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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.01.1928
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- 1928-01-17
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- 17.01.1928
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X? 14, 17. Januar 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatts, d. Dtschn. Buchhandel. doch irgendein Krümchen von dem, was ich hier sage, mit nach Hause. Glauben Sie nicht, daß ich mich für berufen halte, über diesen Gegenstand zu sprechen, aber es muß es doch jemand tun, und da ich gerade zur Stelle war, so nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich es tue. (Heiterkeit.) Die große Wendung im Geistesleben unserer Zeit liegt im wesentlichen darin, daß eine bestimmte Resignation eingetreten ist. Mögen Sie bloß bedenken, daß um die Jahrhundertwende ein Buch erschien, «Die Welträtsel« von Haeckel, und dieses Buch nur den Titel «Die Welträtsel» führte, weil es den Beweis an- treten wollte: Es gibt keine Welträtsel. Jedes Rätsel löst sich auf, man muß nur den Weg sinken, und ich, Haeckel, kann euch den Weg zeigen! Es gab früher einen anderen Mann, der mit einem ähn lichen Anspruch auftrat: Hegel, aber allerdings ganz anderer Meinung war, wie Haeckel. Auch dieser Hegel sagte: «Es gibt kein Problem, das sich nicht dem forschenden Geiste entschleiert«. Er hat es selbst unter ein Bild geschrieben, das ich im Hause seiner Enkelin gesehen habe. Das sind zwei Menschen ganz ver schiedener geistiger Richtung, die aber mit dem gleichen Anspruch austreten: Es gibt kein Rätsel mehr. Alles ist bereits geraten. Man muß nur die Lösung wissen, und diese Lösung liegt nicht ferne, sondern ich, der ich schreibe oder spreche, ich habe die Lösung gefunden. Und meine Schüler sind nun berufen, diese Lösung zu handhaben, sie weiterzutragen, und dann ver schwindet aller Zweifel, alles Sorgen und Bangen. Es wird nun eine geordnete, schöne, gute Zeit kommen. So hochgespannt sind unsere Erwartungen heute nicht mehr. Der Absturz ist vielleicht ein bißchen schmerzlich gewesen, aber er ist gesund. Nun muß aber gerade unsere Jugend diesen Ab sturz durchmachen, und es ist begreiflich, daß ihr alles ins Schwanken geraten scheint. Bedenken Sie den Eifer der Jugend an sich, so werden Sie fühlen, daß ihr die Sache ernst ist. Das Suchen nach einem neuen Weg ist der große Inhalt der Jugend bewegung, darin liegt auch die Sportbcgeisterung begründet, daraus erklärt sich das ganze Emanzipationsgelüste der Jugend. Sie vertraut nur noch sich selbst, weil sie sich führerlos glaubt. Das wird nicht lange dauern. Die Jugend wird wieder Ver trauen gewinnen zu ihren Erziehern, aber es wird eine gewisse Zeit vergehen, ehe sich die neue Umstellung vollzogen hat. Diese Umstellung wird, wie ich ganz sicher glaube, dahin gehen, daß wir mit solchen ungemessenen und ungerechtfertigten Ansprüchen nicht mehr auftreten, sür alles in der Welt eine Lösung zu haben. Ich möchte nunmehr zeigen, wie sich diese ganze Lage im Laufe der Zeit entwickelt hat. Man kann über die Krisis in der Gegenwart nur sprechen, wenn man die Entwicklung in der ganzen Vergangenheit sich vor Augen führt. Wenn man in der fernsten Vergangenheit nachsorscht, oder in dem frühesten Kin- desalter oder in den einfachsten Volksschichten, so wie sie sich aus dem Lande erhalten haben, so findet man eine Weltanschau ung, die ganz anderer Art ist, als wir sie in unseren gelehrten Büchern finden. Der primitive Mensch, wie man alle diese Menschen zusammenfassend nennt, macht sich die Wirklichkeit, die ihn umgibt, dadurch begreiflich, daß er sie deutet nach sich selbst. Solche Wesen, wie er selbst eins ist, sieht er überall, zunächst in seinen Stammesgenossen. Dann sieht er sie aber auch in den Tieren, in den Pflanzen, in Steinen, in den Wolken, überall. Diese Wesen, soweit sie nicht unmittelbar vor ihm stehen, wie in seinen Mitmenschen, deutet er ohne weiteres als Geist. Wir müssen das Wort nehmen, weil uns kein anderes zur Verfügung steht; es ist aber außerordentlich schwer zu umreißen, weil sich der Begriss im Lause der Zeit gewandelt hat und wir uns nur mühsam erst wieder auf diese Urstufe des Denkens zurückversetzen können. Uns scheint alles zunächst sehr merkwürdig und seltsam. Aber es ist bei dem primitiven Menschen so, daß er überall sich von Geistern umgeben findet. Teils sind sie wohlwollend, zum größten Teil aber sehr übelwollend. Der primitive Mensch hat eine ungeheure Furcht vor den Geistern. Wenn wir uns das vor Augen halten, erfahren wir überhaupt erst, wie diesem primi tive Mensch eingestellt ist. Was wir in den Denkmälern der Urzeit vor uns sehen, was wir im Kind beobachten, was uns das Volk erzählt, ist uns zunächst unverständlich, wenn wir uns 58 nicht klar machen, daß diese Anschauungen in allen ihren Äuße rungen zugrunde liegen. Zu diesen Anschauungen gehört auch die Auffassung, daß der Tod nur ein Übergang des Menschen in einen geistigen Zustand ist. Der Tote lebt als Geist weiter und wirkt nun auch genau so wie die Geister, sodaß sich die Ansicht entwickelt hat, daß sich die ganze Tätigkeit der Geister auf die Toten zurllck- sühren läßt und der Totenglaube den Kern des Geisterglaubens bildet. Was nun mit dieser Weltanschauung der Primitiven erreicht wird, ist das, was ungefähr Haeckel und Hegel erreichen wollen, daß man vor keinem Rätsel steht, denn alles erklärt sich eben in dieser Primitiven Weltauffassung geisterhaft. Wenn sie überall die Wirkung von Geistern sehen, so haben die Men schen gar nicht weiter zu fragen: wie kommt das? Es ist eben ein Geist, der wirkt, und von diesem Standpunkt aus — das ist immer zu betonen — denken die primitiven Menschen absolut logisch. Es ist nicht wahr, daß der primitive Mensch keine Logik hat. Er hat eine ausgezeichnete Logik. Aber seine Prämissen, seine Voraussetzungen sind ganz anders wie die der zivilisierten Menschheit. Es ist aber der Standpunkt der primitiven Menschen nicht damit abgetan, sondern es besteht säst überall daneben die An schauung einer Vorherbestimmung, einer Notwendigkeit alles Geschehens, und vor allen Dingen des menschlichen Schicksals. Diese Vorherbestimmung wird mit den verschiedensten Worten bezeichnet. Die Griechen nannten sie Moira, die Römer Fatum, die Mohammedaner Kismet und die Germanen Wurt. Nun, diese ganzen Anschauungen sind Gemeingut aller pri mitiven Menschen. Infolgedessen verstehen sich alle ganz aus gezeichnet untereinander. Was der eine sagt, begreift der andere sofort, weil er ja genau dieselbe Ansicht hat. Es wäre das ein sehr glücklicher Zustand an sich, wenn nicht die Schwierigkeiten beständen, die mit einem solchen Urzustand immer verknüpft sind: der harte Kampf um das Dasein, Entbehrungen und Not, Grausamkeit der Menschen gegeneinander und all das. Also nicht etwa, daß wir diesen Zustand zurückersehnen sollen. Es ist nur ein schöner Traum, zu glauben an ein goldenes Zeit alter. Aber wir sollen aus der andern Seite Verständnis dasür besitzen, was auch schon in diesen Naturmenschen vorgeht. Nun kommt aber eine Zeit, wo die Menschen mit dieser Auffassung nicht mehr zufrieden sind und wo der einzelne Mensch hcrvortritt und seine eigene Weltauffassung kundgibt. Er sagt: So wie das Volk es glaubt, ist es nicht. Das Volk glaubt an Geister, das Volk glaubt an Götter. Das stimmt nicht, es ist anders. Und er entwirft dann sein eigenes System, seine eigene Weltanschauung. Wir stehen heute noch auf dem Boden dieser Entwicklung, welche sich im wesentlichen bei den Griechen voll zogen hat. Weiter ist nun zu beobachten, daß der Begriff des Schick sals, der Schicksalsnotwendigkeit in der philosophischen System bildung nicht etwa beseitigt wird. Vielmehr wird er aufgehoben durch eine andere Fassung, die im Grunde dasselbe besagt. Es heißt: Alles Geschehen vollzieht sich durch Naturnotwendigkeit. Diese Anschauung der Naturnotwendigkeit, die alles Geschehen leitet, auch das Schicksal des Menschen bestimmt, steht beinahe überall fest. Daneben werden aber auch die Geister nun um geformt. Sie werden zu Naturkräften. Wir machen es uns nicht klar, daß alle diese Kräfte einen solchen Ursprung haben, daß sie aus einem geistartigen Begriss hervorgcgangen sind. Aber alle Naturkräfte, die wir annehmen, stammen aus der Selbst erfahrung des Menschen und ihrer Übertragung in die Wirklich keit, in das Naturgeschehen. Den Begriff der Kräfte schuf der Mensch aus sich selbst. Natürlich mußte das Bestreben darauf hinausgehen, möglichst diese Begriffe in eine Form zu bringen, die ihren geisterhaften Ursprung verschleiert. Das ist eine Sache für sich. Wir wissen weiter, daß diese autokratische Weltbestim mung der alten Philosophen durchbrochen wird vom Christentum und daß hier ein viel gebundeneres System der Weltersassung eintritt. Es kommt dann aber die Zeit, wo auch dieses System aufs neue durchlöchert wird. Es ist die Zeit, die wir so im allgemeinen als die Renaissance bezeichnen. Hier wird aufs neue der andere Weg eingeschlagen, sich nicht zu verlassen auf
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