Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.08.1924
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1924-08-18
- Erscheinungsdatum
- 18.08.1924
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19240818
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192408186
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19240818
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1924
- Monat1924-08
- Tag1924-08-18
- Monat1924-08
- Jahr1924
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
X- 193, 18. August 1924. Redaktionell« Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 10673 Schlossers Kunstliteratur.*) Von Prof. vr. Julius Zeltler. Selbstverständlich wird man es begrüßen, daß der moderne Knnst- gefchichlsunierrlcht ganz auf Anschauung eingestelll ist, lange genug hat cs ja gebauert, bis das Kunstwerk rein als Dokument eingeschätzt wurde, bis cs selbst zu Aussagen über sich veranlaßt wurde, eine Entwicklung, die mit Rumohr und Waagen eingesetzt hatte. In dem Dunkelkammerbetricb mit Lichtbildern aber wird kaum mehr etwas zitiert, kaum mehr wird eine Biographie auch nur mit einigen pragmatischen Erläuterungen versehen, es gibt Kollegien, in denen die Studenten rein aus eine sormalistische Bildanalyse gedrillt werden, Kollegien, die in effektvoller Zuspitzung aus Verblüffungen hin zu Theateraufführungen werden, aber die Studenten beginnen zu klagen, daß ihnen quellenkritisch und kunstliterarisch zu wenig gegeben würde, und auch das Seminar kann darin nicht allzuviel einholen. Diesem Rißstand gegenüber, aus dem erhellt, baß der formalistische Bild- kultus Wölfslins nicht nur Lichtseiten mit sich brachte sob der jetzige Züricher Kunstforscher, indem er bei seiner Verabschiedung von Deutsch land einen Wandel im Kunstvortrag verkündigte, seine eigene Grenze empfand, steht dahin), ist es nun erfreulich, daß wir von Julius Schlosser in dem Werke »Die Kunst literatu r» sKunstverlag Anton Schroll k Co., Wien) ein kapitales »Handbuch zur Quellen kunde der neueren Kunstgeschichte« erhielten, das mit einem Schlage der Kunstgeschichte ein Rüstzeug liefert, wie sie es noch nicht besessen hat. Dieser Band von 610 Seiten Text und 80 Spalten Register mit seinem fundamentalen, ungeheuer reichen, gedrängten, konzentrierten Inhalt wirkt wie ein Hieb in die Masse der schnellsertigen Bildcr- büchersabrikanten unserer Tage. Schlosser hat allerdings feinem Werk eine Jahrzehnte lange Arbeit gewidmet (Teile davon erschienen seit 1014 in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissen schaften); er ließ es sich auch für sein Ziel angelegen sein, eine große einschlägige Bibliothek zu sammeln. Das Werk umfaßt die gesamte Kunstliteratur vom Beginn des Mittelalters bis in die Ansänge des 10. Jahrhunderts. Die Ergebnisse des Altertums sind sehr ausgiebig mit dargcstcllt. (Für bas 19. Jahrhundert, dessen Kunstschriften ja an sich bekannt sind, können W ä tz o l b ts bei E. A. Seemann erschie nene »Deutsche Kunsthistoriker« mit herangezogen werden.) In feiner Einteilung des Stoffes folgt Schlosser natürlich den Epochen, doch haben Leonardo, die Kunstgeschichtsschrcibung vor Vasari, Vasari selbst, und ferner der Manierismus eigne Kapitel. Es ist selbstver ständlich, baß im Mittelpunkt der ganzen Darstellung Italien steht, aber auch von der Kunstliteratur der übrigen Länder, besonders Deutschlands, gibt Schlosser ausführlich Bericht. Den Abhandlungen, die die einzelnen Phasen zusammenschließen, folgen die bibliogra phischen Noten. Die Brauchbarkeit eines solchen Werkes für den Kunstforscher liegt aus der Hand. Aber Schlosser gibt weit mehr als eine bloße Biblio graphie; er unterrichtet auch über die jeweilige Kunstthcorie, über die Stilkritik, über die Traktate, über die Probleme der Schönheit, des Genies, des Dekorum, der eonvenienra, über die Entwicklung der Pro portionen- und der Perspektivenlehre usw. Kür die Ästhetik vor allem und die Entwicklung der ästhetischen Begriffe ist ein solches Werk außerordentlich nützlich. Aus einer Quellenkunde entfaltet cs sich geradezu zu einer Theorie und Geschichte der allgemeinen euro päischen Kunstgeschichtsschreibung. Es ist überhaupt wieder einmal ein Berk von internationaler Qualität. Nicht nur der Kunstforscher aber kann es nutzen, sondern auch der Buchhändler und Antiquar. Die sehr konzentrierten Bibliographien sind sllr diesen Zweck gut geglie dert, vor allem aber erleichtert das ausführliche Register die Hand habung. Wenn im folgenden noch ein paar Notizen aus dem Gehalt des Werkes gegeben werden, so geschieht dies nur, NM aus besonders Interessantes hinzuweisen. AuchLdie meisten unserer Kunstforschcr sind am Ende nur in ihrer Spezralliteratur zu Hause, so wie bei Grüuewald Sanbrart, bei Lranach Scheurl, bei Rembrandt Baldinucci, bei Michelangelo u. a, Vasari zitiert wird. Näher liegt uns unser 18. Jahrhundert ipegen der vielfältigen Bezüge der gleichzeitigen Kunsthistoriker zu unseren Klassikern, ja wegen ihres Verschmolzen seins, so verknüpft sich mit Goethe, nicht nur wegen der italienischen Reise, die gleichzeitige Kunsthistoriographie fast ganz Europas. Hier wirb auch die sogenannte Guibenliteratur von den Mirabilien der Caput munck! an bis zu I. I. Volkmann und Richardson, und den Ciceronebüchern wichtig und auch dem alten Gsell-Fcls wird ein Kranz gewunden. Plinius, Ouintilian. vor allem Vitrnv mit seinem mächtigem Ein- *) Schlosser, Julius: Die Kunstliteratur. Ein Handbuch zur Quellenkunde der neueren Kunstgeschichte. Wien: KnnstvcrlagAnton Schroll L Co. 1924. XVI, 640 S. Gm. 24.—, geb. 30.—. sluß, unter dem ihn die Jahrhunderte immer wieder abschrciben, wer de» geschildert, auf Plato, Aristoteles, Plotin wird zurllckgegrissen. über den alten Theophilus und den sagenhaften KLnftlermönch Rog- kerus von Helmershausen wird ebenfalls Authentisches gegeben wie über den Gotiker Billard de Honnecourt; von Matthias Roritzers Fialenbuch brachte Habbel in Regensburg eine Reproduktion. Wichtig ist, baß Schlosser in Dvoraks bekannter Abhandlung über die Gotik die Erkenntnis des »Lehnguts im mittelalterlichen Denken« vermißt. Abt Enger, der Bauherr von St. Denis, taucht auf. Von Dante, aus gezeichnet geschildert, wird der berühmte Begriff des ckolos stll nuvv» klargelegt. Der Werkstatttraktat des Cennini wird erläutert. Mit Ghibcrti, Landini, Kacius beginnen die Viten, die Künstlerbiogra phien, neben Alberti und Ularete steht Francesco Colonna mit sei nem berühmten Roman, der klxpnerotomaciua polipbili, der leider noch keine deutsche Ausgabe gesunden hat. Bezüglich der Hieroglyphik wäre hier aus L. Volkmann, .Bilderschriften der Renaissance sHiersemann), hinzuweisen. Die Perspektivikcr und Proportionstheoretiker begin nen mit Piero bella Franzcsca und Luca Pacioli, bei welch letzterem Dürer gelernt haben soll. Der Univcrsalmensch Leonardo erfährt natürlich eine profunde Würdigung, doch sei hier nur angemerkt, wo die Manuskripte, für die I. P. Richter das Beste getan hat, liegen. Der Codex Atlanticus in der Ambrosiana in Mailand, 8 Handschriften in Windsor, in Paris 17 aus altem Raub, den freilich der Bibliomane Libri, den man aus Bogeng am besten kennt, seinerseits dezimierte. Hier wären die Auszüge aus dem Malcrbuch von Emmy Voigtländer nachzutragcn. llbcr den sogenannten Anonimo Magliabccchiano wie über den Anonimo Morellianp sMichiel) erhält man Ausschluß. Sehr willkommen sind Nachrichten über die Kunstchroniken unserer Dürcr- zcit, die Butzbach, Scheurl, Rcudörfer, über die »Kunstbüchlein« und .Perspektivbüchcr«, vor allem über Dürer selbst. Ein Problem bleibt gegen Wölsflin, ob Dürer die Perspektive von Pölerin-Viator ge kannt hat, vielleicht brächte, hier eine Untersuchung des Holzschnittes der Marter der 10 000 weiter. Traktate des Lancilotti, Pom- ponius Ganricus, Cesariano sichren bas Thema fort bis zu Vasari, diesem Vater der Knnstgeschichtsschreibung. Aus der meisterhaften großen Analyse dieses stark komplizierte» Mannes nur ein Schnörkel: der Hinweis auf die Tragödie Carl Freys, dieses letzten reinen Knnst- philologen. Aus dem immensen textlichen Wissen Freys bleiben nur Torsen, auch in der Ausnutzung des Vasariarchivs zeigte er eine die Empsinblichkcit der Italiener kränkende pedantisch-unerbittliche >öand. Condivi sei hier in seiner Eckermann-Stellung genannt. Das Grundbuch des nordischen Manierismus lieferte Karel van Mander. Armenini, Zuccaro, Dolce leiten die Künstlerbiographien ein, ja mit Ccllini die Selbstbiographien. Der klassische Säulenordnungskultus heftet sich an die Namen Serlio, Palladio, Vignola, Scamozzi, in zahllosen Ausgaben überschwemmten ihre Regeln die Welt. Hübsch und amüsant ist die Genealogie des Feigenblatts, überhaupt ist man ches witzige Wort eingesprengt, so das von der Eunuchenkunst der Beuroner, oder das von »jener Kaste schriststellernder Medikaster, die feit jene» Tagen (1550) die Literatur unsicher machen«. Da der Manierismus in Gefahr steht, als Entdeckung serviert zu werden, sei auf die schon lange vorliegenden Untersuchungen Weisbachz dazu hin- gcwicscn. Die Kunstliteratnr im Zeitalter des Barock und Rokoko sei mit den Namen Pafseri, Pafcolt, Hcllori (dem Freund Poussins), und Baldinucci illustriert. Auch Ehantelou, dessen Reisetagebuch bet uns Rose hcrausgab, ist wichtig. Auch d'Argenoille, Sanzi, Cicognara, d'Agincourt sind Erzväter der Kunstgeschichtsschreibung. Meusel, Murr werden die Vorläufer des alten Nagler. Mit Baldinucci tritt das Interesse an der Graphik ein, das dann schon in Bartsch gipfelt. Zu Sanbrart, der übrigens auch schon die ostasiatische Malerei trak tiert, und überhaupt zu unserer eignen großen Kunstliteratur im 18. Jahrhundert (über die hier aus Schlossers tiefen Darlegungen nichts mehr zitiert sei), wird zur Ergänzung Wätzoldt heranzuziehen sein. Sehr bedeutsame Kapitel widmet Schlosser noch der Heraus bildung der Kunstkritik und Kennerschaft in dieser Zeit, auch in Dar legungen, die jenseits des Bereiches unserer bekannten Klassikcrtheorien liegen. Während Mancini hier noch zu erwecken wäre, hat die Ar- chitckturlehre des Fürsten Liechtenstein durch Viktor Fleischer eine schöne Würdigung und Veröffentlichung erfahren. Dies alles können jedoch nur bloße Andeutungen auz dem Inhalt sein, Fingerzeige a»f sonst Entlegenes. Eine Masse grnindlichcn und verarbeiteten, geord neten Wissens steckt in Schlossers geistreichem Werk, dem prognostiziert werden muß, daß geistesgeschichtlich eine große Befruchtung von ihm ansgchcn wird. Die Erde wird so übersichtlicher wie kleiner, indem sic so geordnet wird. Die Handspanne Zeit von Phidias bis Rodln, deren Erstreckung wir so maßlos überschätzen, schnurrt immer mehr zusammen. Ans so tausendfältigem Bemühen der »Kunstdcnker«, mit Worringcr zu reden, muß der Mensch doch einmal lernen, wo die Werte liegen, die im Falle Schlosser die Kunstwerte sind. 1387
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder