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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.01.1928
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- 1928-01-17
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- 17.01.1928
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^ 14, 17. Januar 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatts, d. Dtschn. Buchhandel. irgendeine Autorität, sondern wiederum herrscht der autokra- tische Gedanke: Ich verlasse mich nur aus mich selbst, auf meine eigene Erkenntnis. Es sind die großen Männer wie Kopernikus, Galilei, Kepler usw., die diese neue Weltanschauung bestimmen. Ich brauche sie nicht alle zu nennen. Nun tritt aus dem wissen schaftlichen Denken heraus das Bestreben zutage, wirklich ein System der Weltauffassung oder Weltanschauung zu entwickeln. Aber nicht mehr auf Grund irgendeiner Autorität, nicht mehr auf Grund irgendeines Volksglaubens, sondern bloß aus der Vernunst heraus. Es ist die Zeit der Vernunftherrschast, des Rationalismus, die damals aufkommt. Und diese Zeit des Ra tionalismus hat uns beherrscht bis in die jüngste Vergangenheit. Der Rationalismus ist nicht bloß der Gebrauch der Vernunft da, wohin sie gehört. Denn niemand von uns wird die klare Vernunft beseitigen wollen. Wir wären unglücklich, wenn wir einmal den Versuch machten, unklar denken zu wollen, den festen Boden der Denkgesetze unter den Füßen verlören. Wir sollen die Dinge klar und richtig zu schauen suchen. Aber was die Vernunft nicht leisten kann, ist, daß sie alle Dinge durch dringt, daß sie eine Antwort gibt auf jede Frage. Dieser An spruch ist vermessen gewesen. Aber er lag in der Natur der Sache, weil dieser Gedanke, der Gebrauch der Vernunst, im Kampfe geboren wurde, im Kampfe eben gegen die Autorität. Es sollte sich erst der freie, uneingeschränkte Gebrauch der Ver nunft durchsetzen, es sollten Hemmungen wegfallen, die den Menschen in seiner Tätigkeit und seiner geistigen Entwicklung zurückhielten. Und daraus ist wohl zu erklären, daß von vorn herein bei der Systembildung dieser Anspruch der Allmacht, des Allumfassens austrat, denn dadurch allein war das Gewicht einer neuen Autorität gegeben. Dieses Bestreben an sich spaltete sich aber bei seiner Durch führung in zwei Richtungen. Diese Richtungen sind etwa um das Ende des 17. Jahrhunderts entstanden und, man kann wohl sagen, von England ausgegangen. Zu Anfang war die Ver schiedenheit der Auffassung schwer zu erkennen. Man kann kaum den Unterschied sehen zwischen den zwei Männern Locke und Berkeley, den beiden größten englischen Philosophen der da maligen Zeit. Der eine ging nach der Seite des Sensualismus, wonach das Entscheidende die äußern Sinneseindrücke sind, und der andere nach der Seite des Idealismus, nach dem Gedanken hin, die Welt beruhe nicht darauf, daß uns die Eindrücke von außen her bestimmen, sondern daß die Seele in uns, daß wir selbst sozusagen es sind, die die Welt bilden. Das waren die beiden großen Systeme oder Gedanken, die damals auftraten. Die Entwicklung dieser beiden Systeme war richtunggebend für das ganze Denken. Ihre Prinzipien haben später unser ganzes Geistesleben durchzogen. Sie haben alle ja wohl von der Teilung der Wissenschaft in Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft gehört. Das nimmt sich sehr einfach hin als eine zweckmäßige Teilung der Fächer. Es ist aber viel mehr, cs ist die Teilung zweier verschiedener Anschauungsweisen, die von Grund auf verschieden sind. Wir können sagen, die idea listische und die naturalistische. Die ganze Spaltung geht im 18. Jahrhundert weiter. Wir haben materialistische Systeme, wie später im 19. Jahrhundert, auch schon damals. Sie wissen, welch ungeheure Bedeutung Kant dadurch gewonnen hat, daß er im Gebrauch der Vernunft die richtige Grenze wies. Aber in der Folgezeit zeigte sich, daß gerade aus Kant heraus die großen Systeme von Fichte, Schelling und Hegel emporwachsen, die den Anspruch einer ungeheuren Universalität erhoben. Fichte mehr, indem er zurückweist, was ihm nicht Paßt, Schelling und Hegel aber, indem sie behaupten, alles Geschehen, was überhaupt vorkommt, durch die Kraft der Vernunft bezwingen zu können, durch die Kraft der reinen Vernunft, d. h. durch eine Vernunft, die sich nicht an Erfahrungen hält, sondern die alles aus sich selbst heraus spinnt, wie die Spinne ihre Fäden. Das können wir heute wohl kaum noch begreifen, es galt aber seinerzeit für eine ungeheure Tat, und Hegel erlangte im Geistesleben des 19. Jahrhunderts eine ganz gewaltige Stellung durch seinen Ra tionalismus, der