ein besonderes Gepräge erhält und soweit da durch die Möglichkeit begründet wird, gestaltend in die Geschichte eines Volkes einzugreiscn, erscheint es gerechtfertigt, die Gcburts- steliung dem bewußten »Geschichte machenden« Wirken gicichzustellcn. Wenn die Strafkammer in Anlehnung an die Entscheidung des 1V, Zivilsenats des Kammergerichts vom 14, Januar 1925 sJur, Wochenschrift 1828, S, 878, Nr, 5s außer dem von ihr für erforderlich gehaltenen bewußte» Eintreten in die Zeitgeschichte die durch die Geburt begründete Stellung für geeignet erklärt, jemanden in den Bereich der Zeitgeschichte zu versetzen, so ist das unter der hervor gehobenen Voraussetzung also nicht zu beanstanden. Es ist infolgedessen zu billigen, das; das Berufungsgericht nur deshalb der Geburt des Privatklägers eine besondere Bedeutung bei mißt, weil er durch sie die Anwartschast aus den preußischen Königs und den deutschen Kaiferthron erwarb, nicht aber deshalb, weil er als Mitglied der Familie der Hohenzollcrn geboren worden und insosge seiner Erstgeburt zu einer bevorrechtigten Erbfolge berufen ist, Tie Eigenschaft der Zugehörigkeit zu einer altadeligen und fürst lichen Familie und eines Fideikommitzerben teilt der Privatkläger mit vielen Standcsgcuosscn, die wegen dieser Vorzüge allein heut zutage keineswegs eine bemerkenswerte Stellung in den Angen der Öffentlichkeit einnchmen, jedenfalls nicht als zur Zeitgeschichte rech nend anznsehen sind. Beruhte aber die durch die Geburt begründete Sonderstellung des Privatklägers nur darauf, daß er einstmals die deutsche Kaiser krone tragen sollte, so erscheint der Standpunkt der Strafkammer gerechtfertigt, daß jetzt, nachdem der Privatklägcr infolge der Staats umwälzung vom November 1918 seines Vorrechts verlustig gegangen ist, er dem Bereich der Zeitgeschichte auch unter dem Gesichtspunkt seiner Geburt nicht mehr zugerechnet werden kann. Es kan» dahin gestellt bleiben, ob slir die Frage, ob und wie lange der Prinz der Zeitgeschichte angchörtc, lediglich die bestehenden staats- und ver fassungsrechtlichen Verhältnisse maßgebend sind, oder ob nicht noch nach der Novcmbernmwälzung, solange noch im deutschen Volke hef tige Kämpfe um die Staatsform stattfanden und weite Volkskrcisc mit einer Rückkehr der Hohenzollern auf den Thron rechneten, im Hinblick ans die durch die realen Verhältnisse nicht ausgeschlossene Möglichkeit einer Wiederherstellung des Königtums von einer Zu gehörigkeit des Privatklägers zur Zeitgeschichte gesprochen werden konnte. Auf alle Fälle hat eine solche Zugehörigkeit im Zeitpunkt des Erscheinens des Domeiaschcn Buches nicht mehr bestanden. Denn infolge der inzwischen eingetretenen Befestigung der republikanischen Staatssorm ist die Möglichkeit einer Thronbesteigung durch den Prioatkläger eine so entfernte geworden, daß von einer die Zu d, gehörigkeit zur Zeitgeschichte bedingenden, durch seine Geburt gege benen Wirknngsmöglichkeit füglich nicht mehr gesprochen werden kann. Diese Urteilsbegründung, die es heute jedem Verleger unter sagen würde, Hohenzollernprinzen in einem Werke abzubilden, steht m, E, auf recht schwachen Füßen, Mit einigen ganz gerin gen Änderungen der Argumentation hätte sie leicht auch zum entgegengesetzten Ergebnis kommen können; denn namentlich die Behauptung, man müsse »mit Bewußtsein« in die Geschichte ein getreten sein oder gar Geschichte »gemacht« haben, ist nur die Ansicht von einzelnen Gewährsmännern, die keineswegs un bedingt maßgebend ist, und daß ein öffentliches, zeitgeschichtliches Interesse in vielen Fällen nur »zeitweise« anhält, ist gewiß noch nicht Grund genug, diese Zeit des Interesses für den Prinzen Wilhelm schon jetzt als abgelausen zu betrachten. Ich persönlich — wenn ich das hier angesichts dieses Prozeßsalles betonen darf — neige weder dazu, Rechte des Prinzen von Preußen höher ein zuschätzen als die Rechte anderer Personen, noch finde ich ande rerseits etwa die Abenteuer des Harry Domela so bedeutungsvoll in kultureller Hinsicht, wie sie manchem Beurteiler der Zeit geschichte Vorkommen; ich glaube also gänzlich unpolitisch und rein objektiv und wissenschaftlich zu urteilen. Aber gerade aus solcher Anschauung heraus erscheint mir das KG.-llrteil einseitig und läßt das Eingehen auf sehr wichtige Gesichtspunkte bzw. deren volle Würdigung vermissen. Das Urteil verkennt m, E, den Begriff der Zeitgeschichte, Ja das Kammergericht übersieht dabei auch eine frühere Kam mergerichtsentscheidung (in Jur, Woch, 1025, S, 378), wo es heißt, daß zur Zeitgeschichte nicht nur der Mann gehöre, der Ge schichte macht, sondern alles, was journalistisch von Interesse ist, also z, B, erfolgreiche Männer der Industrie, die nicht das Recht haben, zu bestimmen, in welcher Zeitschrift oder in welchem Zu sammenhänge sie abgebildet sein wollen. Der Geschichtsbegriff ist heute zweifellos anders als zur Zeit unserer Schuljahre, wo man vielleicht tatsächlich Geschichte mit Politischer und Kriegs- und Dynastiegeschichte gleichstellte, Zeitgeschichte ist heute ein viel umfassenderer Begriff, Es ist ein Begriff des lebendigen Lebens, das alle Gebiete des Geschehens durchflutet. Wer in diesem Leben von sich reden macht und aus der Stille seines Privatlebens heraus getreten ist, der gehört zur Zeitgeschichte, und die Öffentlichkeit bemächtigt sich seiner. Dagegen kann man nichts machen. So gehört sogar der Prinzen s P i e l e r Domela zur Zeitgeschichte (auch ohne daß er Geschichte macht), denn »Zeitgeschichte« um faßt gewiß auch Kulturgeschichte, und es ist unmöglich, hier große Taten von kleinen Taten, und seien es strafwürdige Taten, abzugrenzen. Auch die Negation der Hochkultur gehört zur »Kultur«, Ja dieser Harry Domela konnte nur deshalb seine Streiche spielen, weil der von ihm dargestellte echte Prinz zur Zeitgeschichte gehört. Dies beruhte ins besondere darauf, daß er ein Gesicht besaß, das der Durch- s ch n i t t s b ü r g e r als das des Hohenzollernprinzen glaub haft finden konnte! Darin liegt aber zugleich das zeit geschichtliche Moment für den echtenPrinzen. Auch dieser gehört, mag er selber noch keineswegs zeitgeschichtlich hervorgetreten sein, kraftseinerGeburtzur Zeitgeschichte oder steht mindestens so nahe an dieser Pforte, daß jedes kleine Ereignis, das vielleicht einen anderen Sterblichen 'noch lange nicht in die Jupiterlampe der öffentlichen Beachtung zieht, ihn in den zeitgeschichtlichen Strom hineinreißt. Das hat Domela, in dem er jenen Prinzen spielte, getan; er hat ihn zu einer journa listisch interessanten, augenblicklich zeitgeschicht lichen Erscheinung gemacht — freilich wider Willen des Betreffenden, wie dies oftmals in der Natur der Sache liegt. Wäre nicht der Gesichts ty Pu s des aristokratischen jungen Mannes aus bisher allerhöchstem Hause zeitgeschichtlich bekannt, so hätte dem Betrüger der Scherz garnicht gelingen können! Daß vermutlich für denjenigen, der den Prinzen Wilhelm genauer kennt, sich die vermutete Ähnlichkeit verflüchtigt, beweist nichts dagegen, daß Domela nur auf Grund der behaupteten persönlichen Identität seine Streiche spielen konnte. Jedermann weiß ja aus Ersahrung, wie sehr sich Erinnerungs- 2SS
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