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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.12.1927
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- 1927-12-01
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- 01.12.1927
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Prozent der Volksschule Entwachsenen«, die durch sofort näher zu beleuchtende Anlässe dem Buche gewonnen sind, und rechnet sich selbst und uns wenige, »die wir tiefer in die Literatur sehen«, mit 10 Pro zent an, um auf die notwendige Abrundung zu kommen. Ich will mich bei diesem total mißglückten Rechenexempel nicht weiter auf halten, um mich nicht unnütz über eine so offenkundige Unstimmig keit zu verbreiten: wie wenig die Verfasserin ihrem eigenen Herois mus glaubt, geht aus den drei Fragen hervor, mit denen sie ihren Artikel schließt und die sie mit dem Eingeständnis krönt, daß sie nichts anderes wußte, als die Beantwortung derselben offen zu lassen. Sie wäre für Antworten dankbar. Nun, ich will versuchen, ihren, wie bereits gesagt, sonst sehr klugen und einsichtsvollen Aufsatz zu beantworten, indem ich zunächst darauf Hinweise, -daß jede Fragestellung Problemaufrollung oder -behand- lung bedeutet: daß es also nicht angeht, so zu tun, als wäre die gestellte Frage eigentlich gar keine, während es doch in Wirklichkeit eins der allerwichtigsten Probleme unserer Tage ist, ob Jugend und Volk überhaupt in Bild und Buch suchen. Ich selbst habe diese Frage andernorts ähnlich auch bereits erörtert, und als Mann der Praxis und der Feder kann ich nur zu erheblich anderen Ansichten als Frieda Magnus-Unzer kommen. Es mag sein, daß zehn Prozent des Volkes (nicht der der Volksschule Entwachsenen) »tiefer in die Literatur sehen«, tiefer vielleicht, als es dem Volke und der Literatur dienlich ist. Von den restlichen neunzig Prozent sehen aber dafür mindestens 75 wenig oder gar nicht hinein, ja, ich wage zu behaupten, daß es schon mehr Schreiber als Lesende gibt! Nehmen wir einmal au, es wäre wirklich so, wie die Ver fasserin sagt, daß es den Kindern eingeboren sei, von dem Augen blick an, der sie befähigt, Darstellung und Wort beschauend und lesend aufzuuehmen, mit feinem Empfinden das ihnen Gemäße zu erfassen, so müßten doch die Umsätze unserer Buchhandlungen und Vcrlags- anstalten ganz andere Ziffern zeigen, als sie es in Wirklichkeit tun. Dann dürfte es überhaupt keine Klagen über mangelnden Buch umsatz, keine Kongresse, Werbeprämien, Tagungen, gelehrte Unter suchungen und verzweifelte Versuche geben, den täglich mehr und mehr stockenden Verkauf irgendwie zu beleben. Die Frankfurter Zeitung brauchte dann keine Diskussion über die von Kurt Wolfs konstatierte »nicht wegzuleugnende Tatsache« zu eröffnen, »daß seit geraumer Zeit zu wenig Bücher gekauft werden«, und unser Zeit alter müßte von einer Geistigkeit erfüllt sein, deren zarteste Spur auch Frieda Magnus-Unz-er höchstwahrscheinlich vergebens suchen wird. Die Dinge liegen leider so, daß einigen wenigen zwar die oben berührte Fähigkeit »eingeboren« ist, daß aber nicht einmal diese alle sich zu dauernder Befreundung mit dem Buche durch kämpfen können, denn nur zu oft bedarf es eines Kampfes darum mit unwissenden Eltern. Wer von den Sortimentern hätte nicht die tausendfache Erfahrung gemacht, daß nur zu häufig nicht einmal Geld für die notwendigsten Schulbücher vorhanden ist, oder daß es nur höchst unwillig und widerstrebend gegeben wird. Wieviel mehr trifft diese Wahrnehmung beim Einkauf von Bilder- und Jugendbüchern zu! Das allerbilligste ist gerade gut genug für den »Bengel«, die »Göhre«, oder wie des Hauses Segen sonst geliebkost wird. Gewiß, es gibt auch hier wie überall Ausnahmen, aber gerade jene der Volksschule entstammenden Schichten, deren Eltern noch in ganz an deren Anschauungen, die eigentlich überhaupt keine Anschauungen zu nennen sind, aufwuchsen, haben zumeist den allererbittertsten Kampf um ihre Freude am Buch zu bestehen. Ich habe junge Burschen kennen gelernt, die das Geld für ihre allerdings nicht sehr gewählte Lektüre unerforschbaren Quellen entzogen, auch Laufjungen, die im Keller entwendete Bücher verschlangen, daneben auch reell ausge borgte, und in einem Falle las so ein primitiv Literaturbegeisterter sogar nachts im Schlafzimmer seiner Eltern heimlich, nachdem diese eingeschlafen waren, mit einer Taschenlampe bewaffnet, die er gleich dem Buche unter der Bettdecke versteckt hielt. Meines Erachtens gilt es also vor allen Dingen, aufklärenü die Eltern oder Vormünder zu bearbeiten. In zweiter Linie aber muß ein sehr umfangreiches Kapitel der Schule gewidmet werden, die es in der großen Mehrzahl aller Fälle nicht versteht, der Heranwachsenden Jugend die Freude am Buch zu erschaffen,zu erhalten und zu för dern, es im Gegenteil fertigbvingt, einem sehr, sehr großen Teil der Schulentlassenen die Beschäftigung mit allem Gedruckten auf Jahre hinaus, vielleicht für immer zu verekeln. Schließt sich an die Volksschule noch eine Fortbildungs- oder Fachschule an, wie es ja die Regel ist, so bleibt schon ganz und gar kein Gedanke an ein anderes Buch übrig: Zeit, Lust und Aufnahmevermögen werden vollkommen von dem auf der Zwangsanstalt zu bewältigenden Pensum absorbiert, und wenn das in Vorbereitung befindliche Berufsausbildungsgesetz weitere Pflichtkurse bringt, dann wird ganz unabhängig von den ohne hin in gleiche Richtung drängenden Notwendigkeiten des sich immer schwerer gestaltenden Erwerbslebens bald überhaupt kein anderes Buch mehr gekauft und gelesen werden können, als eben das Berufs ausbildungsbuch, das ja schon heute den größten Raum im Umsatz des Gesamtbuchhandels einnimmt, wenn man die auf den Universi täten und Hochschulen benötigten Lehrbücher hinzurechnet, wie es natürlich geschehen muß. Mir ist zwar eine solche Statistik unbekannt, ich weiß nicht, ob sie existiert, aber ich zweifle nicht, daß sie das von mir angenommene Ergebnis zeigt. Verlassen wir nun diesen endlos in die Breite führenden Punkt, um uns den von Frieda Magnus-Unzer aufgeworfenen Kernfragen zuzuwenden. Da handelt es sich einmal um die Feststellung, daß der Inhalt der Erscheinungen der letzten zehn Jahre größtenteils nur für wenige bestimmt war, und »daß das Herz des Volkes in diesen Büchern nicht schlägt«. Hier stimme ich (und wahrscheinlich viele mit mir) restlos zu! »Werden Menschen heranreifen, die die sen Mangel beheben?«, fragt die Verfasserin. Ich hoffe, sie sind schon da und haben sich auch zum Teil bereits durchgefetzt. Frieba Magnus-Unzer führt Bürgel als Wegkllnder an; man könnte Heye und andere auf Nebengebieten nennen, aber wir brauchen natürlich noch ganz anders gewachsene Menschen, die einer diffi zileren Schicht dienen. Auch darf man hier nicht den elementaren Fehler begehen, nur von Heranwachsenden derVolks schule zu spre chen, die etwa »das Volk« bilden. Tie Dinge liegen doch vielmehr häufig genug so, daß die Intelligenzen aus der Unter schicht und die »Führer« aus unberufenen Oberklassen kommen: aber auch davon wollen wir hier schweigen. Frieda Ma- gnus-Unzcr fragt dann zum Schluß: »Wird die neue Generation sich ihre Bücher selber schreiben und sich auch darin geistig von uns frei machen?«, und hierauf kann man nur mit einem vollen und kräftigen »Jawohl, Gott geb's« antworten, ohne unseren verdienten Dichtern, Schriftstellern und Literaten zu nahe zu treten. Denn heute ist doch der Begriff des »Dichtens« völlig verstümmelt bzw. vergewaltigt worden. Wenn man darunter ein Zufammendrängen von Ereig nissen oder Eindrücken versteht, geht es noch an, wie steht es aber mit der einfachen Konstruierung hirnverrücktester Ereignisse, die vielfach geradezu Trumpf zu fern scheinen und die doch ihrem Wesen nach nichts anders sind als eine wahnsinnige Überspannung grenzenlos verbildeten Intellektualismus. Man wird diesen Zustand als Kenn zeichen unserer Literaturepoche bezeichnen müssen, und wir wollen nur Höften, daß recht bald und urwüchsig etwas gesund Gewordenes an seine Stelle tritt. »Wir haben nicht um Euretwillen, sondern um unsertwillen für Euch geschrieben«, glaubt Frieda Magnus- Nnzer sagen zu müssen, und sie stellt, jetzt den sie tragenden hohlen Grund plötzlich ahnend, die bange Schicksalsfrage: »Was sollen wir aber schreiben, wenn wir um ihretwillen schreiben?« und »Ver stehen wir sie genügend?« Wer soviel Einsicht aufbringt wie Frieda Magnus-Unzer, darf vielleicht noch hoffen, »sie genügend zu verstehen«, aber die endlose Schar der Literaten, die nur schreiben des Schreibens wegen, die ebensogut 8tuci. jui-. oder vr. mscl. werden konnten oder Reichswehr offizier oder Oberlehrer: sie alle haben in einem beginnenden Zeit alter jungen blühenden Volksaufwuchses keine Berechtigung mehr. Sie wissen uns nichts zu sagen aus ihrer anersogenen Bildung, ihrer zusammengelesenen und zusammcngetragenen Kenntnis der Welt, die sie die Menschen um sich herum mit Lässigkeit und Hochmut behandeln läßt und kein Gefühl hat für das pulsende Herzblut, das kochend und dampfend durch gespannte Venen braust. Es gilt aufzuräumen und den Boden frei zu machen für eine wirkliche Gemeinschaftsarbeit. Dann aber wird auch das Kino, das Radio keine so unerträg liche Konkurrenz mehr sein, dann werden wieder richtige Bücher — nicht nur Begleittexte und Schulausgaben — von richtigen Menschen gekauft und richtig gelesen werden, — nicht nur noch aus einer eigentlich überlebten üblen Modetorheit weniger Begüterter, die immerhin noch den letzten Nest eines literarischen Scheines wahren wollen und für die gedichtetes Leben ein müßiger Zeitvertreib, ge lebte Dichtung aber nur etwas Bemitleidenswertes ist! Sport — Sportliteratur — Buchhandel. Das Bort^Sport und alles, was damit zusammenhängt, hat In wetten Kreisen des deutschen Buchhandels viel von seinem ehemals guten Klang cingebiißt. Die in den letzten Jahren gesteigerte Sport- tätigkeit und die immer weitere Kreise erfassende Sportlcidenschast wird van vielen Buchhändlern mit dasiir verantwortlich gemacht, daß der Buchadsatz immer stärker zuriickgcht, Ss ist zweiseilos auch richtig, das, das Sportsiebcr, das in den Nachkriegsjahren die brei testen Volksmasscn ergrlssen hat, viele Menschen von der Beschästi- 13SS
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