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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.09.1925
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- 1925-09-15
- Erscheinungsdatum
- 15.09.1925
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- Deutsch
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>>? 216, 15, September 1925, Redabttoneller Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 13765 Bücher herzustellen, deren denkbar niedrigster Preis — der nicht selten niedriger war als der von den Buchgemeinschaftcn gesordcrle Jahres beitrag — nur geringe Mittel zur Zusammenstellung einer wertvollen Hausbiicherci erforderte. Einer Bücherei, die keine »Pflichtbücher« kannte, sondern vom ersten bis zum letzten Buche dem persönlichen Ge schmacks des Besitzers entsprach. Aber der laute Rus »Billige Bücher!« schien die Vernunft getötet zu haben. Er raste dahin wie der Dschingis-Khan, wie die Wieder täufer und fing alle ein und preßte sie in eine einzige geistige Form, die es bewirkte, daß sieben Millionen Menschen alljährlich höchstens dreißig verschiedene Bücher kauften! Meine Wanderungen suhlten mich bald auch in die Antiquariate. Auch hier ein grundlegender Unterschied gegen früher! Vor allem befaßten diese Geschäsie sich nicht allein mit dem Verkauf von alten Büchern, sonder» man fand bei ihnen gebrauchte Gegenstände mannig faltigster Art, von der henkellosen Kaffeetasse bis zum echten Barock schrank, So verschiedenartig alle diese Geschäfte waren, so einstimmig war ihr Klagelied: »Mit Büchern ist heute nichts mehr zu vcrdienen!« Das Angebot an Ware überstieg die Nachfrage, Wohl kamen viele, die einen Teil ihrer gelesenen Bücher abstoßcn wollten, aber wenige meldeten sich als Käufers denn die Auswahl an verschiedenartigen Bücher» war unverhältnismäßig klein. Lediglich Bücher aus der Zeit, da es noch selbständige Verleger und Buchhändler gab, waren sehr begehrt und wurden von Liebhabern hoch bezahlt. Nun, ich war in der Lage, einen großen Stapel von Büchern zu erwerben — wenn ich ihn hätte zusammcntragen können. Aber was ich fand, war zumeist so vergilbt und zerlesen, daß ich es nicht haben mochte. Als mir ein Wort des Bedauerns und des Berglcichens mit den Zuständen zu »meiner Zeit« entschlüpfte, wurde der Händler aus merksam, »Ah, Sie sind wohl der Herr aus 1925?« ries er erstaunt. »Seit wann habe ich denn diesen schönen Namen?« »Oh, schon seit langer, langer Zeit, Ich habe ihn schon von meinem Vater gehört. Irgendwer brachte ihn auf und machte Sie unter ihm populär. Und all die Jahrzehnte hindurch — bis vor acht Tagen — hieß es allabendlich tm Rundfunk: ,Dcr Herr aus 1925 schläft immer noch'. Das war die ständige Formel, die den Schluß des Programms andculele ... Ich freue mich aufrichtig, daß ich Sie noch persönlich kennen lernen durste, aber Sie brauchen nicht zu befürchten, daß ich Sie mit der Frage behellige, wie Ihnen unsere Zeit gefällt. Davon werden Sie, hoffe ich, einem größeren Kreis erzählen. Hingegen will ich — wenn Sie es mir erlauben — Ihnen ein Stück aus Ihrer Zeit vorführen: Kukuruz Lahemi, den letzten Buchhändler, der Sie als Biicherliebhaber ohne Zweifel interessieren wird.» »Wie heißt dieser sonderbare Mann?« »Kukuruz Lahemi, Niemand glaubt, daß dies der richtige, das heißt der vom Vater ererbte Name sei; der richtige ist er zweifellos für den verschrobenen alten Herrn, Aber Sie werden ja selbst sehen.« Wir nahmen unsere Hüte und gingen. Unterwegs erzählte mein Begleiter die Geschichte des letzten Buch händlers, und sie hörte sich an wie eine alte Legende, »Es muß Anfang der dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts ge wesen sein, als infolge der immer größeren Ausdehnung der Buchge- meinschasten ein Verlag, ein Buchladen nach dem andern seine Tür sür immer schloß. Endlich bestand in unserer Stadt nur noch eine einzige Buchhandlung, und auch sie wies mehr Bücher als Käufer auf, sodaß ihr Inhaber eines Tages .großen Ausverkauf wegen gänzlicher Ge schäftsaufgabe' ankündigte. Aber es kam nicht dazu! denn als diese billigen Tage nun beginnen sollten, fanden die herbcigecilten Kauf lustigen den Laden verschlossen. An der Tür hing ein großes Plakat: ,Jch habe die Buchhandlung übernommen. Ein Verkauf findet vorläufig nicht statt, Kukuruz Lahemi'. Alles lachte über diesen sonderbaren Namen, Aber wie das so geht, man vergaß bald auf das stets verschlossene Geschäft zu achten, in dem immer noch vorläufig nichts verkauft wurde Zudem sah man den sonderbaren Inhaber niemals. Es hieß, er sei auf Einkaufsrcifcn gegangen. Bis eines Tages im Vorfrühling die Rolläden vor dem Schau fenster hochgezogcn waren. Da sah man nun etwas, das für zwei Wochen der Anziehungspunkt der gesamten Stadt war: Das ganze Fenster war schwarz ausgeschlagen. In der Mitte des Hintergrundes stand eine Marmorbliste Goethes, und darüber war in goldener Schrift zu lesen: ,22, März', Im übrigen war das Fenster voll von Büchern, die alle auf Goethe Bezug hatten: die verschiedensten Gesamt- und Einzelausgaben seiner Werke. Bücher über ihn und seinen Kreis, Bilder von zeitgenössischen und von späteren Künstlern. Bücher von Börsenblatt l, b-n D-Ntlch-N Buchhandel, »2. Jahr,»ns. kostbarem Aussehen und Bücher in einfacher Ausstattung, Es schien sür jeden Geschmack, jeden Geldbeutel etwas da zu sein. Aber wer etwa den Laden betreten wollte, de» belehrte eine Aufschrift an der fest verschlossenen und vergitterten Tür: ,Die hier ausgestellten Bücher und Bilder sind vorläufig unverkäuflich!' Natürlich hielt man dies zunächst für einen Neklametrick und war tete auf den im Schaufenster angegebenen Tag, an dem vermutlich der neue Ladeninhaber mit dem Verkaufe beginnen würde. Aber dies ge schah nicht, sondern gerade an dem angektindigten Tage war das Schau fenster wieder verschlossen. Als nun einige nachzudcnken begannen, welche Bewandtnis es mit der sonderbaren Tagesangabe hätte, ob sie vielleicht irgendwie mit Goethe im Zusammenhänge stünde, da stellte sich zur Beschämung nicht Weniger heraus, baß Deutschland die hun dertste Wiederkehr des Todestages seines größten Dichters vergessen hatte!« »lind dabei blieb es wohl auch?« wandte ich ein, »Nicht sogleich. Im Gegenteil begann erst eine kleine Goethe-Kon junktur, Alle Buchgemeinschasten. auch die populären und die streng sachwissenschastlichen, brachten alsbald ein Goethebuch heraus. Das Thema .Goethe und die Liebe' wurde ebenso ernst behandelt wie die Krage .Was kann der Techniker aus Fausts Kanalbauten lernen?' Aber jede Konjunktur geht vorbei, und bald gehörte Goethe wieder zu den Klassikern, deren Werke man wohl besitzen muß, die zu lesen man aber den Schülern höherer Lehranstalten.überläßt. Auch den merkwürdigen Kauz Kukuruz Lahemi beachtete man nicht weiter; nur ein paarmal In jedem Jahre sprach man von ihm, wenn sein Fenster sür einige Tage geöffnet war und eine sorgsam ausgebaute Schau von Büchern zeigte. Da sah man Bücher ,sllr Jtaltensahrer', .die Philosophie von Platon bis zur Gegenwart', fand kleine Bibliotheken für Freunde der Jagd und Fischerei und für Kunstliebhaber, Das Buch des Kaufmanns und des Handwerkers ward gezeigt und vieles, vieles andre mehr. Aber alles war nur zum Ansehen durch das Fen ster vorhanden.« »Wurden da die Beschauer solcher Herrlichkeiten nicht ungeduldig? Ist niemals der Versuch gewaltsamen Einbruchs unternommen wor den?« »Der Versuch, jawohl. Aber er scheiterte stets an der Widerstands fähigkeit der Schlösser und Gitter, Zudem wurde» die durch jene Aus stellungen gegebenen Anregungen meist von den Buchgemeinschafte» anfgegriffen, sodaß etwa opponierende Mitglieder bald zusriedenge- stellt waren. Und endlich öffnete Kukuruz Lahemi seinen Laden.« »Der im Handumdrehen ausverkaust war?« fragte ich ungeduldig, »O nein! Denn Kukuruz Lahemi verkauft nichts!« Ich mußte gerade kein geistreiches Gesicht gezeigt habe», denn mein Begleiter lachte und fuhr fort: »Anfangs habe» die kauflustigen Leute ebenso dreingesehn wie Sic eben. Aber man gewöhnte sich auch daran. Wann nun der Laden zum erstenmal geöffnet worden ist, das ist wohl niemals festgestcllt worden. Auf einmal hörte man das Gerücht: an dem oder jenem Tage, bald zu dieser, bald zu einer andern Stund« sei das Gitter vor der Türe entfernt gewesen und man habe bei Kukuruz Lahemi Leute aus- und eingehen scheu. Aber von keinem, der je darinnen war, hörte man, daß ihm ein Kauf gelungen wäre. Endlich war man allgemein sich darüber klar: der alte Mann, der sich Kukpruz Lahemi nennt, ist ein harmloser Sonderling, der von einer kärglichen Rente lebt und im übrigen den bescheidenen Scherz sich gestattet, dann und wann aus seiner Privatbibliothek wohlgeordnete Gruppen in seinem Schaufenster vorzufiihrcn .... Doch wir sind gleich am Ziel. Nur um diese Ecke noch!« Ich hatte geglaubt, in einer abgelegenen engen Gasse einen reich lich abenteuerlichen Laden anzutreffen, dessen Inneres kein Tageslicht kannte. Aber wir bogen in eine schöne, freilich etwas ruhige Straße ein, i» der sich nur wenige Geschäfte befanden. Das vierte oder fünfte Haus gehörte dem »letzten Buchhändler«, wie der Antiquitätenhändler ihn nannte. Es war ein einfacher, schöner und solider Bau, Tür und Schaufenster waren aus gutem Material hcrgestellt, sauber ge putzt und standen keinesfalls hinter der Ausstattung etwa eines vor nehmen Modehauses zurück. Das Fenster zeigte in bunter Zusammen stellung »Bücher für Reise und Ferienaufenthalt», und da die Türe — welch ein wunderbarer Zusall! — eben offen stand, traten wir ein. Das Innere des Ladens war gleichfalls aufs beste und geschmack vollste eingerichtet. Rings an den Wänden liefen hohe Gestelle, voll von Büchern, und überall waren schöne, gut lesbare Schilder besestigt, die auf den Inhalt der einzelnen Büchergruppe» hinwiesen. Gelegent lich war auch ein kunstvoll gemaltes Plakat angebracht und rief dem Besucher zu »Schenkt Bücher zu jedem Fest!», »Bücher sind Freund:!» und anderes noch. 1812
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