auf der Autonomie des Geistes beruht, des Allgeistes, der sich selbst entwickelt in der Natur, den Menschen heraustreten läßt aus der Natur und ihn immer weiter ver vollkommnet. Neben dieser Philosophie Hegels entwickelt sich langsam die andere Seite der Wcltbetrachtung, die Naturwissen schaft. Und wie schließlich die Philosophie Hegels Schiffbruch erlitt und erleiden mußte, weil sie eben das nicht halten konnte, was sie versprochen hatte, da kam immer mehr die andere Seite, die naturalistische, hoch. Die Hegelsche Philosophie hat hinter sich die Geisteswissenschaft, die Geschichte, die Wissenschaft der Sprachen. All das erscheint da in einer neuen Beleuchtung verklärt und gehoben. Man hat diesen Standpunkt allgemein als Idealismus bezeichnet, weil er eben die idealen Seiten des Lebens sozusagen erfaßt, und weil er gleichzeitig eben auch von den Ideen an sich ausgeht. Der Naturalismus aber wuchs natur gemäß dadurch hoch, daß er aus seiner Seite die ungeheuren Fortschritte der Naturwissenschaft hat. Die Naturwissenschaften haben ja die Entdeckungen immer mehr gehäuft. Sie haben ihre Früchte gezeitigt in der steigenden Entwicklung der Technik. Die ganze Zivilisation nahm einen ungeheuren Aufschwung, und es war begreiflich, daß der Beifall der großen Menge sich nament lich den Naturwissenschaften zuwandte, weil sie ja allen die un mittelbar brauchbaren Ergebnisse lieferte. Sie verbilligten und erleichterten alles, was sür das Leben nötig war. Sie wirkten sich auch in der Medizin aus, in der Kunst, Krankheiten zu heilen. Die Segnungen lagen so auf der Hand, daß naturgemäß seit Jahrzehnten eine neue Weltauffassung cinzog, die nun auf diesen Naturwissenschaften aufgebaut ist. Und wenn ich Ihnen im Anfang diese beiden Namen genannt habe, Hegel auf der einen Seite und Haeckel aus der anderen Seite, so sehen Sie, daß sie eine Verkörperung zweier Richtungen sind. Auf der einen Seite steht die Geistesrichtung, die erklärt, aus dem Geiste heraus alles, was geschieht, erklären zu können, und aus der anderen Seite steht die naturalistische Richtung, die glaubt, aus dem Naturgeschehen alles ableiten zu können, oder richtiger gesagt, nicht aus dem Naturgeschehen an sich, sondern aus einer ganz bestimmten Auffassung der Natur. Diese Naturaufsassung ist gekennzeichnet durch den Begriff des Naturgesetzes. Das Naturgesetz Prägt den allgemeinen Be griff der Notwendigkeit aus. Das Gesetz ist die unverbrüchliche Notwendigkeit. Was durch das Gesetz bestimmt ist, das ist immer, wenn die gleichen Verhältnisse vorliegen. Und in diesem Natur gesetze sah die naturalistische Seite dieselbe Stärke, welche andererseits die geisteswissenschaftliche Seite oder die geistes philosophische Seite Hegels erblickte in dem Gebrauch der Dia lektik, der logischen Funktionen. Nun ist es zu einer Krisis gekommen. Diese Krisis gilt es zu überwinden. Wie ist diese Krisis heraufgezogen? Die Hegelsche Dialektik hat offenkundig versagt. Sie mußte sich um gestalten. Sie hat andere Formen angenommen, aber immer das Gepräge behalten, daß man nicht auf den Erfahrungstat sachen fußt, sondern daß man im Grunde das, was man vor bringt, aus seinem eigenen Geiste schöpft. Es mußte sich natur gemäß zeigen, daß das, was so herauskam, doch nicht den An spruch daraus machen konnte, alles, was in der Welt ist, die ganze Natur, den Wandel der Menschenschicksale, zusammenzu fassen, um dem Menschen ein lückenloses Bild von der ganzen Welt zu geben, ihn darüber zu beruhigen, was aus ihm wird, und ihm eine Anleitung zu geben, wie er sich in der Welt zu verhalten hat. Ihr anfängliches Ziel war viel zu weit gespannt. Namentlich in den Abteilungen, die den Menschen zu behandeln hatten, in der Ethik, in der Sittenlehre zeigte sich doch, daß alle diese Grundsätze nicht aus einem System abgeleitet waren, son dern übernommen waren von den Vätern her. Die praktische Wirksamkeit dieser ganzen Einstellung, dieser rein logischen Ein stellung, die nichts anderes will als die Funktion des logischen Denkens gebrauchen, ohne die notwendige Bedingung dafür, ein bestimmtes Maß von Wissen zu haben, diese Bewegung hat sich auch in der allerjüngsten Zeit totgelaufen. Es sind dann aller dings wieder neue Systeme aufgetreten, aber im ganzen kann man doch sagen, in weiten Kreisen ist das Zutrauen zu einer solchen Leistung, rein aus dem Denken für alles eine Lösung zu finden, geschwunden. Auf der anderen Seite kam nun eine Entwicklung, die nicht so einfach zu überblicken ist, die aber auch nun den Anspruch 59
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