Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.01.1925
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1925-01-13
- Erscheinungsdatum
- 13.01.1925
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19250113
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192501136
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19250113
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1925
- Monat1925-01
- Tag1925-01-13
- Monat1925-01
- Jahr1925
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Redaktioneller Tetl. X- 10, l3. Januar 1925. Buchhändlerfreuden. Der 24. Dezember ist immer ein besonderer Geschäftstag. Nicht enva weil sich da die Kasse besonders gut stillt; nein, das tut sie zum Schulanfang noch mehr. Auch nicht, weil ich dann den ganzen Tag selbst eifrig mit bedienen muß; das muß ich zum Schulanfang auch noch viel mehr. Aber es kommen am Tage vor Weihnachten so viele Leute, die das ganze Jahr nur einmal den Weg in die Buchhandlung finden und dann natürlich in einer gewissen Feierlichkeit. Sie bringen schon die rechte Weihnachtsstimmung mit, lassen sich gerne etwas vorlegen und so gerne beraten, wollen nur etwas Gutes kaufe», kommen mit vollem Vertrauen und gehen wieder dankbar mit stiller Freude. Biele sind darunter, die als Weihnachtsstammgäste mich so freundlich mit meinem Namen beglichen, daß es mir leid tut, den Gruß nicht ebenso herzlich mit ihrem Namen erwidern zu können. Da macht mir der Ladenverkehr so viel Freude, daß ich mir wünsche, ich brauchte das ganze Jahr über im Geschäft nur immer zu verkaufen und könnte die vielen anderen Arbeiten, die dem Chef nun einmal zu tun übrig bleiben, auf einen anderen abwälzen! Neben dieser stillen Freude gibt es am 24. Dezember, den ich in Verbindung mit dem Geschäftlichen nicht gern als den Heiligen Abend benenne, auch noch weit mehr offene Freude und Fröhlichkeit als sonst. Kommt da die Frau Polizeimajor N. und behauptet, ich hätte die Werke von Grillpanzen im Fenster stehen, die sie zu kaufen wünscht. Zum Glück bediene ich selbst, und ein kräftiger Biß auf die Zunge hilft mit, ein Aufjuchzen zu überwinden. Der Herr Polizeimajor selbst hatte vor langen Jahren in Sachen Schundliteratur sämtliche Buchhändler der Stadt zu sich befohlen, ihnen einen »belehrenden« Vor trag über deren wirksame Bekämpfung gehalten und vor allem die spannenden Erzählungen von »Poeeh« (Poe) mit besonderer Betonung des »eeh« als geeignetes Gegenmittel empfohlen. Eine üppig genährte Dame läßt ihre schwere Körperfülle auf den nächsten Stuhl fallen. Sie will ihrem Sohn, dem jungen Drogisten, zu Weihnachten »Werke« schenken; sie sollen aber belehrend sein. Ich zeige und nenne Bnchheister, Ziegler, Holfert, Dieterich n. a., aber es ist alles schon vorhanden. Auch Sportbücher würde sie ihm schenken. Die vor gelegten Sportbücher finden aber keine Beachtung, weil nur Nacht segeln in Frage komme. Da hierüber nichts am Lager ist, müssen wir auf die »Werke« zurückkommen. Ich empfehle Klassiker, lege anderes vor; aber alles findet keine Gnade vor dieser geschwollenen Geistesflllle. Bald, am Ende meiner Künste, fragt Mich die Dame etwas entrüstet, ob ich denn nicht die »Werke« von Tarzan dem Affen hätte!!! Ent zückende Lösung des Rätsels! Wie schnell war da etwas gefunden! Man muß nur immer das richtige vorlegcn; sollte ich alter Esel das immer noch nicht gelernt haben? Gleich noch einen ähnlichen Fall: Ein junges Mädchen fragt ganz schüchtern, ob sie den Frühlingstraum von Lehne bekommen könne. Tatsächlich, schon sehr altersschwach in Cdclpappe, aber er war da! Strahlender Miene berichtet nun die glückliche Fragerin von ihrer Weihnachtsfreude, als man es ihr verstehend in die Hände legt. Die Schwester habe den Wunsch ausgesprochen, sie sei schon von einer Buch handlung in die andere gelaufen. In einem Laden habe man sie sogar ganz höhnisch ausgelacht. Warum einem Kunden im Laden mit Hohn begegnen? Seelische Hemmungen wird jeder Buchhändler des öfteren beim Verkaufen spüren; aber helft doch diesen Leuten be sonders liebevoll znm Hinauflesen, anstatt sie aus den Vuchläden hin auszujagen; dann treibt Ihr wirklich Dienst am Buch! Eine einfache Frau verlangt drei Strombücher, worauf der An gestellte Max Halbes Strom vorlegt, aber mit Entrüstung zurückgc- wiesen wird, weil die im Fenster ausgestellten drei Strombücher viel dicker seien. Es waren Storms Werke in einer dickleibigen Kriegs papierausgabe, die durch das unzeitgemäße Billigerscinivollen zweier Kollegen am Platze einen so erschreckend niedrigen Preis bekommen hatten. Natürlich fiel dabei nur dem zuschaucnden Dritten, dem Publikum, der Vorteil in den Schoß. Diesmal hatte aber auch ich eine Weihnachtsfreude dabei, weil jetzt der Storni — vielleicht trotz der Billigkeit der einzige — in einer einfachen Hütte einen Ehrenplatz fand. Eine ältere Frau will gerade den Laden verlassen, als ich sic noch im Vorbeigehen frage: »Na, Mütterchen, sind Sie befriedigt?« Nein, ich wollte ein Pilzbuch haben.« »Wollen Sic denn jetzt noch in die Pilze gehen?« »Das hat Ihr junger Mann mich auch gefragt, aber mir ganz etwas anderes gezeigt, als ich haben wollte.« Beim Fehlschlagen seiner Bemühungen hat der bedienende Angestellte ge glaubt, angesichts des lebhaften Geschäfts die strenge Weisung, mich um Rat zu fragen, ehe ein Kunde ergebnislos den Laden verläßt, um gehen zu können. So wird dem Mütterchen lediglich durch meine zu fällige Frage doch noch der Weihnachtswnnsch erfüllt: mit zufriedenem Gesicht und dem zweibändigen »Bilz, Naturheilverfahren« unter dem Arm verläßt sic uns. Eine Großmutter fragt ganz aufgeregt, ob wir ein Buch vom Weihnachtsmann haben. Mit Freuden greift sie danach und erzählt vor den anshorchcndcn Kunden, daß ihr kleiner Enkel sich im Vorjahr ein Zweirad zu Weihnachten gewünscht hätte, aber unterm Tannen baum beim Anblick eines Dreirades, das die Eltern wohlbedacht aus wählten, auf die Kniee gesunken wäre und ganz verzweifelt geschrien hätte: »Lieber Gott, kennst Du denn kein Zweirad?« Ein Kaufmann verlangt, den Wunschzettel seines Töchtcrchens ent ziffernd, das Buch »Nesthäkchen fällt ans dem Bett« (anstatt »fliegt aus dem Nest«). Ein dienstbarer Geist weist entschieden Kaisers Kolportage zurück, weil ein Zeitungsfetzen darauf klebt, sie dürfe nur ein tadelloses Buch bringen, das »antiquitatische« nehme die gnädige Frau bestimmt nicht! Inst am letzten Tage nach ungeduldigem Warten ist auch noch »Graf Udos Seele« eingetroffen. Ein freudiges Lächeln huscht über das Gesicht der Bestellerin. Aber trockenen Ernstes spricht der junge Gehilfe: »Das Leben dieses Mannes zieht sich wie ein weißglllhender Metallfaden durch die Zeilen des Romans, und um diesen Faden kristallisieren sich die Schicksale derer, die mit ihm in Berührung kommen«. »Ariger Metallfaden!