Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.09.1924
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1924-09-06
- Erscheinungsdatum
- 06.09.1924
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19240906
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192409061
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19240906
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1924
- Monat1924-09
- Tag1924-09-06
- Monat1924-09
- Jahr1924
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
X- 210, 6. September 1924. »Snftt, erscheinende Bücher. igSrs,mblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 11671 iM-evEmMen OZ erlag ^ /urEltt^erarur' und Knnsk Muncherr die imteMenden Mrsildniiigeii über Malt u. wstattiing unserer BUer der Bildung Finanzielle Not und ungeschwächler, ja verstärkter Bildungs drang sind in der heutigen schweren Zeit die Signatur der besten Kreise des deutschen Volkes. Der deutsche Veriags- buchhandel darf mit Genugtuung sagen, daß er die Not wendigkeit neuer, auch der bescheidenen Börse erreichbarer Buchtypen sofort erfaßt hat. Zu den erfreulichsten Er scheinungen auf diesem Gebiete zählt eine offenbar unge wöhnlich weitausgreifend geplante Reihe, deren zehn erste Bände der Verlag Albert Langen in München eben er scheinen läßt, und die er „Bücher der Bildung" nennt. Der Band „Ur-Goethe", der die Reihe eröffnet, enthält die drei berühmten Urfassungen Goethescher Dramen: die „Geschichte Gottiriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand" (den „Ur-Götz"), den „Ur-Faust" und die Prosa-Iphi genie Das Nachwort führt aus, wie sehr das neuerdings erwachte Interesse für die ersten Fassungen großer Kunst werke dazu angetan sei, wieder zu einem ehrlichen und herzlichen Verhältnis gegenüber unseren Klassikern zu ge langen. Daß nicht längst jemand auf den klugen Gedanken gekommen ist, diese Urfassungen wohlfeil zugänglich zu machen, muß wundernehmen. Der Band „Italienische Reise" von Victor Hehn vereinigt das Schönste aus Hehns Reisetagebuch von 1839 und 1840 mit den klassischen Kapiteln seiner Reife. Zeitlich Bedingtes und Überholtes ist weggelassen, ebenso, was wissenschaftlich so sehr ins Einzelne ging, daß es eine größere Leserschaft vielleicht von diesem wundervollen Buche abge- fchreckt hätte. Man darf sagen, daß es nur zwei italieni sche Reisebücher gibt, deren Kenntnis jedem gebildeten Deutschen unerläßlich ist: Goethe und Victor Hehn. Uber große historische Fragen und Erscheinungen handelt mit weitschauendem Urteil Ignaz von Döllinger in dem Bande „Geschichte und Kirche". Der ungewöhnliche Kopf, von dem die Gegenwart im Allgemeinen nur aus Lenbachs Bildnissen Kenntnis hat, wendet sich in den ge wählten Aufsätzen und Akademiereden an die weitere Bil dungswelt. Von den großen Dynastien, von Papsttum und Inquisition, von der einflußreichsten Frau der französischen Geschichte und anderem spricht er in seiner lichten Prosa mit dem großen Gefühl des überlegenen Forschers und Menschen. Wiederum nicht Literarhistorie, sondern lebendiges Verhält nis zur Dichtung ist es. was die Auswahl aus Wilhelm Scherers heute noch unübertroffener Geschichte der deutschen Literatur: „Von Wolfram bis Goethe" anstrebt. Sie holt aus diesem meisterlichen Werke genau das heraus, was Scherers glänzendste Gabe war: jene sieben herrlichen Charakteristiken von Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide, Luther, Lessing, Herder, Schiller u. Goethe, in denen Scherer sein immenses Wissen in erschöpfende, dabei wundervoll klare und völlig phrasenlose Darstellung ergießt. Als unseren größten Dichter kennt jedermann Goethe; aber daß unsere ganze wissenschaftliche Prosa, soweit sie nicht nur Wissenschaft, sondern auch sprachliche Leistung ist, auf Goethe zurückführt, zeigt der Band „Die schönsten Essays von Goethe". Beginnend mit dem Hymnus des Straß burger Studenten auf das Münster Erwins von Steinbach, enthält es die lichtvolle Darstellung der altdeutschen Malerei am Rhein und das köstliche „Rockusfest zu Bingen". „Winckelmann" und „Benvenuto Cellini in seiner Zeit und Stadt" zeigen, wo die Wurzeln der gesamten neueren Kunst geschichte zu suchen sind. Das hymnische Fragment „Natur" leitet zu den viel zu wenig gekannten Essays über, die, so vereint, wie es in diesem Bande geschehen ist, geradezu das Manifest dessen bedeuten, was wir naturwissenschaftliches Denken nennen. Das bändereiche Hauptwerk von Gregorovius, heute ver griffen und fast nur noch in gelehrten Bücherstuben zu finden, verdichtet sich in der zweibändigen Auswahl ..Rom im Mittelalter" zum bewegten Drama jener großen Kräfte und Gestalten, die die abendländische Christenheit mit ihrem schicksalhaften Mittelpunkt verketten. Von der Völker wanderung bis zu Dante pilgert der Leier, unablässig ge fesselt, durch Jahrhunderte leidenschaftlichster Lebendigkeit. Der glänzende Gestalter Gregorovius hat die zahllosen Quellen seiner Wissenschaft in das Strombett seiner großen Kunst gesammelt und erteilt ihr planvoll die Bewegung eines dichterischen Ganzen. Diese beiden Auswahlbände machen die Höhepunkte eines historischen Standwerkes zum Gemein gut ernster Bildungskreise. Besonders verdienstlich ist, daß endlich Karl Hillebrand wieder leicht zugänglich gemacht wird, dieser „letzte humane Deutsche, der die Feder zu führen verstand", wie Nietzsche ihn nennt. Den Band „Abendländische Bildung" er öffnen zwei der berühmtesten und letzten Essays: die Ge danken zur Entwicklungsgeschichte der abendländischen Kultur und Gesellschaft. Es folgen die drei großen Aufsätze, in denen Hillebrand als Erster Nietzsches „Unzeitgemäße Be trachtungen" würdigte, und jene hoch über allem Partei- und Kliquenwesen schwebenden Gedanken Hillebrands über ein wahrhaftiges Verhältnis zur bildenden Kunst, die dem Florentiner Kreise entstammen, dessen Haupt er war, und zu dem u. a. der Bildhauer Hildebrand, Hans von Marees, Bayersdorfer und Isolde Kurz gehörten. Weit über das Fach der Rechtsgelehrten hinaus greift Rudolf von Ihering in seinen vorstoßenden Werken. Aus ihnen sammelt der Band „Recht und Sitte" das Lebendigste und Gültigste um den beherrschenden Gedanken, daß in Dingen des Rechts, des Eigentums und der Sitte mehr und mehr die gesellschaftliche Betrachtung an Boden gewinnen soll. Ob vom Römischen Recht die Rede ist, ob von Kapitalismus, vom Kampf des Einzelnen um sein Recht, von Höflichkeit und gesellschaftlichen Formen, von komischen Verbohrtheiten in der juristischen Zunft, immer zeigt der sprühende. streitbareDenker auf die gesellschaftliche Verbunden heit des Einzelnen und entlarvt den gefräßigen Egoismus als den heimlichen Gestalter unserer Lebensformen. Die auf gewühlte Gegenwart tut gut daran, dem frischen Erwecker rechtlichen und sozialen Denkens wiederum Gehör zu geben. Der Band „Die schönsten Essays von Taine" ist ein Zeichen dafür, daß die Sammlung sich keineswegs gegen be deutende Denker des Auslandes abschließen will. Er bringt vor allem die farbenprächtigen Aufsätze zum Jahrhundert Ludwigs XIV., in denen sich bereits der zugleich vollendete Darsteller und unbestechliche Richter des Ancien Rügime an kündigt; sodann die Essays über Goethes Iphigenie, Marc Aurel und Balzac und einen Auszug aus Taines in Deutsch land so gut wie unbekarmlcm nachgelassenen Roman, der eine bei aller geistvollen Feinheit der Form vernichtende Kritik eines schematischen u. unintelligenten Schulbetriebs darstellt. Es wäre eine Unterlassung, nicht auf Ausstattung und Preis des Unternehmens hinzuweisen. Die Bände sind durchwegs auf bestem holzfreiem Papier sorgfältig und schön gedruckt und in blaues Ganzleinen dauerhaft gebunden und präsen tieren sich so als das nicht-belletristische Seitenstück zu der bekannten, bereits in über 325000 Bänden verbreiteten Reihe des Verlags Albert Langen „Die schönsten Erzählungen". Es dürfte schwer sein, um den Einheitspreis von 3 Mark für den Band etwas nach Inhalt, Umfang und Ausstattung Gediegeneres und Reicheres zu bieten. Um eine viel miß brauchte Redensart des Tages einmal richtig anzuwenden: hier ist ein planmäßig durchdachtes, unaufdringliches und kostbares Stück deutschen Aufbaus.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder