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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.09.1925
- Strukturtyp
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- 1925-09-15
- Erscheinungsdatum
- 15.09.1925
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- Deutsch
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13764«drl-übl-I! I. d. Dtlch». «a«h»nd»I. Redaktioneller Teil. X- 218, 15. September 1825. der Absatz von vornherein gesichert ist, können wir so billig produ zieren wie nie ein Verleger zuvor, weshalb ja auch alle Verleger und alle Buchhandlungen alten Stils untergegangen sind.« »Mit Ihren zehn Büchern im Jahr können Sie doch unmöglich die gesamten geistigen Bediirsnisse der deutschsprechenden Welt decken?» »Das natürlich nicht. Neben uns, die wir politisch und religiös völlig neutral sind, bestehen noch ähnliche, kleinere Vereine: ein rechls- und ein linksgerichteter, sowie ein katholischer und ein evangelischer. Für jene, die nur allerleichtefte und anspruchslose geistige Kost ver tragen können, ist ebenfalls gesorgt, sodaß jede Geschmacksrichtung berücksichtigt ist. Diese siinf Vereinigungen bringen alljährlich zu sammen etwa 30 Bücher heraus. Die sachwissenschastliche Literatur für Arzte, Techniker usw. ist ähnlich organisiert und umfaßt rund sechzig Bücher. All dies zusammengenommen dürste wohl genügen, alle geistigen Bedürfnisse zu besriedigen.» Die Zahlen begannen mir im Kopfe heraumzuwirbeln, so phan tastisch niedrig waren sie. Millionen lesen stets die gleichen Bücher! Das ganze Deutschland ist in Gruppen eingeteilt, die sich durch ihren Lesestofs streng unterscheiden! Ich wandte mich wieder meinem Kauf zu und begann das Ver zeichnis zu studieren. Meine Lieblingsschriftsteller von ehedem waren säst alle zu finde». Doch nicht mit allen ihren Werken, auch schien mir die getroffene Auswahl nicht immer die richtige zu sein. Freilich mochte der Geschmack sich gewandelt haben, dies und jenes war auch nicht »ach dem Sinne von Millionen geschrieben. Immerhin war ich sroh, das Wenige zu finden, und vertröstete mich aus die Antiquare, die cs noch geben sollte. Als ich endlich meine Wahl getrosfen hatte unter den Schriftstellern, deren Name mir teuer war, und unter de» be handelten Gebieten, die mich interessierten, da bat ich den Verkäufer um seine Führung: denn eine Menge neuer Namen war mir noch nicht vertraut, ihr Wert und ihre Bedeutung waren mir so unbekannt wie das Erdinnere. »Ich kann Ihne» leider nicht raten», mußte ich hören; »denn ich verstehe nichts von Literatur und Kunst. Ich interessiere mich mehr siir Technik und Sport. Aber im Katalog ist ja jedes Buch kurz be schrieben. Darnach können Sie leicht etwas Passendes sinken.« »Sind Sie denn kein gelernter Buchhändler?» erlaubte ich mir zu fragen. »Rein. Ich komme von einer anderen Branche. Aber was gibt es auch viel zu lernen, um die Mitglieder unseres Vereins bedienen zu können? Titel und Preise der Bücher stehen nebst allen übrigen Angaben im Katalog. Darnach orientieren sich die Mitglieder und be stellen dann. Die Pflichiblicher sowie unsere monatlich erscheinende Zeitschrift erhalten sie durch die Post zugesandt. Expedition, Buch führung usw. sind also bei uns nicht viel anders als in einem be liebigen kausmännischen Betriebe.» »Und die Werbung neuer Mitglieder?« wandte ich ein. »Die ist ebenso einfach. Genau wie etwa Meyer plakatiert: .Meyers Seife die beste und billigste', so rusen auch wir aus, daß unser Verein die meisten Vorteile bietet.« »Da haben Sic es bequem«, sagte ich und mußte lachen über diese naive Ausfassung von Buchwerbung. »Zu meiner Zeit — wenn ich so sagen darf — z» meiner Zeit, als noch wesentlich mehr als hundert Bücher im Jahre erschienen, da kam es darauf an, für jedes Buch erst einmal die als Leser in Frage kommenden Kreise aufzuspiiren und mit der Neuerscheinung bekannt zu machen und sodann aus den Inter essenten möglichst viele Käufer zu gewinnen. Mancher Verleger plaka tierte wohl auch, aber er verkündete dann meistens anderes als .Vor teile', wie Sie soeben sagten.» Mein Partner schien ei» klein wenig gekränkt zu fein. »Wir bieten ja auch Vorteile wie keine andere Buchgcmeinschast. Wir haben erstens in jeder größeren und mittleren Stadt Deutschlands eine Zweigstelle, wo die meisten unserer Veröffentlichungen vorrätig sind; wir haben sodann siir unsere Mitarbeiter und jene Mitglieder, die ununterbrochen zehn Jahre lang ihre Beiträge bezahlten, eigene Erholungsheime an der See und im Gebirge. Der Aufenthalt ist dort völlig kostenlos; wir geben sogar mitunter Reisezuschüsse. Alle unsere Mitglieder sind vom zweite» Jahre ihrer Mitgliedschaft an gegen Unfall und Todesfall versichert, außerdem verlosen wir jedes Jahr größere Geldbeträge.» »Dann scheinen Ihre Bücher doch nicht so billig zu sein, wie Sie behaupteten. Denn da das Vermögen Ihres Vereins nur aus de» Beiträgen der Mitglieder besteht, muß den Mitgliedern mehr, als siir die Herstellung der Bücher nötig ist, abvcrlangt werden, damit die kostspieligen Sondereinrichtungen gedeckt werden können. Doch darüber will ich einmal mit der Leitung des Vereins persönlich rede». Sagen Sie mir, bitte, noch das Eine: wer trisst die Auswahl der zu druckenden Bücher, und nach welchen Gesichtspunkten geschieht diese Wahl?» »Das besorgt die Leitung unseres Verbandes. Dte sür unsere Veröffentlichungen in Betracht kommenden Autoren sind der Allge meinheit meist durch ihre jahrelange Mitarbeit an Zeitungen und Zeit schriften bekannt, sodaß von vornherein die Gewißheit besteht, daß das Buch auch Anklang findet.» »Wenn nun ein neuer Autor austaucht, wo kan» der seine Arbeiten veröffentlichen?» »Zunächst einmal in den Tages- und Monatsblättern, wenngleich deren Raum meist sehr beschränkt ist. Dann gibt es auch noch ei» paar Vereinigungen von Litcratursrcunden, die mitunter das Buch eines jungen Schriftstellers drucken lassen. Doch haben diese Vereinigungen selten mehr als hundert Mitglieder, sind also völlig bedeutungslos.» »Wenn nun der junge Dichter oder Schriftsteller gar keinen Ver ein findet?« »Das wirklich Gute setzt sich immer durch. Früher oder später», orakelte der seltsame Buchverkäuser. »Wenn es dann nur nicht zu spät ist», mußte ich säst wider meine» Willen bemerken; denn das Gespräch war mir widerwärtig geworden. Aber ein Letztes mußte ich noch frage»; »Es gibt, wie Sie sagten, keine eigentliche buchhändlerische Lehre mehr. Besuche» dann die jungen Menschen, die mit der Vermittlung von Büchern an die Allgemeinheit zu tun haben, wenigstens gelegentlich eine der für sie veranstalteten Sommerakademien?» Ich wurde gefragt, was ich damit meinte. »Nun, es war einmal — sangen wir ruhig so an — es war einmal, da fanden sich junge, sür ihren Berus begeisterte Buchhändler sür ein paar Sommerwoche» mit älteren Führern zu kleinen Arbeitsgemein schaften zusammen. Dort suchten sie nicht nur ihre Berufskenntnisse zu Verliesen, sondern auch all das in sich fortzubilden, was der Ent Wicklung ihrer Persönlichkeit förderlich war. Damals entstand auch das schöne Wort vom.Dienst am Buche'; der Buchhändler, der seinen Beruf wirklich innerlich erlebte, der war nicht nur Kaufmann, der wußte sich auch als Hüter und Vermittler wertvollsten Kulturgutes. Er war nicht nur der .Lieferant' seiner .Kunden', er war in vielen Fällen Berater und Anreger seiner Geschästssrcunbe.» »Das waren Idealisten, aber keine Kaufleute!» Ich empfahl mich mit einigen belanglosen Höflichkettsworten und blieb diesem Bücher-Commis die Antwort schuldig, daß kaufmännische Fähigkeit niemals sich im Erraffen von Geld erschöpft» kann, sondern daß der der wahrhaft Tüchtigste ist, der dte tiefste Auffassung von seinem Berus besitzt und der seine »Kunden« zu »Geschäftssreunden« zu wandeln weiß, weil er das Bestrebe» hat, über das Augenblicks- »Geschäst« hinaus nur echte Werte zu vermitteln. * Ich war verurteilt, säst wie ehedem Herr Raffke und Frau Neu reich, Bücher meterweise einzukausen, bis das letzte Fach in meinem Schranke gesiillt war. Aber das war noch lange nicht der Fall. Daher führte mein Weg mich von einer Buchgcmeinschast zur andern, liberal! fand ich Wertvolles und Belangloses bunt durcheinander. Aber überall sand ich auch nur Bücher, die einem Massengeschmack entsprachen. Und überall ward ich diktatorisch gezwungen, einige Bücher mit in Kauf zu nehmen, mit denen ich nicht das geringste anfangen konnte, weil ich zu ihrem Inhalt keine Beziehung hatte. Es lag mir auch fern, mich mit tausendundeinem Ding zu beschäftigen. Wie ein Alpdrücken be schlich mich die Erinnerung an eine sagenhafte Zeit, die ich noch mit erlebt hatte, die aber die älteste» noch lebenden Menschen vergessen haben mußten: Als gegen Ende des großen Krieges und in de» ersten Jahren darnach an manchen Waren, deren man zum täglichen Leben bedurfte, Mangel herrschte, so stellten die von ihrer Unentbehrlichkeit durchdrungenen Kaufleute den Grundsatz aus: »Wir verkaufen von dieser Ware nur dann, wenn uns auch von einer anderen, die im Uberslnß vorhanden ist, eine gewisse Menge abgenommen wirb». Da mals herrschte allgemeine Entrüstung über solche Ausbcutungsabsichten, und bald schritten auch dte Behörde» gegen solchen Unfug mit allen Mitteln ihrer Macht ein. Aber heute ließen Millionen sich jene uner läßliche Bedingung für den Kauf von Büchern widerspruchslos ge- sallen. Man war selig In dem Glauben, endlich »billige Bücher» z» bekommen, und das genügte, uni jeden etwa laut werdenden Wider spruch sogleich zu ersticken. »Billige Bücher» . . . Woher wußte man denn, daß die Bücher billig waren, da jeder Vergleich fehlte? . . . Als das Schlagwort zum erstenmal ertönte, da wußten die von den Buchlädcn abwandernde» Massen nicht mehr, daß es von je zn den vornehmsten Pflichten eines deutschen Verlegers gehört hatte,
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