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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.12.1927
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- 1927-12-03
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- 03.12.1927
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Nr. 281 <cki. 15Ü). Leipzig, Sonnabend den 3. Dezember 1927. t»4. 3at>rgu»g. RÄMLomUer TÄ Hayno Focken zum 80. Geburtstage. Eine der liebenswürdigsten Gestalten des schwäbischen Dich terkreises, der sich um Uhland herum gebildet hatte, war der württembergische Jurist Karl Friedrich Mayer (1786—1870); »ein Virtuos der Freundschaft, zartfühlend und aufopferungs fähig wie wenige, ein Volks- und Vaterlandsfreund« nennt ihn die allgemeine deutsche Biographie. Der Enkel dieses Mannes, Hayno Focken in Dresden, feiert am 4. Dezember seinen 60. Ge burtstag, und viele unter uns werden an diesem Tage gerne des Mannes gedenken, der so meisterhaft in gebundener und ungebundener Rede oft zu uns gesprochen hat und der als kluger, von allen verehrter Führer seit Jahren an der Spitze des Säch sischen Verbandes steht. Focken ist aber nicht nur der Enkel des schwäbischen Dich ters, sondern er ist auch der Erbe seines Geistes. Mehr noch: Karl Mayer war der anspruchslose Meister des kleinen land schaftlichen Naturbildes, seinen Enkel aber trugen in der Stille die Schwingen der Dichtkunst zu den Höhen des Parnaß weit über viele hinaus, für die eine geschäftige Reklame tagtäglich auf allen Gassen in die Posaune stößt. Der 60. Geburtstag hebt sich wie von selbst vom Alltag ab. Paul Lindau schreibt in seinen Erinnerungen, er habe es bei besonderen Zeitabschnitten gefühlt, daß man ruckweise altere. Man stolpere bei solchen Gelegenheiten unversehens gleich eine Anzahl von Stufen aus einmal hinunter, und es ist wohl un bestritten, daß vom 50. Geburtstage an die Dezennienwenden für Alltagsmenschen einen sehr fatalen Beigeschmack bekommen. Hayno Focken ist aber ganz und gar kein Alltagsmensch, und einem so fröhlichen Bejaher alles Lebens am 60. Geburtstage eine besonders hochlodernde Fackel zur Beleuchtung der Ver gänglichkeit anzünden zu wollen, wäre der schlechteste Dienst, den man dem lebensfrohen Sänger erweisen könnte. Darum zur Feier des Tages nur kurz einige slüchtige Umrisse. Hayno Focken trat in der Adventszeit 1867 in die lange Reihe der tüchtigen Menschen, die das evangelische Pfarrhaus unserm Vaterlande geschenkt hat. Er wurde in dem kleinen oldenburgischcn Flecken Holle als ältester Sohn des Pfarrers Dietrich Volkert Focken geboren, der einem alten Friesenge schlecht entsprossen und der neben seiner Theologie ein glühen der Verehrer des klassischen Altertums war. Dieser Kernfriese hatte während seiner Studienzeit in Tübingen als Burschen schafter die jüngste Tochter des württembergischen Oberjustiz rates Mayer kennen gelernt, die im Briefwechsel Kerner—Mörike oft erwähnte »reizende Gustele«. An der Wisge dieses Gustele hatte das Dreigestirn Uhland—Kerner—Mörike pls Pate ge standen, und als der junge Theologe aus dem »eisigen Norden«, der blonde Dieter, wie ihn Uhland gern genannt hat, das schwäbische Gustele als seine Frau in das friesische Pfarrhaus führte, wo in der Diele der Topf noch überm offenen Herde hing, da konnte die aus dem sonnigen Süden Stammende an fangs wohl klagen über diesen »Zigeunerherd». Als aber die Schar der Kinder immer größer wurde, fand auch sie sich in die herben, stillen Schönheiten des friesischen Marschlandes hinein, und der älteste Sohn dieses Schwabenkindes, unser Hayno Focken, hat in seinen Liedern das durch seine Väter von der Natur schwer erkämpfte Land der Friesen besungen wie keiner vor ihm. Wer nicht blind ist für die besondere Schönheit jener sturm- durchtobten Ebene, der wird aus den Liedern Hayno FockenS das Rauschen der Nordsee hören und die alte germanische Sehn sucht nach dem offenen Meere. Wenn in mondesheller Nacht Wasser, Land und Himmel zerfließen in ein großes Mysterium, das sich dem Menschen tief in die Seele senkt; wenn die Kähne ruhig durch die Moore ziehn, vorüber an Windmühlen und Weideplätzen, dann werden die Lieder Hayno Fockens lebendig wie die des stammverwandten Klaus Groth. Besonders deut lich kommt die Eigenart Fockens in zwei seiner Gedichte zum Ausdruck. Bei dem Rüdesheimcr Sängerkrieg (1905) errang er, der Sohn des Moor- und Marschlandes mit dem schwäbischen Blute, den ersten und den zweiten Preis fast eintausend Mit bewerbern gegenüber, und 1925 in Jever (wo er seine Schul jahre als Gymnasiast verlebt hat) war er beim Wettbewerb um ein Heimatlied trotz seines Schwabengemütes abermals der beste Schildere! der heißgeliebten plattdeutschen Erde. Es soll aber nicht Aufgabe dieser Zeilen sein, die Dicht kunst Fockens kritisch zu würdigen. Wie viele unter uns hat er, der Meister der Form und des Gedankens, durch seine Verse und seinen Humor erfreut; wieviele schöne Stunden hat er deyen geschenkt, die bei festlicher Veranlassung um ihn waren, und die er mit seinem treffenden Humor und seiner auch bei politischen Gegensätzen nie versagenden guten Laune erquickt hat. Einen Virtuos dev Freundschaft nennt der Biograph den Schwaben-Mayer, und dieses Bedürfnis nach Freundschaft ist auf seinen Enkel in reichem Maße übergegangen. Das Friesen blut in Hayno Focken, das sich in seinem klugen und zielsicheren Wollen zeigt, hat sich in glücklicher Weise gemischt mit dem sangesfrohen Gemüte des schwäbischen Naturschwärmers Karl Mayer. Sehnsucht nach Sonne und Wille zur Freude sind die Grundpfeiler des Wesens Hayno Fockens, und wer das Glück gehabt hat, mit ihm zu wandern, der wird die Wahrheit fühlen von Goethes Behauptung, daß Dichter mit den Augen denken. Von den sechs Jahrzehnten seines Lebens hat Hayno Focken vier in Dresden verlebt. Hier hat er seine ihm kongeniale Gattin gefunden und hier hat er viele Jahre mit kluger Diplo matie für das Wohl des Buchhandels gearbeitet. Der Alltagsmcnsch Pflegt mit 60 Jahren die Register seiner Wünsche nicht mehr zu ziehen und bescheidet sich damit, die Melodie seines Lebens leise hinüberklingen zu lassen in das unbekannte Land der Zukunft. Wenn aber am 60. Geburts tage Hayno Fockens die Glückwünsche treuer Freunde sich häufen werden, dann wird nichts von einer Resignation des Alters dabei sein, und alle werden ihre Wünsche für den verehrten Mann in die Schlußzeilen seines Meßgcsanges (Kantate 1926) kleiden: Die Augen hell und blank, Und nit am Leben krank. Dann wird's uns wohl gedeihen Noch tausend Jahre lang. 1405
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