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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.11.1925
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- 1925-11-10
- Erscheinungsdatum
- 10.11.1925
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- Deutsch
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L63, IV. November 1925. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. 17571 tAWevtLEqen ^Verlag ^ /urErtt'evLtrrr" und «Xrrnsk Ein menschliches Dokument von rücksichtsloser Ehrlichkeit! Im November erscheint: Franziska Gräfin zu Reventlow Gesammelte Werke In einem Bande Eine der merkwürdigsten Gestalten, die sich still und „mit könig licher Selbstverständlichkeit" dem deutschen Schrifttum eingeführt haben, ist Franziska Gräfin zu Reventlow. Ein Philister aller dings, der ein Luch von ihr in die Hand bekäme, stünde diesem funkensprühenden, wahrhaft weltdamenhaften Geiste, diesem Temperament hilflos und verständnislos gegenüber und gar ein Frömmler schlüge entsetzt drei Kreuze, wo etwa ein Goethe „niemals ein frömmer Gebet" gehört zu haben meinen würde. Wer aber ein freier Geist und dazu noch ein wenig Fein schmecker ist, der griff, wenn er sie einmal kannte, gewiß nach jedem neuen Werke dieser Frau mit der frohen Begierde dessen, der sich bewußt ist, daß ihn ein seltener, ein kostbarer Genuß erwartet. - Nun schreibt sie keine „neuen" Bücher mehr. Aber sie ist nicht ganz gestorben. Wie lebendig sie ist, zeigt uns der Verlag Albert Langen durch die Herausgabe ihrer „Gesammel ten Werke". Sie bringen eine große Überraschung. Nicht, daß sie manche unbekannte kleine Arbeit und sogar den hinter- lassenen ausgezeichneten Roman „Oer Gelbstmordverein" ent halten, ist das Wichtigste, vor allem sind es die Tagebücher der Gräfin aus den Fahren 4897-491.0, die einen unauslöschlichen Eindruck Hervorbringen. Sie vervollkommnen und vertiefen das literarische und menschliche Bild dieser Frau und bedeuten ein wahrhaftes menschliches Dokument. Dabei sind es wirkliche, oft ganz lässige Tagebuäjaufzeichnungen, keineswegs für fremde Augen bestimmt. Aber ist man diesen rasch hingeworfenen Be merkungen durch dreizehn Fahre gefolgt, durch die dreizehn inhalts schwersten Fahre der Gräfin, von der jubelnd-bangen Erwartung ihres Kindes an bis an den Tag, wo sie sich von dem unsäglich ge liebten Buben trennen muß, — dann ist es einem, als hätte man nie einen so erschütternden Roman in Händen gehabt. Da ist kein Lachen, das nicht gelacht wird, vom seligen der jungen Mutter — vielleicht hat nie eine Mutter ihr Kind mehr geliebt und mit mehr Verständnis für die Kinderseele erzogen als diese „leichtsinnige" Frau vom im Liebestod ersterbenden Lachen der unzählige- mal und immer, immer „glücklich" Liebenden, vom entzückend boshaften, auch gegen sich boshaften Lächeln der geistreichen „mondänen" Frau, vom tollen Fubeln des Karnevalsübermutes bis zum herzlichfrohen Lachen echten Humors. Sie hat ja so viel Ginn für Humor, — welch eine Seltenheit allein schon für eine Frau! Aber es gibt auch keine Schmerzen, die hier nicht gelitten worden sind. Nur daß sie, außer der Kalamität ewigen Geldkummers, nicht an der Oberfläche gezeigt werden, daß sie mit zusammengebissenen Zähnen erlitten werden . .. Dabei gab es kaum ein Wesen, das mehr zum Glücklichseln prädestiniert erschiene als Franziska Reventlow. Aber das Schicksal will es nicht, - nichts wird ihr erspart, keine Ent täuschung, keine Demütigung, nicht die bitterste Not, nicht die fürchterlichste Situation. Lind immer bleibt diese Seele unge brochen, oben, adlig. Weil sie eben adlig ist bis ins Mark. Wie sehr ihre Bücher ihr eigenes Leben schildern, wird uns erst aus diesem Tagebuch bewußt. Sie selbst ist jene Ellen Olestjerne, die wie ein fremd-schöner Vogel von Lieblosigkeit und Unverständnis aus dem aristokratischen Nest herausgebissen wird, die durch ihr heißes Blut, selbst wenn sie liebt, immer weitergeheht wird, die im Treiben der Schwabinger Boheme tausend amüsante Schwänke erlebt, aber auch das Herzeleid, da Schmerzen bereiten zu müssen, wo sie liebt, und die aus allen Abgründen strahlend austaucht, die Gloriole der Mutterschaft um das reine Haupt. — Sie, Franziska Reventlow, ist es, die in „Herrn Oames Aufzeichnungen" wiederum ihre Er lebnisse mit dem Schwabinger Völkchen, dessen Torheiten und ewig-junge Ideale so liebevoll wie klug drastisch in heiterer Ironie und Selbstironie schildert, sie hat im „Geldkomplex" geradezu klassisch und überwältigend humorvoll die Geschichte ihres ewigen Kampfes mit dem Geldteufel erzählt, den sie nie unterkriegt, weil er genau fühlt, daß sie ihn im Grunde der Beachtung nicht für wert hält. Sie ist es, die unter bunter Gesellschaft, im „Logierhaus zur schwankenden Welt kugel" wohnt, - wann hätte sie auch je wo anders gewohnt! Sie und immer sie ist es, die in „Don Paul zu Pedro", ihrem vollkommensten Werke, einer stilistischen Kostbarkeit, die Amouresken ihres ewig unbeständigen Herzens so geistvoll, reizend und klug erzählt. Man mag es bedauern, um ihretwillen, daß ein Verhängnis diese Liebeskünstlerin von einer ganz beglückenden und sie aus füllenden Liebesleidenschaft zu trennen scheint, man mag den Grund ihrer Unbeständigkeit in einem Fatum suchen, das über ihrer Psyche oder ihrer Physis waltet, entzückt aber ist man von der Grazie dieses echten Weibes, erschüttert ist man von seiner süßen Mütterlichkeit und voller Bewunderung für seine große und eigenartige Kunst. Und — seltsam — diese Frau glaubte sich zur Malerin berufen und hat nie etwas von ihrer Schrift stellerei gehalten. So war und ist sie sich und uns eine Uber- raschung. Doch solche Überraschungen läßt man sich gern ge fallen. Mit einem Weihnachtsgefühl.
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