« Ich mußte, um einen Lachkrampf abzuwendcn, schnell im Kontor verschwinden, wenngleich ich dem Ge hilfen zürnte, daß er einen unschuldigen Kunden so vor den Kopf stoßen konnte. Vor Wochen schon hatte mich derselbe junge Mann mit den Worten »Der erste Preis im Jnseratenwettbewerb des Bör senblatts« auf das »weißglllhende Metallfadenbuch« hingewiesen. Die Worte waren in seinem Gedächtnis unauslöschlich haften geblieben. »Ich konnte nicht anders!« erwiderte er später auf meine Vorhaltungen. Am Abend, als schon die Gittertllr vorgehängt ist, sind noch zwei Kunden im Laden, welche die Angestellten lieber draußen wünschen. Der eine, ein Herr von imponierendem Auftreten, wünscht »Keller mann, Nester und Lie«. Um vor Weihnachten für die Jugendschriftcn vorn im Laden Platz zu schaffen, sind die Sammlungen iveit hinten im Lager verstaut worden, darunter auch die Neste von Fischers Ro manbibliothek. Die rechte Lust zum Vorholen fehlt, aber es hilft nichts. Doch mit Entsetzen schiebt der Imponierende das broschierte Buch von sich, nimmt es nach einigen erklärenden Worten und dem wohlge-, meinten Rat des jungen Mannes, sich das Buch später in Leder mit Goldschnitt binden zu lassen, aber doch, weil er glaubt, daß seine »Vornehmheit« erkannt ist. Der andere Kunde, ein biederes Fräuleinchen, hat schon einen großen Stoß Bücher vor sich liegen und kann immer noch nicht das richtige finden. Seufzend entfährt ihr, daß alles zu teuer und daß es so schwer sei, etwas für den ernsten, anspruchsvollen Bruder zu fin den. Da springt todesmutig der erste Gehilfe ein. Na, Fräulein, sagt er, der junge Mann hat Ihnen ja viel zu viel vorgelegt. Jetzt will ich Ihnen einmal das richtige Buch geben: ich selbst würde den tollen Bömberg schenken, aber Ihnen empfehle ich das hier, Schleichs besonnte Vergangenheit. »Ist das auch lehrreich und ernst? Man kann das einem Buche gar nicht ansehen«. Aber schon packt es der Erste ein, und mit schwerem Seufzer ist auch der letzte Kunde, die Dame mit dem schweren Ansehen und dem schweren Entschluß, draußen. Nun noch schnell die Lädcntttr verschlossen, die Tische aufgeräumt: denn endlich ist Schluß, und Weihnachtsstimmung liegt über den Ge schäftsräumen: die Angestellten wissen, jetzt kommt die Bescherung. Früher gab es Kuchen, Leckerei, Geld und Bücher; aber der Krieg hat .insofern eine kleine Wandlung geschaffen, als es nur Bücher gibt. Je doch jeder kann selbst wählen, was seinem Herzen das liebste ist. Das ist nun schon ein alter Brauch geworden. Die Gehilfen bekom men noch das treffliche Buch »Deutsche Buchhändler« von Gerhard Mcnz mit der Mahnung, es denen gleichzutun. Ein Tippfräulein und ein Lehrling haben die schwerste Wahl. Der Stift kommt zuerst mit seinem Wunsch heraus: eigentlich zu hoch, wird er doch bewilligt, und die übrigen legen nun den entsprechenden Maßstab an. Sogar ein viel gefragtes vergriffenes Buch kommt zum Vorschein, und über die listige Miene des Fragenden wird natürlich ein Auge zugcdrückt. Froh gehen endlich auch die Buchkncchte auseinander, und ich selbst eile zur Be scherung im lieben Familienkreise der Wohnung zu. Mir wurde aber noch etwas Besonderes beschert. Knecht Ruprecht meinte es in diesem Jahre besonders gut mit mir: Im Traum ent stieg Tarzan der Affe meinem Schaufenster, schritt würdig zur Litfaß säule und holte den Weihnachtsengel der Werbestelle herunter. Zu
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder