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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.03.1927
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- 1927-03-10
- Erscheinungsdatum
- 10.03.1927
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X- 58, l<>. März 1927, Redaltioneller Teil, Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Klinke der Gesetzgebung, meint man, ist dazu da, die Interessenten zu befriedigen, wenn sie sich genügend bemerkbar machen. Dieses Borgehcn hat einen sichtbaren Eindruck auf den deutschen Vcr- lagsbuchhandel gemacht. Ec folgt bereits zum Teil dieser Fahne, soweit er zu den Monopolverlcgern gehört. Die Nachdrucksver- lcgcr sind selbstverständlich entgegengesetzter Meinung, Natürlich läßt sich von zwei entgegengesetzten Ansichten eine jede mit logischen Gründen überzeugend vertreten. In der Regel wird dabei um alle Jnterosscnpolitik ein Mäntelchen gehängt, das sie anders erscheinen lassen will. Ich halte es hier nicht für meine Aufgabe, die Partei der 30jährigen Schutzfrist in der Art zu vertreten, daß ich Ihnen alle bisher dafür geäußerten Argu mente in schönstem Aufbau geordnet vorführe, sondern ich möchte den Standpunkt vertreten, der über den Parteien steht, und so zusagen als Kultusminister zu Ihnen sprechen, als ein Mann, der mit innerer Verantwortung der Allgemeinheit gegcnübcrsteht. Ich vertrete also keine Privatinteressen als Verleger, sondern nur das Mitcinanderleben der Volksgemeinschaft, Wie gewinnt man nun Gesichtspunkte, die über dem augen blicklichen Widerstreit der Tagesmeinungen stehen? Bei derartigen Streitfragen ist immer der Fehler, daß man in der Regel nur vom Augenblick, von der Nasenspitze aus denkt, von dem aller- persönlichsten Interesse her, und annimmt, der Gegner sei aus irgendeinem Grunde falsch orientiert. Es ist das Zeichen unserer Zeit, daß wir in unserem Subjektivismus allzu leicht aus die Korrektur unserer Meinungen durch die Erkenntnis, die aus der Geschichte gewonnen wird, verzichten. Ich verstehe darunter nicht etwa die Konstruktion sogenannter geschichtlicher Beweise, sondern das Entscheidende persönlicher Meinungsbildung, nämlich das Verständnis für die Dynamik des Lebens. Die Entwicklung des Lebens erfolgt nicht etwa schichtweise im Sinn Darwinscher Entwicklungslehre, sodaß der augenblickliche Stand punkt die höchste Vollendung ist, sondern sie erfolgt in der Weise, daß kreuzseuermäßig die verschiedensten Kräfte hoch- und auf einander zustoßen, wieder versinken und in gewissen Zeiträumen wieder aufflammcn. Ich gehe so weit, zu sagen, daß die Ein stellung zur 30jährigcn oder 50jährigen Schutzfrist eine Sache des richtigen Sehens geistiger Lebensgesetze ist, und so glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich sage: der Streit ist mehr oder weniger eine Frage kosmischer Anschauung, Man sicht etwas oder sicht cs nicht. Jede Debatte darüber ist überflüssig! Die Anhänger der 50jährigen Schutzfrist vertreten vielleicht ganz unbewußt den Standpunkt zu erstrebender Amerikanisierung Deutschlands, der Mechanisierung unseres Lebens, während die konservativen Verteidiger der 30jährigen Schutzfrist vielleicht instinktiv ebenso unbewußt das Gefühl haben, daß die bewährte 30jährigc Schutzfrist einem geistigen Lebensgesetz unserer deutschen Kultur entspricht. Ich halte es daher für meine Ausgabe, in diesem Kreise Ihnen nun die Augen für dieses geistige Lebensgesctz zu öffnen, und möchte mich von vornherein dagegen verwahren, daß man nur unterlegt, ich rede von einem ideologischen Standpunkt aus. Mein Standpunkt ist der, vom Realen auszugchcn und im Er kennen zu suchen, wie weit Lebensnotwendigkeiten mit geistigen Gesetzen einen Zusammenhang haben. Infolgedessen sind meine Ausführungen stark persönlich. Für mich gilt das »Entweder— Oder« von Kierkegaard und nicht der opportunistische Standpunkt des »Sowohl als auch». Will man in die Tiefen einer Lebens frage vorstoßen, so gehört dazu immer eine innere Entscheidung, Es gehört dazu auch das Bewußtsein, daß es absolute Forderungen gibt, die wir Christen »Gott» nennen, und um die wir nicht herum kommen, wenn unser Leben nicht sinnlos werden soll. Meine Grundthesc lautet: Alles wirtschaftliche Leben ver trägt nur eine kurze begrenzte Zeit lang ein Monopol, und das gleiche Gesetz gilt für das geistige Leben, sonst wäre eben der Begriff »Leben» nicht erfaßt. Ich behaupte sogar, daß das geistige Leben autonom ist und daher eigentlich gar keine Beschränkung verträgt. Die Beschränkung ist nur ein notwendiger Kompromiß zwischen Materie und Geist, 270 Damit diese Thesen nicht allzu subjektiv wirken, ist es not wendig, über den Zaun augenblicklicher buchhändlcrischer Inter essen den Blick auf das allgemeine wirtschaftliche Leben zu lichten. Ich sagte schon anfangs, das Borgehcn der Jnteresscnverbände der Schriftsteller hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Bildung eines Trusts, der die produzierenden Interessenten eines Spezialgebietes vereinigt. Wir sind aber jetzt schon so weit zu einem wirtschaft lichen Erkenntnisbewußtsein gelangt, daß wir die schädliche Wir kung der Truste in bezug auf das wirtschaftliche Leben sehen. Es herrscht einfach dort die Bürokratie des grünen Tisches. Der Syndikus bestimmt die Maßnahmen und nicht etwa das Leben selbst. Ich könnte Ihnen von Gesprächen erzählen, die ich nüt großen deutschen überseeischen Importeuren gehabt habe, mit Bremer Kausleuten, die durchaus wissen, was nationale Not ist. Sie sagten mir: »Wir können nicht mehr von Deutschland impor tieren. Vor dem Krieg hieß es: der deutsche Kaufmann Paßt sich den fremden Völkern an, jetzt aber ist es ganz anders geworden, es gelten heute die Bedingungen, die am grünen Tisch gemacht werden. Der Bürokrat überschätzt begreiflicherweise seine Macht und meint, im wirtschaftlichen Leben könne man mit dem Grund satz auskommen ,Vogel, friß oder stirb!' Wir können nicht mehr mit der deutschen Industrie, soweit sie vertrustet ist, arbeiten, denn in ihrer Bürokratie haben sich die Jnslationsgewohnheiten sozu sagen versteinert. Sie ist mechanisiert». Im Buchhandel haben wir ja auch die Erfahrung einer mechanisierten Gewerkschafts politik gemacht, als den Sortimentern in der Inflationszeit ge sagt wurde: »Ihr müßt 20?S Ausschlag nehmen!» Jetzt sind wir so weit, zu erkennen, daß erstens zuviel Sortimenter damit ge züchtet wurden, und zweitens, daß das Vertrauen gerade des wenigbemittelten Bücherkäusers zum Sortiment erschüttert und dadurch mit der Boden für die Buchgemcinschaften geebnet wurde. Ich führe beides an, obgleich es nicht zum engeren Thema gehört, um den Blick für Lebenstatsachen freizumachen, nämlich daß das wirtschaftliche Leben keine Mechanisierung verträgt und daß cs, ebenso wie ein Fluß fast jedes Frühjahr einmal über seine Ufer tritt, auch im wirtschaftlichen Leben Gesetze gibt, wonach jede mechanische Beschränkung nur von einer beschränkten Dauer sein darf. Aus Schutzzoll muß immer in absehbarer Zeit eine Periode des Freihandels folgen. Um noch ein Beispiel aus dem Leben anzuführen, verweise ich auf die augenblickliche Lage der Automobilindustrie. Sie ist durch den Schutzzoll des vergangenen Jahrzehnts nicht mehr konkurrenz fähig dem Ausland gegenüber geblieben. Erst die drohende Fordsche Konkurrenz hat sie aufgerüttelt. Aber auch unsere Industrie und in Verbin dung mit ihr die Regierung haben sich durch die Patentgesetzgebung schon längst praktisch zu dem Grundsatz des beschränkten geistigen Mo nopols bekannt. Wenn analog dem Vorgehen der Schrift- stellerverbände heute die Erfinder mit der Forderung der Ver doppelung des bisherigen 15jährigen Schutzes auf 30 Jahre vor die Öffentlichkeit treten würden, was würde geschehen? Man würde sagen: Ihr seid Wohl nicht recht klug? Denn nicht nur die Fabrikanten, sondern jedermann weiß, es gehört zur Entwicklung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, daß die Patente einmal zu Ende gehen und in den Besitz der Allgemeinheit übergehen, damit das allgemeine Niveau der Technik sich wciterentwickelt, Ernst Abbe, der Gründer der Jenaer Zeiß-Werke, hat in seinem Statut sogar die Bestimmung, daß überhaupt keine Erfindung, die in dem Werk gemacht wird, der Allgemeinheit durch Patentierung vorenthalten wird. Trotzdem sind die Zeiß-Werke das führende Unternehmen in der optischen Industrie geblieben. Ich sagte, das geistige Leben steht unter den gleichen Gesetzen wie das wirtschaftliche. Wäre es überhaupt nicht besser, das geistige Leben von jedem Monopol zu befreien? Machen wir uns doch einmal klar, daß der geistig produzierende Mensch aus innere» Notwendigkeiten schafft und der materielle Gesichtspunkt für ihn erst in zweiter Linie folgt, Stellen wir uns, um vom Abstrakten loszukommen, doch einmal die Reformationszeit vor Augen, Man überlege: alle die Flugschriften und die Luthcrschc Übersetzung der Bibel hätten unter einer Schutzfrist gestanden, wäre die Refor-
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