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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.01.1928
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- 1928-01-17
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- 17.01.1928
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x° 14, 17, Januar 1928. Redaktioneller Teil. der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, für alles eine Lösung zu finden, zu Fall gebracht hat. Denn es stellte sich heraus, daß so einfach, wie noch 1900 Haeckel sich die Dinge dachte, sie nicht liegen. Die Naturwissenschaft hat auf immer das mechanistische System aufgegeben, d. h. ein System, bei dem alle Vorgänge auf Bewegungen zurückzuführen sind. Denn die Erscheinungen, die Sie alle kennen, Elektrizität und Magnetismus fassen sich nicht so leicht an. Das Ergebnis hat auch gezeigt, daß der Begriff der Materie nicht so einfach liegt, wie er zuerst erschien, daß dies nicht kleine Krümchen sind, aus denen sich die Körper zu sammensetzen, sondern daß es ungeheuer verwickelte Gebilde sind, deren Gesetze vielleicht uns noch viel ferner liegen als die Ge setze der Planeten, die um die Sonne kreisen. Außerdem: der Begriff des Stoffes verflüchtigt sich vollkommen, es verflüchtigt sich der Begriff des Raumes, es verflüchtigt sich der Begriff der absoluten Zeit. Alles verschwindet. Wir müssen uns gestehen, daß wir hier nur Festsetzungen getroffen hatten, die zweckmäßig sind, von denen wir aber nicht sagen können, daß sie in der Wirklichkeit ohne weiteres begründet sind. Wenn aber so das alte naturalistische System zu Fall ge bracht ist, so wird man vielleicht nicht allzusehr darüber klagen. Denn dieses System hatte doch immer etwas ungeheuer Totes und Seelenloses an sich. Die Maschine läuft. Der Mensch soll laufen wie eine Maschine. Das sei eine harte Tatsache, hieß es, die man aber hinnchmen müsse. Es ist doch eine gewisse Er lösung, wenn man hört, daß der Mensch eben nicht läuft wie eine Maschine, daß noch Dinge in dem Menschen Vorgehen, die wir auf mechanische Weise nicht erklären können, einfach des wegen, weil wir doch schon die allereinsachsten anderen Er scheinungen nicht so mechanistisch zu deuten vermögen. Und so stehen wir nun heute da. Wir können nicht den Halt finden in der reinen Geistesphilosophie, die bloß vom Geiste ausgeht, bloß vom Denken, die sagt: wir brauchen die Erfah rungen gar nicht, wir können das, was wesentlich ist, aus uns selbst schaffen. Auf der anderen Seite können wir aus der Er fahrung auch nicht alles ableiten. Wir bleiben so immer vor viele ungelöste Probleme gestellt. Ja, wir gleichen mit unserer Erkenntnis nur einem Manne, der sich in dunkler Nacht mit einer kleinen Laterne seinen Weg sucht. Deswegen sind wir auf dem Standpunkt angelangt, daß wir schon recht froh wären, wenn wir nur soviel lernten, wie wir für unser Leben brauchen. Wenn die Erkenntnis das leistet, daß wir unser Leben Praktisch gestalten können, daß unser Leben uns erleichtert, bereichert, verlängert wird, dann sollen wir zufrieden sein. Ich spreche nicht von der Religion. Die Religion ist in diesem Falle etwas anderes. Das Problem hier besteht für den religiösen wie für den irreligiösen Menschen. Auch der religiöse Mensch muß heut zutage, was vollkommen anerkannt wird, seinen Glauben irgend wie mit seiner Erkenntnis und seinen Lebenserfahrungen in Einklang bringen. Und nun diese Wüste, in der wir stehen, die wir gar nicht mit neuem Grün bedecken können. Wie wollen wir das, was uns einstweilen trostlos macht, was diesen niederdrückcndcn Eindruck hervorruft, bessern können? Halten wir uns an unsere Arbeit, halten wir uns etwa an den Sport, an Dinge, die wir greifen können, halten wir uns an unsere Erkenntnis, halten wir uns an das sachliche Ersassen der Tatsachen, soweit sie uns dienlich sind oder soweit sie uns interessieren? Wollen wir uns dabei beruhigen, werden wir über die Zweifel hinwegkommen? Wie lautet nun die Lösung? Wo können wir erwarten, daß ein Ausweg geschaffen wird? Denn wir müssen eben denken: Wenn es so ist, wie ich es geschildert habe, so kommt es sicher dahin, daß jeder nur um sein Tagwerk sich bekümmert und alles, was darüber hinausgeht, gar nicht mehr in Frage kommt, wo jeder von vornherein sagt: Ich habe genug zu tun, ich befasse mich nicht mit anderen Dingen, die doch nichts sind für mich usw. Wir müssen natürlich sagen, daß das ein zu überwindender Standpunkt ist. Aber wir müssen andrerseits bedenken, welch ungeheure Vermessenheit darin besteht, daß der Mensch alle Dinge erklären wollte, daß er ein Bild geben wollte von allem, was geschieht, ehe er nicht das Einfachste, was vorliegt, die aller notwendigsten Aufgaben, sagen wir die Aufgaben der Technik 60 und des Lebens usw. erst einmal behandelt hat. Und nun ist es tatsächlich auch so, daß die Wissenschaft an sich immer mehr dazu übergeht, sich auf das zu beschränken, was sie feststellen kann. Der Wissenschaftler selbst wird es im allgemeinen ab lehnen, aus seiner Wissenschaft eine Weltanschauung zu formen. Er sagt: Ich behaupte nur das, was ich belegen kann, entweder durch logische Schlußfolgerungen oder durch den Nachweis aus den Tatsachen. Mehr ist also von der Wissenschaft weiter nicht zu erwarten. Aber sie bedeutet auch keine Störung. Indessen liegt der Fall doch nicht ganz so einfach für die Bildung einer Lebensanschauung oder Weltauffassung. Die Wissenschaft zieht sich zunächst aus der Sache, sie verzichtet auf ein System. Aber irgendwie wird doch die Systembildung von der Wissenschaft festgehalten. Wenn es nicht ein System in dem Sinn des All- umspannens, des Umfassens aller Geschehnisse ist, so ist es doch ein System der Methode. Und das beruht darauf, daß man vorsichtigerweise nur die Tatsachen anerkennt, die man wissen schaftlich bearbeiten kann. Denn der Wissenschafter liest nur das aus, was er untersuchen kann. Vollkommen richtig! Aber dem Wissenschafter ist es unangenehm, wenn man ihm sagt: Hier und dort liegen Dinge, die du nicht bearbeiten kannst. Das hört er nicht gern. Da liegt der wunde Punkt. Wie nun be arbeitet der Wissenschafter die Dinge? Er kann nur brauchen, was ec betrachten kann, was er fortwährend wieder bestätigen kann. Er muß die behandelten Vorgänge reproduzieren können. Es handelt sich also um solche Vorgänge, die sich immer unter den gleichen Verhältnissen wiederholen. Einmal handelt es sich darum, zu beobachten und das Ergebnis zu vergleichen mit anderen Erfahrungen, einmal muß man die gemachten Erfah rungen zusammenfassen. Man kann also nur die Erfahrungen brauchen, die im Grunde gewöhnlich sind, die vielleicht zu An fang ungewöhnlich waren, wie die elektrischen Wellen, die aber gewöhnlich gemacht werden können, wie eben die elektrischen Wellen auch gewöhnlich wurden. Denn jetzt finden Sie sie überall; es gibt kaum noch ein Haus, wo sie nicht hineindringen und ab gehört werden. Es ist das eine Demokratistcrungstendenz der Naturwissenschaft. Sie muß die Dinge erst gewöhnlich machen, sie muß sie erst gemein machen, dann sagt sie: Nun habt ihr nichts unter euch, was ungewöhnlich ist. Und das ist dieses Eigentümliche, daß wir die ungewöhnlichen Ereignisse nicht be herrschen. Wir nennen die ungewöhnlichen Ereignisse wohl übernatürlich. Das ist an und für sich nicht richtig. Ein Er eignis, das passiert, ist etwas Natürliches, ob es selten passiert oder immer wieder geschieht. Aber für diese seltenen Ereignisse, für die man keine Erfahrungen hat, weil man keine Parallel- sälle hat, für die hat im allgemeinen der Wissenschafter ein taubes Ohr. Das ist menschlich begreiflich, aber es ist schließlich nicht gerechtfertigt. Wir müssen doch sagen: vielleicht haben gerade die Erscheinungen, die selten Vorkommen, den größten Wert, denn zu diesen Ereignissen gehören die seelischen Eindrücke eines Menschen, die von einem ganz besonderen Wert oder von einer ganz besonderen Stärke sind. Hier kommen wir aus Punkte, die wir nicht so ohne weiteres wissenschaftlich begreifen. Die Psycho logie, die Wissenschaft der Seele führt sofort in das Gebiet der Naturwissenschaft hinein. Sie läßt sich genau nach gleichen Ge setzen behandeln wie die Naturwissenschaft, aber gerade in der Psychologie lassen sich ganz unmöglich ungewöhnliche seelische Erscheinungen behandeln, weil auch hier die vergleichende Be obachtung die einzig mögliche Methode ist. Und hier ist schon ein Loch, eine Lücke, auch in der Wissen schaft. Es zeigt sich, daß die Wissenschaft nicht überallhin kann. Die Wissenschaft kann aber auch nicht über eine gewisse Grenze hinausreichcn. Denn es hat sich herausgcstellt, daß die Gesetze, die auf unserer Erdoberfläche gelten, zum Teil im Weltenraum gar nicht mehr richtig sind, nicht mehr richtig sein können. Die Übertragung eines Gesetzes, das wir nur beobachten an der Erd oberfläche, auf das Weltall ist nicht ohne weiteres möglich. Da sehen wir die Notwendigkeit, die Unverbrüchlichkeit der Natur gesetze einer Revision zu unterziehen. Es scheint überhaupt, daß die Naturgesetze nur ständig wiederkehrende Regelmäßig keiten bedeuten. Sie gelten innerhalb einer gewissen Grenze, über die wir nicht hinausgehen können. Also eine Beschränkung
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