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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.01.1928
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- 1928-01-24
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- 24.01.1928
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X« 20, 24. Januar 1928. Redaktioneller Teil. versichert wurde, Armut außerhalb der großen Städte nicht zu finden sei. Dabei gibt die Art, wie dieser Reichtum erworben wird, dem Kalifornier geistig einen anderen Charakter als dem Mann aus dem übrigen Amerika. Im Osten und in der Prärie ist es ein Kampf mit dem Urwald gewesen, mit den Unbilden der Witterung, dem jähen Wechsel der Jahreszeiten und den plötzlichen Umschlägen, was den Typus der Energie des Ameri kaners bestimmte. Von all diesen Widerständen der Natur hat der Kalifornier nichts zu fürchten. Fast das einzige Problem für die, Landwirtschaft ist das Wasserproblem. So empfindet der Kalifornier die Natur nicht als gleichberechtigte oder gar übergeordnete Macht, er hat keine Furcht vor dem Schicksal, er selbst ist das Schicksal. All das gibt dem Kalifornier eine optimistische Fröhlichkeit, ein Selbstbewußtsein und ein Vertrauen auf die Kraft seines Willens, wie es anderswo kaum möglich ist; und damit sind auch kulturell ganz besondere Möglichkeiten gegeben. 4. Der Kalifornier knüpft an andere Traditionen an als das übrige Amerika. Der Osten ist neuenglisch, der mittlere Westen ist gcschichtslos — Kalifornien fühlt sich mit der spa nischen Tradition verknüpft. Die Spanier hatten, von Mexiko herkommend, schon jahr hundertelang unter den Indianern ihre Missionen, deren Kirchen noch heute stehen. Diese Tradition wird liebevoll und senti mental gepflegt. Eine geschickte spanische Kulturpropaganda knüpft daran an und tut so, als ob vor 1850, ehe die Amerikaner hinkamen, hier eine hohe spanische Kultur gewesen sei. Allein die historische Wahrheit ist hier unwesentlich; die Hauptsache ist, daß man bewußt an spanische Traditionen anknüpft und daß sich in der Bevölkerungszusammensetzung der spanische Ein schlag noch immer bemerkbar macht; er gibt dem Wesen des Kaliforniers eine künstlerische Note, wie sie der Amerikaner sonst nicht besitzt. Sie ist nicht so sehr literarisch wie in Neu england, sondern besteht in erster Linie in der Kultur des Auges. Dazu kommt der Einfluß Ostasiens — von dem echten Kali fornier niemals zugegeben — an vielen Punkten: in der Deko ration, der Gartenkunst und dergleichen. Es entsteht so eine merkwürdige Mischung im Kalifornier! Auf der einen Seite hat er die Rastlosigkeit des Pioniers, die Gleichgültigkeit gegenüber dauernden Werten, das auf Sensa tion Gestellte, das in steter Spannung Lebende, wie es im mitt leren Westen zu Hause ist — auf der anderen Seite findet man hier in Kalifornien Menschen, die Zeit haben und sich Zeit nehmen — unerhört für das übrige Amerika und doch Voraus setzung aller Kulturentwicklung. Man hat so überall in Kalifornien den Eindruck von kultu rellem Werden und dem Entstehen von Eigenartigem und Neuem. Ich glaube daher, daß die deutsche Kulturwerbung ihr Augenmerk in höherem Maße nach dem fernsten Westen richten könnte, als es bisher geschehen ist. Die Bedingungen sind relativ günstig: man kann an das alte starke und zum Teil noch immer lebendige Deutschtum Kaliforniens anknüpfen. Der kulturelle Einfluß Englands, der im Osten so sehr groß ist, ist hier gering. Nur Frankreich spielt in der guten Gesellschaft eine beträchtliche Rolle, aber nicht so, daß dieses Neuland für von anderer Seite her kommende Einflüsse unzugänglich wäre. Sehr verbesserungsbedürftig ist der Zustand des Buch handels in Kalifornien. Wenn ich in T-Stadt in der dor tigen einzigen Buchhandlung amerikanische Bücher bestellte, die nicht sehr gangbar waren, so dauerte es zwischen 10 und 14 Tagen, bis ich sie erhalten konnte. Westlich von Chicago sind kaum Verleger vorhanden. Für jedes Buch schreibt die Buchhandlung nach New Hork; bis es geschickt ist, dauert es mindestens 10 Tage. Vor dem Erdbeben, also vor 20 Jahren, soll eine Reihe von östlichen Verlegern in San Francisco Nieder lagen gehabt haben, die sie nach dem Erdbeben fast alle wieder aufgaben. überhaupt leidet der Westen an einem Mangel nicht nur an Verlegern, sondern auch an Buchhandlungen. Gerade dadurch ist die Möglichkeit gegeben, durch eine bessere Organi sation, als sie im Durchschnitt vorhanden ist, deutsche Bücher und Übersetzungen von deutschen Büchern einzuführen. Wie sich 88 das am besten machen ließe, dafür fehlt mir die buchhänd lerische und verlegerische Übersicht. Aber es ist mir kein Zweifel, daß das relativ geringe Lesebedürsnis des Kaliforniers bald einer größeren Nachfrage nach Büchern Platz machen wird. Da gilt es für Deutschland auf dem Posten zu sein. Ein noch wichtigerer Ansatz zu Neuem in den Vereinigten Staaten als das Emporblühen Kaliforniens ist eine weitver breitete Kulturbewegung, die vor allem an den Namen des Schriftstellers und Journalisten Mencken anknüpst. Er und sein Kreis sind in erster Linie scharfe Kulturkritiker, die in Büchern und Zeitschriften (American Mercury, Nation, New Republik), im einzelnen oft über das Ziel hinausschießend, jene Entwicklung zur Veräußerlichung und Materialisierung, von der ich sprach, bekämpfen. Alles, was lebendig und zukunfts reich und vorwärtsstrebend ist, steht hinter ihnen. Ihr Einfluß ist unterirdisch, aber sehr groß. Die geistig interessierten Kreise der Studentenschaft in allen Teilen des Landes sind ihre be geisterten Anhänger. Die Kritik, die sie ausüben, bedeutet nicht Kritik vom neu englischen idealistischen Standpunkt aus. Im Gegenteil: die erstarrte Tradition Neuenglands ist ihnen ebenso ein Dorn im Auge wie der unsoziale Busineßgeist. Nach welcher Richtung ihre Kritik geht, zeigt sich am besten daran, daß augenblicklich Ibsen bei der modernen amerikanischen Jugend eine ähnliche Rolle spielt wie von 1895 bis 1900 bei uns. Es wird um eine Reinigung der kulturellen und Politischen Atmosphäre gekämpft. Es wird gesellschaftlich, politisch, persönlich Ehrlichkeit und Wahrheit durchzusetzen versucht. Ihr Sport richtet sich gegen Geistesträgheit und Selbstzufriedenheit, gegen Masse und Massen anschauungen (Mencken hat ein Buch: »Ido xkilvsvpb)' ol rcieckoiod W«t-scds- geschrieben); sie streiten gegen die politische Korruption, den Tiefstand der amerikanischen Zeitungen usw. Die offiziellen Kreise sind ihnen nicht wohlgesinnt — begreif licherweise —, aber es ist kein Zweifel, daß in 20 Jahren diese Jugend in allen geistig einflußreichen Stellen sitzen wird.- Der Berichterstatter behandelt weiterhin die Zurückdrängung des Interesses für die deutsche Sprache durch den Krieg und be merkt, daß jetzt unter den Fremdsprachen Französisch an die erste Stelle gerückt ist, das früher weit hinter dem Deutschen zurückstand; als zweite Fremdsprache jedoch gilt allenthalben das Spanische, sogar im Osten. Der patriotische Hinweis auf die Zusammengehörigkeit der Bereinigten Staaten mit Süd amerika und der wirtschaftliche auf die geschäftlichen Entwick lungsmöglichkeiten spielen dabei eine Rolle. »So wie für das Spanische, so hat natürlich die Propa ganda gegen das Deutsche starken Einfluß gehabt, und die Kriegsgewohnheit, Deutsch nicht als fremdsprachliches Fach bei den Examen an den Universitäten zu wählen, wirkt auch jetzt noch nach, wo die Ursachen weggefallen sind. In der Statistik der Teilnehmer an Sprachkursen sowohl an Schulen als auch an Colleges schneidet daher das Deutsche noch immer kläglich ab. Die trockenen Zahlen der Statistik werden aber lebendig, wenn man immer wieder sieht, daß es den Studenten nicht möglich ist, deutsche wissenschaftliche Literatur ihres Faches zu verstehen, daß sie überhaupt von deutscher Kultur nichts mehr erfahren. So fehlt selbst bei Studenten, die die beste Absicht haben, Deutschland kennen zu lernen, die rechte Vorbildung. In manchen Universitäten kamen immer wieder Studenten zu mir, die gern ein halbes Jahr in Deutschland studieren wollten. Sie hatten alle kein oder fast kein Deutsch gelernt. Wenn sie für ein halbes Jahr nach Deutschland gehen, so werden sie daher das Semester für ihr Studium in Amerika nicht angerechnet be kommen. Wohl aber hätte es Sinn für sie, an Ferienkursen teilzunehmen, die das Deutschlernen ermöglichen. Denn diese Sommerkurse würden ihnen wenigstens mit einer bestimmten Anzahl von .Punkten' für ihre Schlußexamina gezählt werden. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, daß auch mit allen An strengungen das Deutsche jemals die Stellung wieder erringen kann, die es vor dem Kriege hatte. Der Amerikaner fühlt sich heute so sehr als Mittelpunkt der Welt, so sehr sich selbst ge nügend, daß die Notwendigkeit, fremde Sprachen zu lernen, über haupt nicht mehr als sehr dringend empfunden wird. Dazu
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