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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.04.1884
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- Erscheinungsdatum
- 09.04.1884
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- Deutsch
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.V 84, !> April. Nichtamtlicher Theil. 1675 mehr Baum heißen. Wenn Lessing Baum geschrieben hätte, so! würde wohl Niemand etwas dagegen haben; denn dieses Wort paßt in den Zusammenhang gerade ebenso gut wie Mann. Aber Lcssing s hat nun einmal Mann geschrieben und hat so für denkende Leser geschrieben, die sofort verstehen, was er sagen will. Es ist hier ein Gleichniß, und die Vergleichung zwischen Mann und Baum geht im Ausdruck ineinander über. Das „zu nah gepflanzt" und „die Aeste" paßt nicht sür den Mann; dagegen paßt wieder das folgende „mäkeln" rc. nicht für den Baum. Schon in dem einen Satze, der doch in der deutschen Sprache gäng und gäbe ist: „Der große Mann braucht überall viel Boden" sind beide Bilder — Mann und Baum ineinander geflossen; denn der Mann braucht Raum für seine Thätigkeit; der Baum aber braucht Boden sür sein Wachsthum. Lessing hat die Vergleichung nur weiter fortgesetzt, ohne dadurch unverständlich zu werden. Kurz, das Wort Baum anstatt Mann ist zum Verständniß nicht absolut nothwendig; die ganze Phrase würde auch bei jener Vertauschung doch nicht akademisch correct werden; — und da empfiehlt es sich denn doch, das Wort beizubehalten, welches der geistreiche und klare Lessing geschrieben. Aehnlich steht es mit dem Funde, den Herr Gymnasiallehrer Limpert in der „Frankfurter Zeitung" uiedergelegt hat. In „Emilia Galotti", 2. Ausz,, S. Auftr. (Hempel's Ausg. Thl. 3., S. 25) vernimmt Claudia durch ihre Tochter von dem Zusammen treffen des Prinzen mit Emilia in der Kirche, und ruft entsetzt aus: „Gott, wenn das dein Vater wüßtel — wie wild er schon war, als er nur hörte, daß der Prinz ssrüherj dich nicht ohne Mißfallen gesehen!" — Gewiß, ein ruhig redender Mensch würde hier das Gegentheil: nicht ohne Wohlgefallen gesagt haben. Aber Claudia ist entsetzt. „Die Furcht hat ihren besondern Sinn, meine Tochter", sagt sie einige Zeilen vorher; — „und das Ent setzen hat seine besondere Sprache", könnte man hinzusügen. Der große Seelenmaler Lessing wußte das besser als Herr Limpert, und wohl aus diesem Grunde ließ er die Mutter Verkehrtes sprechen. — Ich gebe das als Vermuthung; es ist immerhin möglich, daß hier ein lapsns ealaini vorliegt. Das Entscheidende aber ist: Lessing hat so geschrieben. Ueberall steht: „nicht ohne Mißfallen". — Wäre es hiernach einem Verleger gestattet zu ändern? — Nach Hempel'schen Grundsätzen nicht. Daß alle diese beanstandeten Stellen äußersten Falls eben nur formelle Fehler sind, sachlich aber stets und überall richtig verstan den wurden, das beweisen die Uebersetzungen jener Stücke in andere Sprachen Ich führe einige an, die mir gerade zur Hand sind: Emilia Galotti erschien zuerst 1772; — 1778 ließ der Rector des Lhceums in Celle, I. K. Stessens, eine lateinische Uebersetzung davon drucken. Diese lautet an obiger Stelle ganz dem Sinne augepaßt: „kor Oonin! guick futurum eit, ei patri tno ieta omnia aognits. oeeont! tzuantg. ojne jam oral torooia, oum nuckirst, dem Prinzen neulich nicht mißfallen habest.) Friedel's erste französische Uebersetzung des Nathan, Paris 1783, lautet an der betreffenden Stelle: brsnobs, gni s'ötsvo sur lo front ck'nn ardro, ne ckoit pns s'imngiusr, gu'stte Soul« n'sst point sortis äu «sin äs I» torrs." Man erkennt hier das Bestreben des Uebersetzers, der unter den Sprachgesetzen der französischen Akademie steht, überall Mann und Baum zu scheiden. Er sällt aber gleich in einen ähnlichen Fehler; denn „la pstits tranobe — no ckoit pas 8'ims.ginsr" läßt sich ebenso wenig sagen, als daß mehrere Männer sich die Aeste zerschlagen. Eine neuere französische Uebersetzung des Nathan, welche 1862 bei Dentu in Paris erschienen ist, hat hier folgenden Wortlaut: „1-6 Kranck üomms L partout bssoiu ck'un larAS tsrraiu, gu'slls ssule N6 soit PL3 issus cks la torro." Hier finden wir ebenfalls die Lessing'sche Verschmelzung der zwei Begriffe Mann und Baum. Wenn das in französischer Sprache möglich ist, die doch Klarheit vor Allem fordert („es gut n'sst pas olair, n'sst PLS tr»n>;»is"), so brauchen wir Deutsche, das Volk der Denker, sicherlich keine Aenderung des Lessing'schen Textes. Weit besser als diese unpoetische arme Uebersetzung (das Lessing'sche „Der Knorr den Knubben" konnte der Franzose nur durch noeuck wiedergeben, was eigentlich Knoten heißt) ist die englische Uebertragung von 0r. Ad. Reich (London, A. W. Benett, 1860): Auch diese Uebersetzung hat keinen Anstand daran genommen, daß Mann und Baum nicht genug auseinander gehalten sind. Sie ist möglichst treu, und doch hat sicherlich kein Engländer Ursache, dabei über Mangel an Deutlichkeit zu klagen. Ich resumire: Die jetzigen und künftigen Verleger unserer Classiker brauchen sich über die Vorwürfe solcher Zeitungs- Artikel keine grauen Haare wachsen zu lassen. Sie haben weder die Pflicht, noch auch das Recht, ihre Autoren zu corrigiren und subjektive Vermuthungen in den Text aufzunehmcn. Noten unter'm Text wäre das Einzige, was ihnen in solchen Fällen frei steht. Nichts Neues unter der Sonne. Im Jahre des Herrn 1838 entbrannte in dem damals in seinem fünften Jahre stehenden Börsenblatts eine grimmige Fehde über den Beschluß einer Anzahl der größten Verleger, ihre Rechnungen von nun an nur noch in Preußisch Courant zu führen, die längst unhaltbar gewordene „Buchhändlerwährung" auszugeben und den Friedrichsd'or nur noch zu b^/g Thaler, nicht mehr, wie bis dahin allgemein üblich, zu 5U Thaler anzunehmen. Bei dieser Gelegenheit regnete es eine Fülle der damals weit mehr als jetzt üblichen Erklärungen, Gegener klärungen, Verwahrungen und dergl., und natürlich fehlten auch bei dieser Gelegenheit die düsteren Prophezeihungen über den nunmehr endgültig feststehenden Untergang des deutschen Buchhandels und die Klagen darüber nicht, wie doch der Buch handel vor vierzig bis sünfzig Jahren so schön gewesen, und wie er nun herabgekommen sei. '237
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